EU schmiedet eigenes Verteidigungsbündnis
Europa will sich in militärischen Belangen nicht mehr auf Trumps USA verlassen müssen.
BRÜSSEL/BONN (afp/dpa) Gemeinsame Drohnen, Kampfeinheiten oder fliegende Krankenhäuser: Deutschland und 22 weitere EU-Staaten haben den Grundstein für eine europäische Verteidigungsunion gelegt. Bei einer Zeremonie in Brüssel unterschrieben die Außen- und Verteidigungsminister gestern das Gründungsdokument für eine neue militärische Zusammenarbeit. Dadurch soll die EU unabhängiger von den USA werden. Erste Schritte könnten der Aufbau eines Sanitätskommandos oder die Einrichtung von Drehscheiben für den Transport von Truppen sein. Die ständige strukturierte Zusammenarbeit, die in der EU-Sprache Pesco genannt wird, soll im Dezember starten.
„Es war für uns wichtig – gerade nach der Wahl des amerikanischen Präsidenten – uns eigenständig aufzustellen“, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). „Wenn es eine Krise gibt in unserer Nachbarschaft, müssen wir handlungsfähig sein.“Außenminister Sigmar Gabriel bezeichnete die Zusammenarbeit als einen „Meilenstein der europäischen Entwicklung“. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach sogar von „einem historischen Moment für die europäische Verteidigung“.
Mit dem Dokument verpflichten sich die 23 EU-Staaten auch zur Einhaltung von 20 konkreten Teilnahmebedingungen. Dazu gehört die regelmäßige Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Für die Nato soll das Projekt keine Konkurrenz darstellen. „Es gibt eine Vielzahl von Themen, wo ich nicht die Nato sehe, aber Europa gefragt ist“, sagte von der Leyen mit Blick auf Krisen in Afrika.
Die Evangelische Kirche kritisierte die Verteidigungsunion. „Ich befürchte eine zunehmende Militarisierung der EU“, sagte der Friedensbeauftragte Renke Brahms.
Die europäische Verteidigungsunion hat einen prominenten Geburtshelfer in Washington: Donald Trump. Nichts beschleunigte die Pläne der Europäer, ihre Sicherheit in die eigenen Hände zu nehmen so sehr wie der neue amerikanische Egoismus unter diesem Präsidenten. Sicherlich gab es auch schon vorher die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie Pläne, Absichtserklärungen und länderübergreifende Truppen-Verbände. Aber selbst im Ernstfall zog die Gemeinschaft nicht an einem Strang, sondern reagierte wie eine in nationale Eigenheiten zersplitterte Union. Ob das mit der Verteidigungsunion Pesco besser wird? Dass dies tatsächlich funktionieren könnte, liegt ausgerechnet am zweiten „Vater“dieser Idee: Wladimir Putin. Vor allem im Baltikum und im Osten der Union hat Russland mit seiner Politik auf der Krim und in der Ostukraine zum Verlust von Sicherheit beigetragen – so ungern dies auch hierzulande viele hören mögen. Große Teile der Europäischen Union fühlen sich von Moskau bedrängt und von Washington verlassen. Nun macht sich Europa auf den Weg, selbst für seine Sicherheit zu sorgen. Das sollten die Gründer allerdings ehrlich sagen, ohne aus Pesco eine
Art verlängerten Arm der Entwicklungshilfe machen zu wollen. Es mag ja sein, dass die Union nicht aufrüstet. Schlagkräftiger will sie aber auf jeden Fall werden.