Das Elektroauto kommt langsam in Fahrt
In den kommenden beiden Jahren ist eine Vielzahl neuer Modelle mehrerer Hersteller angekündigt.
SAARBRÜCKEN Eine Million Elektroautos wollte die Bundesregierung eigentlich bis zum Jahr 2020 auf deutschen Straßen sehen. Doch daraus wird nichts: Ende August 2017 waren exakt 48 208 EMobile bei uns unterwegs. Selbst wenn man die Plug-in-Hybride hinzunimmt, also Modelle, die 50 Kilometer elektrisch rollen und dann mit Verbrennungsmotor weiterfahren können, sieht die Rechnung nicht viel besser aus.
Etwa jeder 500. der insgesamt 46 Millionen Personenwagen bei uns bewegt sich elektrisch oder als Plug-in-Hybrid zumindest zeitweise elektrisch. Doch die Lage ändert sich. „Elektromobilität hat für uns absolute Priorität“, betont etwa BMW-Konzernchef Harald Krüger. Bis zum Jahr 2025 will er 25 Stromer auf den Markt bringen, zwölf Batterieautos und 13 Plug-in-Hybride. Bei Volkswagen sollen es 30 werden. Daimler investiert zehn Milliarden und will zehn ElektroModelle schon 2022 haben. Selbst Porsche will in fünf Jahren jedes zweite Auto zumindest zeitweise elektrisch rollen lassen.
Der Markt, so fast alle Voraussagen, soll sich ab 2018/19 rasant entwickeln. Im ersten Halbjahr 2017 wurden weltweit 750 000 Elektro- und Plug-in-Hybride verkauft, die meisten in China – das waren rund zwei Promille der Gesamtproduktion. Schon nächstes Jahr peilt allein Pionier Tesla eine halbe Million an. 2016 waren es erst 84 000. Im Jahr 2025 will China 20 bis 25 Prozent des Verkaufs als Elektro- oder Plug-in-Hybrid vorschreiben. Das bedeutet jährlich fünf Millionen Fahrzeuge. Ein ähnlicher Anteil wird in Deutschland diskutiert. In Norwegen erreichen Elektro-Modelle bereits mehr als die Hälfte der Zulassungen. Durch besondere steuerliche Förderung sind sie dort erheblich preiswerter als normale Autos.
Ganz allmählich haben auch Käufer in Deutschland das Thema auf dem Schirm. Hilfreich ist dabei die aktuelle Förderung: 4000 Euro für Batterieautos, 3000 für Plugins. Sie macht Elektromobilität zumindest für die interessanter, die ihr bisher bereits positiv gegenüberstehen. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) berichtet, dass sich immerhin jeder siebte Käufer ein Elektro- oder Plug-inModell vorstellen kann. Mittlerweile stehen bei uns mehr als 60 zur Wahl, doppelt so viele wie vor einem Jahr.
Sie beginnen mit dem Citroën CZero und dem Peugeot Ion für 17 800 Euro. Die Elektro-Prämie, die es nur bei Modellen bis 60 000 Euro gibt, ist bereits abgezogen. Toyota und Lexus bieten ähnlichen Nachlass für Hybride ohne Plug-in. Neue Modelle, etwa der kleine Tesla 3 – reichlich 35 000 Euro nach Abzug der Prämie –, könnten das Interesse weiter steigern. Die jüngst eingeführte Abwrackprämie für alte Diesel ermöglicht Nachlässe zum Beispiel bei Audi bis fast 10 000 Euro. Wer einen alten Diesel hat und auf einen Audi etron umsteigen möchte, sollte jetzt mit seinem Händler reden – auch über Finanzierung oder Leasing zu Zinsen nahe null Prozent.
Schon heute sind Elektro-Modelle für viele interessant. Ein Auto fährt üblicherweise morgens zur Arbeitsstelle, abends zurück. Für die meist kurzen Strecken reicht der Akku dicke, auch für die ExtraRunde zum Fitnessclub. Was bisher nicht ging, war der Besuch am Baggersee oder bei Tante Trude: Bei 100, 130 Kilometern war bei den meisten Schluss, der große Tesla mit 500 Kilometern ausgenommen. Elektroantrieb war damit auf Stadt- und Zweitwagen beschränkt.
