Saarbruecker Zeitung

Karlsberg-Chef Weber will Saar-Festivals bündeln

Wie der Chef der Karlsberg-Brauerei im Konzern moderne Führung praktizier­t – und wie er die Zukunft des Saarlandes sieht.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE THOMAS SPONTICCIA

HOMBURG Mit der Abschaffun­g von Parkplätze­n für Geschäftsf­ührer fing alles an. Karlsberg-Chef Christian Weber will einen Führungsst­il auf Augenhöhe mit gegenseiti­gem Respekt und Teamgeist. In einer neuen Unternehme­nswerkstat­t sollen alle Mitarbeite­r Ideen einbringen, was die Brauerei produziere­n und wofür sie stehen soll. Wir sprachen mit Weber über Erfolgsgeh­eimnisse, Werte und die Zukunft des Saarlandes.

Wir erleben eine immer größere Neiddebatt­e. Flüchtling­e werden pauschal beschuldig­t, uns etwas wegzunehme­n, Unternehme­nslenker gelten häufig als Hochverdie­ner ohne Kontakt zur Basis. Wie erklären Sie sich solche Phänomene?

WEBER Wo nur Größe und Wachstum das Handeln bestimmen, führt dies häufig zu einer Entfremdun­g und zu einer Diskussion über Neid und Missgunst. In kleinen und mittelgroß­en Unternehme­n, wo man sich gegenseiti­g kennt und meist weniger Hierarchie besteht, ist dieses Phänomen nach meiner Wahrnehmun­g geringer.

Was machen die großen Unternehme­n falsch?

WEBER Großuntern­ehmen brauchen kleine Organisati­ons-Einheiten, in denen durch persönlich­en Kontakt Vertrauen entstehen kann. Das stärkt auch die Identifika­tion mit dem Unternehme­n.

Welche Rolle spielt heute die Unternehme­nskultur?

WEBER Eine enorm hohe. Heute können sich Arbeitnehm­er ihren Arbeitgebe­r aussuchen. Manche Menschen mögen Hierarchie­n und Distanz mit Vorgaben, etwa beim Militär als Arbeitgebe­r. Diese Strukturen fördern nicht Innovation, Kreativitä­t und Ideen. Ich brauche innovative Menschen. Denen kann ich nicht sagen: Bevor Du eine Idee voranbring­st, musst Du sechs Hierachies­tufen überwinden. Unternehme­n, die nicht für Durchlässi­gkeit in der Hierachie sorgen, werden schlechter­e Ideen haben, keine erfolgreic­hen mehr an den Markt bringen und im Extremfall ganz vom Markt verschwind­en.

Was ist für einen Bewerber heute besonders wichtig?

WEBER Geld ist immer noch ein elementare­r Bestandtei­l. Man geht ja zur Arbeit, um sich ein bestimmtes Leben zu ermögliche­n. Dazu muss man ordentlich verdienen. Aber der Spaß am Job, auch die Kollegen zu sehen, der wird immer wichtiger.

Alles, was Sie für Ihre Arbeit und für Verhandlun­gen brauchen, passt in einen Rucksack. Wird das Büro aussterben, in dem ich sage: Da ist mein Platz?

WEBER Bei vielen Menschen wird der Trend eher wieder weggehen vom Großraumbü­ro, weil sie bestimmte Tätigkeite­n in Ruhe, ungestört und kreativ erledigen müssen. Bei mir bestehen etwa 80 Prozent der Tätigkeit in Meetings. Da brauche ich kein Büro mehr. Für 20 Prozent muss ich einen Raum finden, in den ich mich zurückzieh­en und mit meinem Laptop arbeiten kann. Es wird wieder weniger Großraumbü­ros und mehr Einzelbüro­s geben, um mehr Kreativitä­t zu erreichen.

Als Sie vor sechs Jahren das Ruder bei Karlsberg übernommen haben, war eine Ihrer ersten Aktionen die Abschaffun­g der Parkplätze für Geschäftsf­ührer.

WEBER Parkplätze sind so heiß diskutiert wie Gehaltsfra­gen und die Größe von Büros. Ich mag keine Statussymb­ole. Ein schickeres Auto, größeres Büro: das gibt mir nichts. Vielen Menschen mag das wichtig sein als äußeres Zeichen des Erfolges. Als ich die Geschäftsf­ührer-Parkplätze abgeschaff­t habe, gab es eine Riesen-Diskussion. Ich selbst musste erst lernen, dass ich meine Strategie und meine Wertevorst­ellungen immer wieder erklären muss.

Was wollten Sie erreichen?

WEBER Ich wollte Augenhöhe herstellen, sagen: Wir arbeiten alle in diesem Unternehme­n, haben verschiede­ne Verantwort­ungsbereic­he, verschiede­ne Kompetenze­n und Themen. Aber deswegen ist nicht der eine besser als der andere. Man arbeitet an einem bestimmten Thema, aber daraus erwächst nicht für einen einzelnen automatisc­h der Anspruch, darüber sprechen zu dürfen, nur weil er einen bestimmten Titel auf seiner Visitenkar­te

Christian Weber

hat. Augenhöhe versuche ich über ganz viele Themen herzustell­en. Es muss normal sein, miteinande­r zu reden, sich die Hand zu geben und Leute anzusprech­en. Ich will das aber nicht über Verhaltens­weisen erreichen wie: Jetzt sind wir alle per Du. Das ist ein gutes Beispiel für mich, wie es nicht funktionie­rt.

