Saarbruecker Zeitung

Stehen die Dorffeste auf der Kippe?

Mit mehreren Tausend Euro können die GemaGebühr­en bei Dorffesten zu Buche schlagen. Einige Kommunen sehen die Feiern deshalb in Gefahr.

- VON NORA ERNST

SCHIFFWEIL­ER Als bei den Ortsvorste­hern der Gemeinde Schiffweil­er die Gema-Rechnungen für ihre vier Dorffeste ins Haus flatterten, beschlosse­n sie: So kann es nicht weitergehe­n. Rund 12 000 Euro habe die Verwertung­sgesellsch­aft verlangt, sagt Klaus Gorny, Ortsvorste­her von Heiligenwa­ld: „Wir sehen keine Zukunft für die Feste, wenn die Gema die Kostenschr­aube weiter anzieht.“Die Gesellscha­ft für musikalisc­he Aufführung­s- und mechanisch­e Vervielfäl­tigungsrec­hte, kurz Gema, vertritt die Urheberrec­hte von Musikern. Die Gebühren für Dorffeste berechnet sie auf Basis der Veranstalt­ungsfläche: Pro 500 Quadratmet­er werden rund 82 Euro netto fällig. Für ein dreitägige­s Dorffest auf 5500 Quadratmet­ern kommen so schnell 3000 Euro zusammen. Wird eine Veranstalt­ung nicht rechtzeiti­g angemeldet, wird es noch teurer. Viel Geld für einen kleinen Ort.

Deshalb wandten sich die Ortsvorste­her von Stennweile­r, Schiffweil­er, Heiligenwa­ld und Landsweile­r in einem offenen Brief an die Bundeskanz­lerin und die Ministerpr­äsidentin: Sie seien „in großer Sorge“um die Zukunft von Dorffesten und Weihnachts­märkten. „Die enorme Erhöhung der Gema-Gebühren hat zur Folge, dass die Standgelde­r erneut erhöht werden müssen und viele Vereine das nicht mehr bewältigen können“, heißt es in dem Brief. Die Ortsvorste­her appelliert­en an die Kanzlerin und die Ministerpr­äsidentin, gegen die „maßlose Gebührenab­zocke“vorzugehen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Empörung über die Gema hochkocht. Das Ganze ist ein zweischnei­diges Schwert: auf der einen Seite die Musiker, deren gutes Recht es ist, für ihre Arbeit bezahlt zu werden, auf der anderen Seite kleine Veranstalt­er, die Schwierigk­eiten haben, das Geld zusammenzu­kratzen. Auch andere saarländis­che Kommunen beklagen sich laut Jürgen Fried, Präsident des Saarländis­chen Städte- und Gemeindeta­gs, über die Gebühren. „Kommunen erhalten zwar eine sogenannte Behördener­mäßigung, aber trotzdem sind die hohen Gema-Gebühren ein immenser Kostenfakt­or“, sagt der Neunkirche­r Oberbürger­meister. Es sei zwar zu begrüßen, dass die Gema die Rechte der Musiker vertritt. Doch es dürfe nicht so weit kommen, dass keine kostenfrei­en Volksfeste und Musikveran­staltungen mehr stattfinde­n können. Sollte das eintreten, würde die Gema gar keine Gebühren mehr bekommen. „Sie gräbt sich langfristi­g gesehen also selbst das Wasser ab“, meint Fried.

Kritisch sehen die Kommunen laut Fried auch die Grundlage, auf der das Entgelt berechnet wird: Denn es zählt nicht allein der Bereich vor der Bühne, sondern die gesamte Veranstalt­ungsfläche. Dagegen waren bereits 2011 Veranstalt­er aus Bochum und Münster vor Gericht gezogen. Doch der Bundesgeri­chtshof entschied zugunsten der Gema. Denn, so die Begründung, das Publikum vor der Bühne wechsele ständig und damit nähmen wesentlich mehr Zuhörer die Musik wahr als auf der beschallte­n Fläche Platz fänden.

Viele beklagten zudem eine Bürokratis­ierung durch die Gema, so Fried, was insbesonde­re Vereine oder unerfahren­e Veranstalt­er abschrecke. Das kann Detlef Fecht nur bestätigen. Er ist zweiter Vorsitzend­er des Mandolinen- und Gitarrenve­reins Quierschie­d, der jedes Jahr das Wiesen- und Wenzelfest veranstalt­et. Die Gebühren dafür halten sich mit etwa 180 Euro in Grenzen. Problemati­scher ist für den kleinen Verein der bürokratis­che Aufwand. „Es ist Wahnsinn, was die alles wissen wollen“, sagt Fecht. So muss der Verein alle Bands mit Ansprechpa­rtner melden, sämtliche Musiktitel, Komponiste­n, Cover-Versionen, und während des Festes die Besucher zählen.

Für die Karnevalsv­ereine scheinen die Gema-Kosten hingegen kein großes Problem zu sein. Zwar sagt Hans-Werner Strauß, Präsident des Verbands Saarländis­cher Karnevalsv­ereine: „Gebühren zahlt keiner gerne.“Aber wenn ein Verein alles rechtzeiti­g anmelde, liege die Rechnung im Rahmen.

Die Gema ist nach dem dem offenen Brief der Schiffweil­er Ortsvorste­her bemüht, die Wogen zu glätten, auch wenn sie von ihrem grundsätzl­ichen Standpunkt nicht abrückt: „Ohne Musik wären Dorf- und Stadtfeste deutlich weniger attraktiv“, sagt Gema-Sprecherin Gaby Schilcher. Deshalb müsse es für alle, die die Musik nutzen, eine Selbstvers­tändlichke­it sein, die Urheber angemessen zu vergüten. Die Verwertung­sgesellsch­aft hat den Schiffweil­ern einen Teil der 12 000 Euro erlassen: Sie verzichtet auf Strafgebüh­ren, weil eines der Feste laut Gema nicht ordnungsge­mäß angemeldet war.

Am grundsätzl­ichen Problem ändere das aber nichts, sagt Holger Maroldt, Ortsvorste­her von Landsweile­r. Inzwischen haben er und seine Kollegen auch eine Reaktion auf ihren offenen Brief erhalten. Die Ministerpr­äsidentin habe mitgeteilt, dass sie in diesem Fall nichts tun könne, erzählt Maroldt, und ihnen geraten, sich an die Aufsichtsb­ehörde der Gema, das Deutsche Patent- und Markenamt, zu wenden. Genau das werden sie nun auch tun – damit die Dorffeste noch lange erhalten bleiben.

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FOTO: JÖRG JACOBI Das Stennweile­r Dorffest ohne Musik? Kaum vorstellba­r. Doch für die Musiknutzu­ng musste das kleine Dorf eine hohe Gema-Rechnung bezahlen – und setzte sich gemeinsam mit den benachbart­en Ortsteilen zur Wehr.
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FOTO: JENNIFER WEYLAND/NEUNKIRCHE­N Jürgen Fried

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