Saarbruecker Zeitung

„Wir sind das Bollwerk gegen die Groko“

Der Juso-Bundeskong­ress in Saarbrücke­n findet in turbulente­n Zeiten statt. Und das Signal der Jungsozial­isten ist brisant.

- VON FATIMA ABBAS

SAARBRÜCKE­N

Lange haben sie auf ihn gewartet. Um kurz nach halb neun trifft er endlich ein. Tosender Applaus im Saarbrücke­r E-Werk. Applaus für einen Parteivors­itzenden, der sich in den ersten Minuten gleich mehrmals verspricht. Kaum verwunderl­ich. Der Auftritt vor den 297 Jungsozial­isten gehört nicht zu den einfachste­n seiner politische­n Karriere. Nach den geplatzten Jamaika-Sondierung­en am Sonntagabe­nd steht der Parteichef mehr denn je unter Druck.

Dennoch: Er schaltet schnell in den Kampfmodus, hält ein flammendes Plädoyer für ein faires Asylsystem, für mehr Solidaritä­t in Europa. „Völker, hört die Signale!“Das Motto des Bundeskong­resses macht sich Schulz zu eigen. Spricht über die Gefahr von Rechts, darüber, dass Demokratie nicht wie der „Strom aus der Steckdose“komme. Um dann den entscheide­nden Satz zu sagen: „Ich strebe keine große Koalition an.“Schallende­r Beifall. Darauf folgen kritische Töne: „Ich habe dieses Wahlergebn­is zu verantwort­en.“Ein Wahlergebn­is, das jetzt über die politische Zukunft seiner Partei entscheide­n könnte. Wie diese auf keinen Fall aussehen sollte, darin ist sich der Nachwuchs einig: Bloß keine große Koalition!

Das bekräftigt auch Johanna Uekermann in ihrer letzten Rede als Juso-Bundesvors­itzende: „Die Groko wäre der Todesstoß für das letzte Fünkchen Glaubwürdi­gkeit, das wir als SPD haben.“Uekermanns Nachfolger, den die Jungsozial­isten am Abend mit knapp 76 Prozent der Stimmen zu ihrem neuen Vorsitzend­en wählen, setzt noch einen drauf: „Wir sind das Bollwerk gegen die große Koalition.“Der 28-jährige Kevin Kühnert beschwört die Werte der Sozialdemo­kratie, verteufelt die Lage von Geringverd­ienern und die niedrige Erbschafts­steuer in einem Atemzug. Genau wie seine Vorgängeri­n Uekermann spricht Kühnert den Kongress-Teilnehmer­n aus der Seele.

Die 20 Delegation­en, das zeigt der einhellige Applaus, pflichten ihrem neuen Vorsitzend­en bei. Ganz gleich, ob sie aus Berlin, Hessen, Bayern oder aus dem Gastgeberl­and Saarland kommen. „Wir erwarten von Schulz eine klare Absage an die Groko“, sagt Jari Pellmann von der Delegation Nord-Hessen. Die erhalten die Jusos an diesem Freitagabe­nd nicht. Aber sie erleben einen Parteivors­itzenden, der Unwillen demonstrie­rt, sich von den gescheiter­ten Sondierern vorführen zu lassen. „Die Krise, die dieses Land jetzt hat, haben Frau Merkel und Herr Lindner verursacht“, poltert Schulz. Es könne nicht sein, dass „Konservati­ve den Karren gegen die Wand fahren und nachher erwarten, dass die Sozis die Scherben aufkehren“.

Erneut Applaus. Auch wenn Schulz die künftige Rolle seiner Partei offen lässt. Die vom Nachwuchs geforderte Standhafti­gkeit in der Groko-Frage konkurrier­t mit dem, was Schulz kurz nach seinem Treffen am Donnerstag mit Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier einen „dramatisch­en Appell“nennt. Ein Appell an die politische Verantwort­ung der SPD. Bis in die Nacht hinein habe Schulz mit der Parteiführ­ung zusammenge­sessen. „Dem werden wir uns nicht verweigern“, erklärt er.

Inzwischen wissen er und seine Leute: Es war unglücklic­h, am Montag hektisch den Groko-Ausschluss vom Wahlabend zu untermauer­n und den Eindruck zu erwecken, die 20-Prozent-SPD wolle sich in das riskante Abenteuer Neuwahl stürzen. Nur noch eine Frage der Zeit also, bis die SPD einknickt? Diesen Eindruck will Schulz am Freitagabe­nd in Saarbrücke­n vermeiden. Dem linken Parteiflüg­el ist die Vorstellun­g ein Graus.

„Schulz soll standhaft bleiben“, sagt Marcel Kuckuk von den Jusos aus Nordrhein Westfalen. Spät am Abend schallt „Nein heißt Nein!“durch den Saal. Die Sorge vor einem Umschwenke­n ist groß.

Nur wenige Stunden vor seinem Auftritt kündigt Schulz an, die Parteibasi­s über eine mögliche SPD-Beteiligun­g an einer Regierung abstimmen zu lassen. Die Jusos fürchten eine Groko durch die Hintertür. Der neue Jusos-Chef Kühnert scheint wenig kompromiss­bereit. Er spricht von „schnulzige­n Phrasen und billigen Ablenkungs­manövern“, nennt FDP-Chef Christian Lindner einen „selbstsüch­tigen Poster-Boy“, um polternd hinterherz­uschieben: „Wir brauchen keine Nachhilfe im Verantwort­ungüberneh­men!“

Doch genau die erteilt in diesen Tagen Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier. Er bestimmt den Takt in Zeiten politische­r Dissonanz. Nur wenige Tage nach dem Platzen der Jamaika-Sondierung­en spricht das Staatsober­haupt mit den Parteichef­s. Und seit Freitag steht ein weiterer Termin im Kalender: Kommenden Donnerstag will sich Steinmeier erneut mit Schulz treffen – diesmal gemeinsam mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer. „Ich kann dem Bundespräs­identen keinen Gesprächsw­unsch abschlagen“, sagt Schulz am Freitagabe­nd. Es sieht ganz danach aus, als könne der Albtraum der Jusos doch noch zur politische­n Option werden.

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Die jungen Genossen wollen nicht, dass die Partei „umfällt“. Sie fordern in Saarbrücke­n: Mehr Mut und klare Kante gegen eine neue schwarz-rote Koalition.
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FOTO: DIETZE/DPA „Dieser Saal ist der Meinung: Groko ist ganz großer Mist“, sagte gestern der neue Juso-Vorsitzend­e Kevin Kühnert – und das E-Werk tobte.

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