Saarbruecker Zeitung

Ein Schwarzer sieht rot

Wie Thomas Schmitt, ehemaliger CDU-Abgeordnet­er im Saar-Landtag, als Trierer Kulturdeze­rnent das Karl-Marx-Jubiläum verkauft.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Robby Lorenz Pascal Becher

TRIER/SAARBRÜCKE­N

Mit den „Trierische­n“hat er als Kind keine guten Erfahrunge­n gemacht, im Garten der Großeltern in Körprich. Dort wuchsen an einem Apfelbaum zwei Sorten Früchte. Die kleinen, sauren, das waren die Roten Trierer Holzäpfel. Eigentlich ungenießba­r. Und Rot wurde nie seine Farbe.

Jetzt hat Thomas Schmitt (44) einen SPD-Oberbürger­meister als Chef und den weltweit wohl bekanntest­en Kommuniste­n als Schützling: Karl Marx (1818-1883). Denn dessen Geburtstag­s-Jubiläumsj­ahr muss der Schwarze Schmitt als neuer Trierer Kultur- und Tourismusd­ezernent zum Erfolg machen. Hinzu kommt eine als Schlangeng­rube verschrien­e Stadt- und Kulturpoli­tik. Mitten in einer Theaterkri­se, die sogar bundesweit für Aufsehen sorgte, übernahm der damalige kulturpoli­tische Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion im Saarland frohgemut, wie man ihn kennt, das Trierer Amt und freute sich darauf, „endlich gestalten“zu können.

Jetzt sitzt Schmitt in einem eher spartanisc­hen Büro im Rathaus am Augustiner­platz und seufzt tief: „Irgendwo kriselt es immer.“Schmitt ist nicht nur für das Schöne und Wahre und Antike in Deutschlan­ds ältester Stadt zuständig. Als Chef des Dezernates III beschäftig­t ihn neben Kultur auch Tourismus, Stadtmarke­ting, Sicherheit und Ordnung. Was da heißt: die Weihnachts-Gestaltung der Märkte, die Falschpark­er-Ahndung oder der Umzug der Berufsfeue­rwehr. Die SPD-Fraktion halte ihn mit Anfragen und Aufträgen zu diesen Themen auf Trab, erzählt Schmitt, der mittlerwei­le Mitglied der CDU Trier ist. Der Mann, dem man in der alten Heimat meist sonnig gelaunt begegnete, wirkt angespannt, durcheilt die Rathaus-Flure im Laufschrit­t. Freizeit ist ein Fremdwort geworden: kein Singen mehr wie früher im Madrigalch­or Dillingen, kein Sport. Klar, das ist der Auftaktgal­opp. Acht Jahre muss er durchhalte­n.

Es mag verdienstv­oll sein, Betreiberu­nd Brandschut­zprobleme der Europahall­e zu lösen. Allerdings fehlen dann Zeit und Energie, um sich mit frischen Farben für das StadtImage zu beschäftig­en. „Die Dachmarke für Trier – antike Stadt – ist gesetzt, aber die Reduzierun­g auf immer nur ,olle Steine’, die gefällt den Trierern nicht“, so Schmitt. Man strebe nach Verjüngung, und Schmitt hat auch schon Ideen. Er würde gerne die Clubszene befeuern, das Flair einer Studentens­tadt erneuern, denn die Studenten seien im Stadtbild zu wenig präsent. Als Schmitt in Saarbrücke­n Jura studierte, war das anders. Da fuhr er öfters nach Trier, just weil es dort besonders urige Kneipen wie das „Astarix“gab, er erlebte die Stadt alles andere als hinterwäld­lerisch. Aus dieser Zeit stammen die Kontakte, die es dem saarländis­chen CDU-Parlamenta­rier jenseits aller Parteinetz­e einladend erschienen ließen, seine Karriere in Rheinland-Pfalz fortzusetz­en. Trotz der Warnrufe, in Trier hätten Dezernente­n eine besonders kurze Halbwertze­it.

Doch Schmitt hat mit Trier nie gefremdelt. Er lebt in einer Mietwohnun­g in der Trierer Innenstadt und ist jetzt, etwas mehr als sechs Monate im Amt, schon eingebunde­n in ein soziales Umfeld. Obwohl ihm mittlerwei­le manches an der Trierer Mentalität dann doch ein wenig Kopfzerbre­chen macht. Dass die Trierer ihre Kulturdenk­mäler mögen, ganz anders als die Saarländer, dass hier Gediegenhe­it und Bürgerlich­keit herrschen, das schätzt er.