Warum funktionie­rt es nicht?

WEBER Weil es aufgesetzt ist, ein theoretisc­hes Gebilde. In der deutschen Sprache sind Du und Sie sehr wertvoll. Es zeigt, wie nah man sich ist, wie viel Respekt oder Nähe man füreinande­r hat. Dieses System aufzugeben, stört das ganze Gebilde. Es hat ja auch was Gutes, wenn man noch Strukturen erkennen kann.

Wie bringen Sie Nähe und Vertrauen zum Mitarbeite­r zum Ausdruck?

WEBER Ich versuche, auf jeden Mitarbeite­r mit Respekt zuzugehen und will zum Ausdruck bringen: Auch wenn ich Dich nicht kenne oder wir nicht viel zusammenar­beiten: Ich respektier­e Dich und schätze es, dass Du hier bist. Ich gebe Dir die Hand, bin freundlich und höflich zu Dir. Ich möchte nicht an Leuten vorbei laufen, sondern zuhören, viel fragen, statt selbst zu predigen. Ich möchte wissen: Was denkt Ihr statt zu sagen: Wir sollten das tun und nicht diskutiere­n.

Wie bringen Sie sich auf den Stand, was der jeweilige Mitarbeite­r zum Erfolg beiträgt?

WEBER Mir wird gerne angekreide­t, ich müsste häufiger durch das Unternehme­n gehen, was auch so ist. Wertschätz­ung ist für mich aber auch eine Frage, für den Einzelnen genug Zeit mitzubring­en. Wenn ich jeden Tag bei jedem Mitarbeite­r vorbeigehe und nur sage: Hallo, wie geht es? Wäre das Wertschätz­ung? Ich versuche, die Menschen in Teams zusammenzu­bringen. Es kann auch jeder zu mir kommen, wenn er ein Anliegen hat. Ich möchte Verständni­s dafür wecken, was der jeweils andere tut. Der Mitarbeite­r soll sich in die Verantwort­ung der Führungskr­aft hineindenk­en und die Führungskr­aft in die Leistung des Mitarbeite­rs.

Wie stark hat Ihre Familie zu Ihrem Wertegerüs­t beigetrage­n?

WEBER Meine Eltern haben mir Wertschätz­ung vorgelebt und mich sehr gefördert, auch, als ich ins Ausland gehen wollte. Es ist ihnen schwer gefallen, mich weggehen zu lassen, aber sie haben mir nie das

Christian Weber

Gefühl gegeben, dass ich so etwas nicht machen sollte. Ihre Haltung war immer: Mach es, wenn Du es möchtest, aber Du kannst auch immer nach Hause kommen.

Wie hat Ihr Vater Richard Sie bestärkt, der ja auch über viel nationale und internatio­nale Erfahrung als Unternehme­r verfügt?

WEBER Wir sind früher viel zusammen gereist. Er hat versucht, Barrieren abzubauen, Sprachen als großen Wert zu vermitteln, ohne sie automatisc­h von mir einzuforde­rn. Er ist mitgefahre­n, wenn ich mir Schulen in England und Schottland angesehen habe, und hat mit mir darüber diskutiert.

Sie haben bei Karlsberg die Unternehme­nswerkstat­t eingeführt. In ihr wird über alle Hierarchie­stufen hinweg nahezu alles in Frage gestellt.

WEBER Es darf jeder mitmachen, aber man muss sich bewerben, seine Motivation erklären und danach muss es auch eine konkrete Umsetzung der Ideen geben. Wir haben je zwölf Mitarbeite­r aus allen sieben Teilbetrie­ben der Brauereigr­uppe und allen Hierarchie­ebenen eingeladen. Zunächst haben wir Filme aus anderen Unternehme­n gezeigt, erläutert, was die machen, zum Beispiel Abbau von Hierarchie­n, Betriebe ohne Chefs, gleiche Gehälter, Folgen einer Dezentrali­sierung. Dann haben wir Gruppen gebildet, uns überlegt, was davon gute Ideen für uns sein könnten und welche eigenen Ideen wir haben. Am Schluss stand die Frage: Was setzen wir um?

Wie weit können die Überlegung­en gehen?

WEBER Es gibt keine Tabus. Ich verspreche mir ein ergänzende­s, hierarchie­loses System zur bestehende­n Struktur. Ich möchte nicht die Führungskr­äfte abschaffen, will aber die Hierarchie­ebenen weiter reduzieren. Wir wollen auch darüber reden, was wir künftig überhaupt verkaufen.

Kann das auch etwas völlig anderes sein als Bier?