Dies ändert sich gerade, wenigstens ein bisschen. Neue Batterien vergrößern die Reichweite zum Beispiel beim BMW i3 unter günstigen Bedingungen von 200 auf 300 Kilometer. Große Akkus vermindern die Angst vor dem Liegenbleiben im Stau, vor dem Reichweitenschwund bei Frost. Batterien werden außerdem rasch billiger. Eine Kilowattstunde Speichervermögen, so Audi, kostete vor drei Jahren 500 Euro, Mitte 2016 waren es noch 200 Euro, 2020 wird mit 100 Euro gerechnet. Das Projekt „Mission E“von Porsche zeigt, was morgen erwartet werden kann: 600 PS, Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in vier Sekunden, 500 Kilometer Reichweite, Ladung in 15 Minuten für weitere 400 Kilometer. Mercedes-Benz ist aus der Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) ausund dafür in die „Formel E“eingestiegen. In wenigen Jahren könnten Elektrofahrzeuge preislich auf ähnlichem Niveau liegen wie heute Diesel-Modelle. Sogar Elektro-Lieferwagen werden interessant. Die Post beispielsweise baut eigene Street-Scooter. Für Zustellfahrzeuge, die oft nur wenige Meter bis zum nächsten Halt rollen, ist Elektroantrieb ideal.
Alte Akkus leben weiter als stationäre Stromspeicher zum Beispiel für Solardächer. Und heutige LithiumionenAkkus müssen auch nicht das Ende der Batterie-Entwicklung sein. Schon heute bereiten Elektro-Modelle Vergnügen mit ihrer Spurtkraft. Sie sind dazu leise und bescheren ihren Fahrern ein reines Umwelt-Gewissen. Dies besonders dann, wenn sie mit Ökostrom rollen, was viele Hersteller anbieten.
Mit normalem Strom, bei uns hauptsächlich aus Kohlekraftwerken, bedeuten sie gegenüber sparsamen Dieselmodellen keinen CO2-Vorteil. Dafür rollen sie schon heute absolut günstig. Für ein kleines Auto genügen 15 Kilowattstunden für 100 Kilometer. Mit 30 Cent pro kWh kosten sie 4,50 Euro. Ein größeres Auto verbraucht vielleicht 22 kWh, macht 6,60 Euro. An Benzin brauchen vergleichbare Autos sechs bis neun Liter, macht bei den augenblicklichen Preisen etwa acht bis zwölf Euro. Elektroautos verlangen dazu viel weniger Wartung, schon weil sie in der Hauptsache elektrisch verzögern und damit ihre eigentlichen Bremsen kaum beanspruchen.
Bewegung kommt auch in die Lade-Infrastruktur. 400 AutobahnRastanlagen sollen mit Schnellladern ausgerüstet, die Zahl der öffentlichen Zapfstellen massiv erhöht
Harald Krüger BMW-Konzenchef werden. Betriebe installieren Steckdosen an ihren Parkplätzen, Parkhäuser werden mit ihnen ausgerüstet, Großmärkte spenden Strom, solange man einkauft. Induktives Laden ohne umständliches Kabel wird vorbereitet, Toyota lädt beim neuen Prius Plug-in sogar per Solardach.
Noch ist das alles allerdings viel zu wenig. Oft genug sind öffentliche Stromquellen von Fahrzeugen zugeparkt, die da nichts zu suchen haben. Die elektrische Energie ist manchmal sehr teuer, jeder Anbieter hat sein eigenes Zugangs- und Abrechnungssystem. Bezahlen per Scheckkarte, seit Jahrzehnten in jedem Laden, jedem Restaurant, jeder Tankstelle eingeführt, hat sich noch nicht bis zu den Betreibern öffentlicher Ladesäulen herumgesprochen. Dabei wurde schon vor sieben Jahren die „Nationale Plattform Elektromobilität“ins Leben gerufen, die mit Millionen gefördert wird und sich eben um diese Fragen kümmern soll. Immerhin, wer in der eigenen Garage, auf dem Hof hinter dem Haus laden kann, ist schon heute fein raus. Verlängerungskabel müssen aber genügend Querschnitt haben. Und die Kabeltrommel muss ganz abgerollt werden. Sonst wird es innen warm, zu warm. Dann besteht sogar Brandgefahr.
Es gibt freilich auch Leute, die ihren sparsamen, spurtstarken, langlebigen Diesel weiter fahren, außerhalb der Ballungsräume vermutlich noch lange ohne Einschränkungen. Sie kaufen ein neues Auto vielleicht erst, wenn Steckdosen wieder überflüssig werden, wenn sich die Brennstoffzelle durchsetzt. Die Autos fahren dann auch elektrisch, aber mit Strom, den sie an Bord aus Wasserstoff erzeugen. Den Wasserstoff könnte es dann an Tankstellen geben, die ähnlich aussehen wie heute. Bisher ist davon und von den dazugehörigen Versorgungsleitungen jedoch ebenso wenig zu sehen wie von den Steckdosen und Stromkabeln, die nötig wären, um Millionen von Elektroautos zu versorgen. Der Weg zur Brennstoffzelle in Großserie ist weit. Vor zehn Jahren dachte man das aber auch für Elektroautos und ihre Batterien.
„Elektromobilität
hat für uns absolute Priorität.“