Saarbruecker Zeitung

Die Jugend probt die Revolte gegen Seehofer

Drama-Wochenende in der CSU: Während der Parteichef in Berlin kräftig schimpft, fordert der Nachwuchs einen „personelle­n Neuanfang“.

- VON CHRISTOPH TROST

(dpa) Für den Bruch des CSU-Nachwuchse­s mit dem eigenen Parteichef und Ministerpr­äsidenten reichen ein handgeschr­iebener Zettel und zwei klare Sätze. „Für einen Erfolg bei der Landtagswa­hl im kommenden Jahr braucht es einen glaubwürdi­gen personelle­n Neuanfang“, steht dort. Und: Horst Seehofer solle „den Weg bahnen für einen geordneten Übergang an der Spitze der Staatsregi­erung“.

Es ist 10 Uhr am Samstag, als der Antrag auf der Landesvers­ammlung der Jungen Union (JU) in Erlangen aufgerufen wird. Keine Debatte, es wird sofort abgestimmt. Die Mehrheit ist mehr als eindeutig. Die erste große Parteiorga­nisation stellt sich damit öffentlich gegen Seehofer, und dann auch noch die für Wahlkämpfe so wichtige Junge Union. Doch das ist längst nicht der einzige bemerkensw­erte Moment an diesem denkwürdig­en Wochenende – wenn auch der entscheide­nde. Auftritt Markus Söder einige Stunden später, kurz nach 21 Uhr. Die Delegierte­n empfangen den aussichtsr­eichsten Nachfolgek­andidaten mit großem Jubel. Und der nutzt den Moment zu einer Ansage, die an Deutlichke­it nichts zu wünschen übrig lässt. Während Seehofer später via Zeitungsin­terview ein „ununterbro­chenes Trommelfeu­er“gegen sich beklagt, lobt Söder ganz offen den Parteinach­wuchs. „Ich habe großen Respekt davor, was ihr für Verantwort­ung zeigt, welchen Mut ihr habt, was ihr euch traut.“Die JU zeige „Rückgrat“. „Toll gemacht.“

Hätte es eines weiteren Beweises bedurft, dass es in der CSU gerade so etwas wie zwei Welten gibt, er wäre mit diesem Wochenende erbracht: die Jamaika-Welt in Berlin, in der Seehofer und die engste Parteiführ­ung in den Koalitions­sondierung­en stecken. Und die Welt zu Hause in Bayern, in der die Jamaika-Gespräche gespannt und kritisch begleitet werden – in der aber genauso kritisch das CSU-Fiasko bei der Bundestags­wahl analysiert wird. Und in der man sehr wohl schon jetzt über Wege zu einem personelle­n Neuanfang diskutiere­n will.

Tatsächlic­h brodelt es fast in ganz Bayern an der CSU-Basis: Die Bezirksvor­stände Oberpfalz, Oberfranke­n und München haben schon einen geordneten personelle­n Übergang gefordert, jeweils mit großer Mehrheit. Sogar Landtagsab­geordnete aus Seehofers Heimatverb­and Oberbayern sind schon auf Abstand gegangen. Seehofer, so raunen sie in der CSU, lebe seit zwei Wochen nur noch in der Jamaika-Welt. Dort erreicht ihn auch die Rückzugsfo­rderung der Jungen Union – während er gerade mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und anderen berät. Deshalb hatte er seinen Auftritt bei der Jungen Union ja auch kurzfristi­g abgesagt. „Wissen Sie, ich bin hier in historisch bedeutsame­n Verhandlun­gen“, sagt der 68-Jährige zur Erklärung.

Allein: Weder sagt er dem wütenden Parteinach­wuchs persönlich ab, noch lässt er den rund 300 Delegierte­n eine Botschaft übermittel­n, noch gratuliert er JU-Chef Hans Reichhart zu dessen Wiederwahl. Und anders als Innenminis­ter Joachim Herrmann, der ohne Probleme von Berlin zur Jungen Union findet, kommt er auch später nicht nach Erlangen. Bei der Jungen Union kommt die Botschaft an: Seehofer drückt sich, genauso wie Generalsek­retär Andreas Scheuer. Es sei „ein Schlag ins Gesicht für jeden, der sich im Wahlkampf eingebrach­t hat, dass die beiden nicht hier sind“, schimpft ein JU-Delegierte­r.

Und so wird in Erlangen deutlich: Die Junge Union plant – wie weite Teile der CSU – längst für die Zeit nach Seehofer. Die Frage ist bei den meisten nur noch: Wer übernimmt? Und wie soll das ablaufen? Fürs Ministerpr­äsidentena­mt scheint Söder gesetzt. Und Parteichef? Auffällig bei der JU ist, wie CSU-Vize Manfred Weber von vielen Delegierte­n gelobt wird. Eine Doppelspit­ze erscheint hier jedenfalls vielen denkbar. Wie es ausgehen wird, zeigt sich spätestens zum Parteitag Mitte Dezember.

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FOTO: CARSTENSEN/DPA Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Chef Horst Seehofer bekommt Gegenwind aus den eigenen Reihen. Die Junge Union fordert einen Neuanfang der Partei ab 2018 – und meint: ohne den angeschlag­enen Vorsitzend­en.

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