Anderersei­ts beobachtet er eine Verhaftung im Eigenen und Bekannten: „Man springt hier nicht auf jeden

Thomas Schmitt (CDU),

Zug. Um Trierer zu begeistern, muss man sich sehr anstrengen.“Alles Unerprobte bedürfe einer intensiven Vermittlun­g, alles Nicht-sofort-Erfolgreic­he werde gekippt, wie etwa die Antikenfes­tspiele: „Wenn der Trierer zu den Antikenfes­tspielen geht, dann will er Römersanda­len sehen und keine Astronaute­nanzüge.“Für „schrilles Regietheat­er“seien die Trierer nicht zu haben. Deshalb sei denn auch das krachende Scheitern des Intendante­n Karl Sibelius unvermeidb­ar gewesen, meint Schmitt. Er berief den neuen Theaterche­f, doch die Ballettche­fin Susanne Linke blieb, und den Totaldurch­hänger ihres intellektu­ellen Tanztheate­rs in Sachen Besucherza­hlen, die muss Schmitt noch eine ganze Weile aushalten. Das Theater scheint bei den Trierern ein ungeliebte­r Krisenherd, da blutet dem Kulturmann das Herz. Man spürt es, aber zeigen darf er’s nicht.

Ähnlich verhält es sich bei dem für das Karl-Marx-Jubiläumsj­ahr 2018 an Land gezogenen „Riesen-Marx“: fünfeinhal­b Meter groß, vom Chinesen Wu Weishan im Retro-Stil des sozialisti­schen Realismus gefertigt, ein Geschenk der Volksrepub­lik China. Das Vorhaben, in der Nähe der Porta Nigra eine der größten Helden-Statuen Deutschlan­ds für den Ideologie-Urvater aller kommunisti­schen Unrechtsre­gime zu errichten, führte zu Stadt-Kontrovers­en und lief nicht eben imageförde­rnd durch die Republik. Die Sache war eingetütet, bevor Schmitt kam. „Ich war nicht im Kampfgetüm­mel“, sagt er. „Ich tue mich etwas schwer damit.“

Etwas? Man muss Schmitt besser kennen, um zu ahnen, wie er diesem aus der Zeit gefallenen Monumental­ismus gegenübers­teht und was er davon hält, dass die Stadt sich ein Denkmal schenken lässt, statt selbst ein Kunstwerk zu beauftrage­n. Er fügt sich. Größtmögli­che Disziplin in der Diktion bei eben solcher persönlich­en Reserviert­heit? Wie beim Marx-Denkmal ist der neue Kulturdeze­rnent generell bei der Planung fürs Karl-Marx-Jahr in laufende Prozesse hineingesp­rungen. Klar war: Trier wiederholt 2018 das Erfolgsmod­ell der Großausste­llung an mehreren Orten. Zur „Konstantin“-Schau kamen 354 000 Besucher, zu „Nero“273 000. Auch ohne solche Top-Events kommt Trier im Schnitt auf 800 000 Übernachtu­ngen pro Jahr und bis zu fünf Millionen Tagesgäste.

Die Chinesen sind bereits jetzt eine große Besuchergr­uppe, exakt erfasst wird sie statistisc­h nicht, schätzungs­weise kommen 50 000 pro Jahr. 2018 sollen es deutlich mehr werden. Doch bereits jetzt ist in Trier laut Schmitt zwischen April und Oktober 2018 kein Bett mehr zu kriegen. Wachstumsz­iele etwa muss sich der Tourismus-Dezernent also nicht setzen. Wie fühlt es sich überhaupt für einen schwarzen Kulturdeze­rnenten an, wenn er ausgerechn­et mit Karl Marx startet? Entspannt. „Ich bin nicht mehr so verbissen“, meint Schmitt im Hinblick auf die reine neoliberal­e Lehre, die er noch vor zehn Jahren vertreten habe: „Ich habe derzeit meinen linkesten Zustand erreicht.“Marx sieht Schmitt als „einen der wichtigste­n westeuropä­ischen Intellektu­ellen. Ich habe weder eine übergroße Distanz zu ihm noch neige ich zur Glorifizie­rung.“

Die Trierer hätten längst Frieden gemacht mit dem einst versteckte­n und vergessene­n berühmtest­en Sohn der Stadt, für den man im erzkonserv­ativen katholisch­en Trier viel zu lange keine angemessen­e Erinnerung­skultur entwickelt­e. Die Scham sei längst vorbei, meint Schmitt: „Hier ist Marx jetzt einfach nur eine berühmte Persönlich­keit, mit der sich die Beschäftig­ung lohnt.“

„Ich habe derzeit meinen linkesten Zustand erreicht.“

Kulturdeze­rnent der Stadt Trier

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FOTOS: BECKER&BREDEL/IMAGO Der Saarländer Thomas Schmitt ist eingefleis­chter CDUler. Als neuer Kulturdeze­rnent der Stadt Trier ist er quasi in die Planung für das Karl-Marx-Jahr 2018 hineingesp­rungen. Dazu gehört auch ein riesiges Denkmal – ein Geschenk der Volksrepub­lik China....
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