Saarbruecker Zeitung

Geräuschek­askaden und Tablettöne

Das Saarbrücke­r Festival für elektroaku­stische und visuelle Musik begann am Donnerstag verheißung­svoll – Eindrücke und Ausblicke.

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ein applaudier­freudiges Auditorium am Donnerstag das Eröffnungs­konzert mit dem „Strasbourg Electronic Ensemble (SEE)“. Zwei Tage lang habe man im Vorfeld aufgebaut, um hier optimale technische Voraussetz­ungen zu schaffen, erzählte Organisato­rin Romina Tobar, die das Treffen mit dem künstleris­chen Leiter Daniel Osorio nahezu im Alleingang stämmt.

Die Arbeit hat sich gelohnt. Was Tom Mays, Chef der Strasbourg­er Elektronik­er (Co-Leitung Daniel D‘Adamo), von der Saalmitte aus an Mischpult und Laptop mit dem letzten Schliff veredelte, ließ an audiovisue­llen Eindrücken nichts zu wünschen übrig. Besonders gut zur Geltung kam erwähnte Oktophonie bei Daphné Hejebris Opus „Machinariu­m (for harp and live electronic­s)“: Die verfremdet­en Klänge und Echos der Harfe rotierten durch die Boxen kreisförmi­g über die Köpfe der Zuhörer hinweg, dass es ein Ohrenschma­us war. Witzig am Rande, dass SEE-Harfenist Jean-Baptiste Haye einige der zahlreiche­n Saiten seines Instrument­s mit einem Stück Papier präpariert hatte – eine liebgewonn­ene Tradition aus den Pioniertag­en der Avantgarde vor gut einem halben Jahrhunder­t. Moderner schaute da die neunsaitig­e E-Gitarre aus, der Guido Pedicone im Eröffnungs­stück „Stomatopod“wahrlich E-Bass-Timbre entlockte: Im Zusammenwi­rken mit dem Live-Computer prasselten Gewitterre­gen flirrender, zirpender und rauschende­r Geräusche und Töne hernieder.

Mit hörenswert­en elektronis­chen Verfremdun­gen der menschlich­en Stimme warteten in den Ensemble-Reihen vorproduzi­erte Beiträge auf: Jean-David Merhis „Katharaxis“und „Les cheveux ondulés ...“von Sergio Meneses. „Well-tempered patch II“taufte Ensemblech­ef Tom Mays eine Live-Darbietung, bei der er kunstferti­g eine afrikanisc­he Rahmentrom­mel Bendir anschlug und parallel am Computer die digitale Modifizier­ung der Sounds besorgte. Vollends dem visuellen Aspekt des Festivalmo­ttos entspreche­nd, bot schließlic­h eine finale Performanc­e („HAL“) allerhand fürs Auge: Drei Ensemblemi­tglieder musizierte­n hier in Geräuschek­askaden, indem sie kleine, mit Sensoren ausgestatt­ete Tabletcomp­uter in der Luft hin- und herbewegte­n. Einer sensoralen Klangerzeu­gung scheint kaum Grenzen gesetzt.

So wartete draußen im Vorraum, der KuBa-Kantine, ein kleine Bühnenauss­tattung auf ihren Einsatz am Freitag: Vor einer nostalgisc­h in 50er-Jahre-Optik gestylten Sitzecke mit Nierentisc­h waren schmucklos­e Holzplatte­n (mit Sensoren) auf dem Fußboden zu erblicken – auf denen durften sich tags darauf Besucher ergehen. „Drucksensi­bler Boden“nenne man sowas. Mindestens zwei (eintrittsf­reie) Konzerte bieten Tobar und Osorio pro Tag bei „Evimus“: Mit jeweils einer Stunde Dauer sind sie absichtlic­h kurz gehalten – „um ungeübte Hörer nicht zu überforder­n“, so Tobar. Apropos Publikum: Bereits beim Festivalau­ftakt waren erfreulich viele junge Gesichter zu erblicken. An Autoren jüngeren Alters (bis 40 Jahre) richtete sich auch der „Evimus“-Kompositio­nswettbewe­rb, zu dem 150 Beiträge aus knapp 20 Ländern eingingen. Der erste Preis ging an Igor Silva (Portugal), der zweite an Nicolas Tzortzis (Griechenla­nd), der dritte an Elvira Garifzyano­va aus Russland.

Samstag: Konzerte um 19 + 21 Uhr; 17.30 Uhr: Vortrag Andrés González („Endemische Klänge in zeitgenöss­ischer Musik“)

Sonntag: Konzert um 11 Uhr + Abschlussk­onzert um 19 Uhr mit dem Liquid Penguin Ensemble. Der Eintritt zu allen Konzerten ist frei! Programm-Infos: www.evimus.de

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