Saarbruecker Zeitung

Haftbefehl gegen Puigdemont

Die Uhr tickt. Die Festnahme des katalanisc­hen Ex-Regionalpr­äsidenten ist nun wohl nur noch eine Frage der Zeit. Dennoch könnte sein Aufenthalt in Brüssel die Sache hinauszöge­rn.

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MADRID/BRÜSSEL (dpa) Seit gestern Abend ist es offiziell: Der spanische Staatsgeri­chtshof in Madrid hat einen Europäisch­en Haftbefehl gegen den katalanisc­hen Ex-Regionalpr­äsidenten Carles Puigdemont erlassen. Der Beschluss der Richterin Carmen Lamela gilt auch für die vier Ex-Minister, die sich wie Puigdemont nach Belgien abgesetzt haben, wie das Gericht am Freitag mitteilte. Ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft in Brüssel sagte am Freitagabe­nd umgehend eine Prüfung des spanischen Ersuchens zu.

Nach einem europäisch­en Haftbefehl muss das Land, in dem die Person festgenomm­en wird, diese innerhalb von 60 Tagen nach der Festnahme an das Land übergeben, in dem der Haftbefehl ausgestell­t worden ist. Stimmt die Person ihrer Übergabe zu, so muss innerhalb von zehn Tagen darüber entschiede­n werden. Dem Separatist­en-Chef und den anderen Angeklagte­n wird Rebellion, Auflehnung

Nicola Sturgeon gegen die Staatsgewa­lt und Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder vorgeworfe­n. Grund ist unter anderem der einseitige Unabhängig­keitsbesch­luss, den das Parlament in Barcelona am 27. Oktober verabschie­det hatte. Die Zentralreg­ierung in Madrid hatte die katalanisc­he Führung daraufhin abgesetzt.

Für eine Auslieferu­ng muss der Puigdemont vorgeworfe­ne Straftatbe­stand grundsätzl­ich auch in dem Land existieren, in dem er festgenomm­en wird. Bei „Rebellion“und „Aufruhr“ist dies in Belgien nicht der Fall. Bei 32 Straftatbe­ständen gilt die sogenannte „beiderseit­ige Strafbarke­it“als Voraussetz­ung für eine Überstellu­ng zwar nicht; unklar ist aber, welche Vorwürfe gegen Puigdemont genau darunter fallen könnten. Die Rechtswiss­enschaftle­rin Anne Weyembergh von der Freien Universitä­t Brüssel sagt voraus, dass die Definition der Vorwürfe zu „gewissen Schwierigk­eiten“führen könnte. Puigdemont wird bei einer Festnahme voraussich­tlich Rechtsmitt­el gegen seine Auslieferu­ng einlegen. Sein Anwalt könnte argumentie­ren, dass die Grundrecht­e seines Mandaten in Spanien gefährdet seien. Puigdemont spricht von einem „politische­n Prozess“, der ihm in Madrid gemacht werden soll. Experten sehen die Erfolgscha­ncen einer Berufung aber als äußerst gering an. Puigdemont und die vier Ex-Minister hatten am Donnerstag eine Vorladung von Richterin Carmen Lamela missachtet. Der belgische

„Die Inhaftieru­ng gewählter Politiker ist falsch und sollte von allen Demokraten

verurteilt werden.“

Schottland­s Regierungs­chefin

Fernsehsen­der RTBF, der ein Interview mit dem nach Belgien geflüchtet­en Katalanen geführt hatte, berichtete am Freitag, Puigdemont wolle trotz allem bei der katalanisc­hen Regionalwa­hl am 21. Dezember kandidiere­n und aus dem Ausland Wahlkampf betreiben.

Ganz anders das Vorgehen der neun restlichen ehemaligen Angehörige­n der katalanisc­hen Regierung: Sie erschienen am Donnerstag pünktlich vor Gericht und kamen anschließe­nd in Untersuchu­ngshaft. Die sieben Männer und zwei Frauen wurden noch am Abend nach den Vernehmung­en zu zwei Gefängniss­en im Madrider Umland gefahren.

Das harte Durchgreif­en der spanischen Justiz stieß nicht nur in Spanien auf Kritik. Die Kriminalis­ierung der Unabhängig­keits-Befürworte­r schaffe keine Lösungen, sondern vertiefe nur die Gräben, erklärte beispielsw­eise der Direktor der Gesellscha­ft für bedrohte Völker (GfbV), Ulrich Delius, in Göttingen. So würden „Märtyrer geschaffen“.

Schottland­s Regierungs­chefin Nicola Sturgeon schrieb auf Twitter: „Egal, welche Meinung man zu Katalonien hat, die Inhaftieru­ng gewählter Politiker ist falsch und sollte von allen Demokraten verurteilt werden.“

In Katalonien gingen am Donnerstag­abend Tausende Menschen nach Bekanntgab­e der Inhaftieru­ngen in verschiede­nen Städten der Region auf die Straße, um gegen den Beschluss zu demonstrie­ren. In Barcelona versammelt­en sich Tausende vor dem Regierungs­palast. Viele Katalanen schlugen in der Nacht auf Balkonen und an offenen Fenstern spontan auf leere Töpfe – als Zeichen des Protests.

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FOTO:IMAGO/PAREGGIANI Wird er sich der spanischen Justiz noch entziehen können? Dem ehemaligen Regierungs­chef von Katalonien, Carles Puigdemont, droht in Brüssel die Festnahme.

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