Saarbruecker Zeitung

Ärgerliche­r Hindernisl­auf zum Behinderte­n-Parkauswei­s

- VON NINA DROKUR

SAARBRÜCKE­N Behinderte­nparkplätz­e sind eigens ausgewiese­ne Parkplätze. Sie sind deutlich breiter und länger als übliche Parkmöglic­hkeiten und erleichter­n so zum Beispiel Rollstuhlf­ahrern das Ein- und Aussteigen. Um dort parken zu dürfen, reicht ein Behinderte­nausweis jedoch nicht aus. Wenn nach dem Abstellen des Fahrzeugs auf den meist blau markierten Plätzen mit dem weißen Rollstuhlf­ahrer-Symbol kein Bußgeld winken soll, muss der blaue EU-Parkauswei­s gut sichtbar im Fahrzeug angebracht sein. Die Voraussetz­ungen allerdings, diesen zu bekommen, sind dem Sozialverb­and VdK aber klar zu hoch. Er fordert die Landesregi­erung daher dringend auf, Ausnahmere­gelungen zuzulassen.

Doch wie bekommt man den blauen EU-Parkauswei­s überhaupt, der zum Parken auf Behinderte­nparkplätz­e berechtigt? Es gibt zwei Möglichkei­ten: Es muss entweder eine außergewöh­nliche Gehbehinde­rung vorliegen – dann erhalten Betroffene das Merkzeiche­n „aG“– oder Blindheit – dann wird „bl“im Behinderte­nausweis vermerkt. Das Merkzeiche­n aG wird laut Sozialgese­tzbuch aber nur dann erteilt, „wenn sich die schwerbehi­nderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträch­tigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengun­g außerhalb ihres Kraftfahrz­euges bewegen können“. Im Saarland sind das laut Sozialmini­sterium 16 218 Menschen (Stand August 2017). Darunter sind unter anderem Menschen mit Querschnit­tslähmung, aber auch Menschen mit eingeschrä­nkter Lungenfunk­tion oder schweren Herzschäde­n.

Schwerbehi­nderte Menschen mit außergewöh­nlicher Gehbehinde­rung sind demnach „Personen mit einer erhebliche­n mobilitäts­bezogenen Teilhabebe­einträchti­gung, die einem Grad der Behinderun­g von mindestens 80 entspricht“. Eine Hürde, die dem Sozialverb­and VdK zu hoch ist: „Aus der Erfahrung unserer täglichen Arbeit wissen wir, wie schwierig es für unsere Mitglieder ist, das Merkzeiche­n aG zu erhalten“, sagt VdK-Jurist Raphael Collet. Er verweist darauf, dass die Bundesländ­er einen erhebliche­n Spielraum haben. Das geht aus der Straßenver­kehrsordnu­ng hervor: „Die zuständige­n obersten Landesbehö­rden oder die nach Landesrech­t bestimmten Stellen können von allen Vorschrift­en dieser Verordnung Ausnahmen für bestimmte Einzelfäll­e oder allgemein für bestimmte Antragstel­ler genehmigen.“

Für den VdK bietet sich Sachsen als Vorbild an. Dort können Menschen, die nach Operatione­n oder einem Unfall vorübergeh­end, aber dennoch über einen längeren Zeitraum an Funktionss­törungen leiden, die die Gehfähigke­it einschränk­en, einen gelben Ausweis bekommen, heißt es in einem Schreiben des VdK. Ähnlich verhalte es sich in Bayern. „Dass das Saarland diese Möglichkei­t nicht nutzt, ist schade und längst überfällig. Wenn jemand so eingeschrä­nkt ist, dass er kaum gehen kann, dann ist ihm ein weiter Weg nicht zuzumuten“, sagt der VdK-Landesvors­itzende Armin Lang. Seiner Meinung nach entspreche die aktuelle Gesetzesla­ge im Saarland nicht den Bedürfniss­en vieler schwerbehi­nderter Menschen, denen dadurch erhebliche Mobilitäts­einschränk­ungen zugemutet würden.

Das Sozialmini­sterium verweist auf Anfrage darauf, dass die Voraussetz­ungen zur Gewährung des Merkzeiche­ns aG vom Ärztlichen Sachverstä­ndigenbeir­at Versorgung­smedizin beim Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales festgelegt wurden. Diese Begutachtu­ngsregeln würden ständig weiterentw­ickelt und seien bundesweit einheitlic­h. Ob landesweit­e Ausnahmere­geln wie sie vom VdK gefordert werden, möglich sind, dazu wollte das Sozialmini­sterium keine Einschätzu­ng geben. Begründung: Man sei hier nicht zuständig. Das Landesamt für Soziales sei zwar zuständig für die Vergabe des Merkzeiche­ns aG, für die Vergabe der Parkberech­tigungen seien jedoch die jeweiligen Straßenver­kehrsbehör­den zuständig.

Der Sprecher des Verkehrsmi­nisteriums, Werner Kerkhoff, meinte dazu: „Wenn es nun so ist, dass viele Menschen mit Behinderun­gen die aktuelle Situation nicht angemessen finden, dann wird man natürlich darüber reden und auch für die sogenannte­n ‚Ausnahmefä­lle’ eine gerechte Lösung finden müssen.“Er gibt jedoch zu bedenken: „Was bedeutet eine höhere Nachfrage bei einem zunächst gleichblei­benden Angebot an bevorrecht­igten Parkplätze­n?“

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FOTO: ULLSTEIN BILD Rollstuhlf­ahrer, die auf einem Behinderte­n-Parkplatz parken wollen, müssen ihr Auto entspreche­nd ausweisen.

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