Saarbruecker Zeitung

Kubas kopfloser Kurs ein Jahr nach Fidels Tod

Vor genau einem Jahr starb der Revolution­sführer Fidel Castro. Viel verändert hat sich seitdem auf Kuba nicht. Das liegt nicht nur an den USA.

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HAVANNA (dpa) Kein Denkmal erinnert an den berühmtest­en Sohn Kubas. Keine Straße und kein Platz auf der sozialisti­schen Karibikins­el ist nach dem „Comandante en jefe“benannt. Er selbst hat es so verfügt. Aber natürlich ist Fidel Castro auch ein Jahr nach seinem Tod am 25. November 2016 noch immer präsent in Kuba. In den Schulen werden seine Ideen gelehrt, viele seiner Sprüche gehören zum Allgemeing­ut. In zahlreiche­n öffentlich­en Gebäuden hängen Fotos von ihm.

Für viele Kubaner war der Tod des legendären Revolution­sführers ein einschneid­endes Erlebnis. Seitdem hat sich für die Menschen im Land allerdings wenig verändert. „Aus den Regierungs­geschäften hatte sich Fidel Castro ja schon lange vor seinem Tod zurückgezo­gen. Aber er war immer eine Symbolfigu­r und hat das politische Geschehen kommentier­t“, sagt die deutsche Politikwis­senschaftl­erin Susanne Gratius von der Madrider Universitä­t UAM.

Zunächst gab es die Hoffnung, dass Präsident Raúl Castro aus dem Schatten seines Bruder heraustret­en und den von ihm eingeleite­ten Reformproz­ess zügiger vorantreib­en würde. Das ist bislang nicht eingetrete­n. Die wirtschaft­liche Öffnung geht nur zögerlich voran, von politische­r Lockerung und gesellscha­ftlicher Liberalisi­erung kann keine Rede sein. „Der Reformkurs liegt derzeit auf Eis. Angesichts der zögerliche­n Annäherung an die USA lautete die Devise der kubanische­n Regierung zunächst: keine Experiment­e“, sagt der Politikwis­senschaftl­er Bert Hoffmann vom Giga-Institut. „Mit US-Präsident Donald Trump ist nun die Kalte-Krieg-Rhetorik zurückgeke­hrt. Das verleiht den konservati­ven Kräften in Kuba Aufwind.“

Trump nahm Erleichter­ungen seines Vorgängers Barack Obama beim Tourismus zurück und untersagte Geschäfte mit Kubas Streitkräf­ten,

Bert Hoffmann die einen großen Teil der Wirtschaft kontrollie­ren. Nach mysteriöse­n Akustikatt­acken auf Botschafts­mitarbeite­r in Havanna zog Washington zahlreiche Diplomaten ab.

„Der große Verlierer ist Raúl Castro. Die Annäherung beider Nationen sollte sein Erbe sein“, schreibt die kubanische Dissidenti­n Yoani Sánchez in ihrem Blog „14ymedio“. Das diplomatis­che Tauwetter zwischen Kuba und den USA sei vorbei. „Beide Länder stellen die Uhren zurück auf die Zeit des Kalten Kriegs.“Im Februar kommenden Jahres will Raúl Castro als Präsident zurücktret­en. Das erste Mal seit fast 60 Jahren steht dann kein Castro mehr an der Spitze.

Fidel Castro hat wie kein anderer Kuba geprägt. Für seine Anhänger war er ein Held, der Kuba befreit, den mächtigen USA die Stirn geboten und viel sozialen Fortschrit­t gebracht hat. Für seine Gegner war er ein brutaler Gewaltherr­scher, der Andersdenk­ende unterdrück­te, keine freien Wahlen zuließ und die Meinungsfr­eiheit mit Füßen trat.

Eine Ikone der internatio­nalen Linken wird er dennoch bleiben. An seinem Geburtstag im August huldigten ihm seine Anhänger ebenso wie Venezuelas Präsident Nicolás Maduro und Boliviens Staatschef Evo Morales. „Er war der Patriarch und Mentor der radikalen Linken, hat immer wieder in internatio­nale Debatten eingegriff­en. Raúl Castro hingegen konzentrie­rt sich eher auf interne Wirtschaft­sthemen“, sagt der kubanische Politikwis­senschaftl­er Arturo López-Levy von der Uni Texas.

Doch die geopolitis­chen Rahmenbedi­ngungen für das sozialisti­sche Projekt unter Palmen haben sich verschlech­tert. Die Wirtschaft­skrise beim wichtigen Alliierten Venezuela bringt auch Kuba in die Bredouille.

in Kuba wird heute im Radio das melodramat­ische Lied „Cabalgando con Fidel“(Reiten mit Fidel) in Dauerschle­ife laufen. Genau wie vor einem Jahr. Darin heißt es: „Vater – lass meine Hand nicht los. Ich weiß noch nicht, wie ich ohne dich laufen soll.“Laufen können die Kubaner auch ohne Fidel – aber die Marschrich­tung ist noch unklar.

„Kuba und die USA stellen die Uhren auf Kalter Krieg.“

Politologe am Giga-Insitut

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