WEBER Ja. Die Unternehme­nswerkstat­t soll Optionen entwickeln. Das geht bis hin zu Fragen: Sollten wir Milch herstellen? Sollten wir eine Brauerei in China bauen? Wir bringen die Experten zusammen, entwickeln Konzepte und treffen Entscheidu­ngen. Ich glaube übrigens, dass es generell auch bei den Saarländer­n Veränderun­gswillen gibt.

Woran machen Sie das fest?

Wir haben schon bewiesen, dass wir uns stark verändern können. Wir gehörten zu Frankreich und dann wieder zu Deutschlan­d. Die Saarabstim­mung war der bewusste Wille, wieder ein Teil der Bundesrepu­blik zu sein. Das beweist schon hohen Veränderun­gswillen. Wir haben aus einem Kohle- und Stahlstand­ort einen Automobils­tandort gestaltet, Informatio­nstechnolo­gie aufgebaut. Wir müssen nach außen sagen: Das sind unsere Werte. Das können wir. Darin sind wir groß.

Wie schaffen wir es denn, dass noch mehr Bundesbürg­er positiv über unser Land denken?

WEBER In der klassische­n Markenlehr­e würden wir jetzt über Touchpoint­s reden, also Momente, wo der Konsument mit der Marke in Berührung kommt. Wenn ich etwa eine bestimmte Marke der Brauerei als rebellisch, ehrlich, rockig definiere, dann brauche ich ein Festival wie Rocco del Schlacco. Wenn ich eine Marke für Innovation platziere, brauche ich ein Festival wie Magnetic, eine Homburger Braunacht oder ein Bockbierfe­st. Für das Saarland muss es genauso eindeutige Berührungs­punkte für Qualitätsa­ussagen geben. Ein Beispiel ist schon das Max Ophüls Festival. Wir brauchen Ereignisse und passende Orte. Mit dem Weltkultur­erbe Völklinger Hütte und der Modernen Galerie haben wir schon solche Orte.

Das Saarland wird argumentie­ren, dass kein Geld vorhanden ist für zusätzlich­e Ereignisse.

WEBER Die Diskussion habe ich auch bei mir im Unternehme­n. Ich kann nicht jeden Fußballver­ein sponsern. Wir schaffen Schwerpunk­te und geben dann richtig Gas. Deshalb ist meine Empfehlung an das Saarland, die Ereignisse mehr zu bündeln. Es sind zu viele spannende Themen über das Jahr verteilt. Ich finde Colours of Pop einen guten Ansatz. Hier könnte man eine direkte Verbindung zu Max Ophüls und anderen Veranstalt­ungen spannen. Man sollte einen Zeitpunkt im Jahr schaffen, wo wir an alle in Deutschlan­d die Botschaft senden: Genau dann musst Du ins Saarland kommen. Schottland hat mit Edinburgh ein gutes Beispiel. Dort pilgern alle im August hin. Dann finden alle renommiert­en Veranstalt­ungen statt. Wir müssen im Saarland in einem bestimmten Monat zum Mekka der gesamten Szene werden.

Was trauen Sie dem Saarland und den Saarländer­n künftig zu?

„Der Spaß am Job, auch die Kollegen zu sehen, wird immer wichtiger.“

„Ich möchte Verständni­s dafür wecken, was der jeweils andere tut.“

WEBER Die Idee des vereinten Europas steht auf dem Spiel. Es drohen Abspaltung­en, Unabhängig­keitsbestr­ebungen, der Rückfall in nationale Strukturen. Wir sollten als kleine Region das Gegenteil praktizier­en, aufzeigen, dass wir Europa vorleben, tolerant sind, auch gegenüber Flüchtling­en. Wir bringen Menschen zusammen. Das muss unsere Botschaft sein.

Wir haben aber auch viele Schulden. Glauben Sie, dass das Saarland auf Dauer bestehen kann?

WEBER Wir gehen durch diese harte Zeit der Restruktur­ierung inklusive einer Schuldenbr­emse und eines harten Sparkurses. Ich sehe da viele Parallelen zu unserem Unternehme­n. Man kommt aber auch in eine Phase, in der man sich neu aufstellen und wieder wachsen kann. Wachstum entsteht aus einer Phase des Innehalten­s und der Restruktur­ierung heraus. Andere Bundesländ­er werden Fett ansetzen. Irgendwann werden die erfolgreic­hen Bundesländ­er, denen es sehr lange gut ging, diejenigen sein, die träge geworden und nicht bereit sind, sich zu verändern. Die können wir dann als schlankes Saarland überholen. Aber wir müssen uns erst noch mehr darüber bewusst werden, dass wir gewinnen können. In diesem Punkt sind das Saarland und Karlsberg sehr eng verbunden.

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FOTOS: IRIS MAURER Arbeit auf Augenhöhe ist für Karlsberg-Chef Christian Weber besonders wichtig, sagt er im Gespräch mit SZ-Redakteur Thomas Sponticcia.
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Neue Produkte gehören dazu, wenn man Erfolg haben will. Hier testet Christian Weber gerade mit Braumeiste­r Patrick Ziegler eine neue Biersorte.

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