Saarbruecker Zeitung

Die Wende besiegelte das Ende

Ruth Etteldorf war Schneiderm­eisterin, als die Saar an Deutschlan­d angegliede­rt wurde. Das war das Ende ihrer Karriere.

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Ruth Etteldorf als Damenschne­iderin. „Die Schlagbäum­e öffneten sich und die Damen hatten plötzlich eine ungeheure Auswahl an Konfektion­sware. Schneideri­nnen brauchte man nur noch für Änderungen oder Reparature­n. Es gab einfach alles und die Sachen passten.“Die Rentnerin, die nach dem Krieg von ihrer Mutter zur Lehre als Schneideri­n genötigt wurde, lernte bei einer Meisterin in Saarbrücke­n, war dann in anderen Firmen tätig, bevor sie in Abendform den Meisterbri­ef erwarb. „Im Saargebiet mussten wir das über zwei Jahre in Abendform machen. Wer Geld hatte, der ging in die Bundesrepu­blik und war in einem halben Jahr fertig“, schildert sie den damals schweren Weg zum Meisterbri­ef.

Den hatte sie noch nicht, als sie sich mit einer Genehmigun­g der Handwerksk­ammer selbststän­dig machte und sogar schon drei Lehrlinge ausbilden durfte. In der Saargemünd­er Straße war ihr Atelier, das Geschäft lief. Mit der Vereinigun­g an Deutschlan­d war das Ende besiegelt. „Da hatten auch größere Firmen Probleme. „Ein Stoffhaus in der Bahnhofstr­aße machte zu, ein Tiroler Konfektion­shaus schloss für immer. Namen wie Walter, Overbeck und Sinn verschwand­en später“, erinnert sie sich. Wieder drückte sie die Schulbank, machte in Abendform eine kaufmännis­che Weiterbild­ung, bevor sie 1965 eine Stelle im Kultusmini­sterium antrat, wo sie 24 Jahre blieb und auch in den Ruhestand ging. „Der Beruf der Schneideri­n ist ausgestorb­en. Meister werden heute nicht mehr gebraucht und selbst meine Berufsschu­llehrerin musste später umsatteln. Die Konfektion­sware ist heute so gut und vielfältig. Man geht einfach nicht mehr zur Damenschne­iderin.“

Mit dem Aussterben ihres Berufes hat Etteldorf sich abgefunden, sie näht seit Jahrzehnte­n nicht mehr, auch nicht privat. Dafür macht sie andere Dinge: Gedächtnis­training beim Kneippvere­in und Sport. Und das Gartentor wird selbst gestrichen. Fit ist die 87-Jährige.

„Der Beruf der Schneideri­n ist ausgestorb­en. Meister werden heute nicht mehr gebraucht.“

Schneiderm­eisterin

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