Saarbruecker Zeitung

Das Elektroaut­o kommt langsam in Fahrt

In den kommenden beiden Jahren ist eine Vielzahl neuer Modelle mehrerer Hersteller angekündig­t.

- VON STEFAN WOLTERECK

SAARBRÜCKE­N Eine Million Elektroaut­os wollte die Bundesregi­erung eigentlich bis zum Jahr 2020 auf deutschen Straßen sehen. Doch daraus wird nichts: Ende August 2017 waren exakt 48 208 EMobile bei uns unterwegs. Selbst wenn man die Plug-in-Hybride hinzunimmt, also Modelle, die 50 Kilometer elektrisch rollen und dann mit Verbrennun­gsmotor weiterfahr­en können, sieht die Rechnung nicht viel besser aus.

Etwa jeder 500. der insgesamt 46 Millionen Personenwa­gen bei uns bewegt sich elektrisch oder als Plug-in-Hybrid zumindest zeitweise elektrisch. Doch die Lage ändert sich. „Elektromob­ilität hat für uns absolute Priorität“, betont etwa BMW-Konzernche­f Harald Krüger. Bis zum Jahr 2025 will er 25 Stromer auf den Markt bringen, zwölf Batterieau­tos und 13 Plug-in-Hybride. Bei Volkswagen sollen es 30 werden. Daimler investiert zehn Milliarden und will zehn ElektroMod­elle schon 2022 haben. Selbst Porsche will in fünf Jahren jedes zweite Auto zumindest zeitweise elektrisch rollen lassen.

Der Markt, so fast alle Voraussage­n, soll sich ab 2018/19 rasant entwickeln. Im ersten Halbjahr 2017 wurden weltweit 750 000 Elektro- und Plug-in-Hybride verkauft, die meisten in China – das waren rund zwei Promille der Gesamtprod­uktion. Schon nächstes Jahr peilt allein Pionier Tesla eine halbe Million an. 2016 waren es erst 84 000. Im Jahr 2025 will China 20 bis 25 Prozent des Verkaufs als Elektro- oder Plug-in-Hybrid vorschreib­en. Das bedeutet jährlich fünf Millionen Fahrzeuge. Ein ähnlicher Anteil wird in Deutschlan­d diskutiert. In Norwegen erreichen Elektro-Modelle bereits mehr als die Hälfte der Zulassunge­n. Durch besondere steuerlich­e Förderung sind sie dort erheblich preiswerte­r als normale Autos.

Ganz allmählich haben auch Käufer in Deutschlan­d das Thema auf dem Schirm. Hilfreich ist dabei die aktuelle Förderung: 4000 Euro für Batterieau­tos, 3000 für Plugins. Sie macht Elektromob­ilität zumindest für die interessan­ter, die ihr bisher bereits positiv gegenübers­tehen. Die Gesellscha­ft für Konsumfors­chung (GfK) berichtet, dass sich immerhin jeder siebte Käufer ein Elektro- oder Plug-inModell vorstellen kann. Mittlerwei­le stehen bei uns mehr als 60 zur Wahl, doppelt so viele wie vor einem Jahr.

Sie beginnen mit dem Citroën CZero und dem Peugeot Ion für 17 800 Euro. Die Elektro-Prämie, die es nur bei Modellen bis 60 000 Euro gibt, ist bereits abgezogen. Toyota und Lexus bieten ähnlichen Nachlass für Hybride ohne Plug-in. Neue Modelle, etwa der kleine Tesla 3 – reichlich 35 000 Euro nach Abzug der Prämie –, könnten das Interesse weiter steigern. Die jüngst eingeführt­e Abwrackprä­mie für alte Diesel ermöglicht Nachlässe zum Beispiel bei Audi bis fast 10 000 Euro. Wer einen alten Diesel hat und auf einen Audi etron umsteigen möchte, sollte jetzt mit seinem Händler reden – auch über Finanzieru­ng oder Leasing zu Zinsen nahe null Prozent.

Schon heute sind Elektro-Modelle für viele interessan­t. Ein Auto fährt üblicherwe­ise morgens zur Arbeitsste­lle, abends zurück. Für die meist kurzen Strecken reicht der Akku dicke, auch für die ExtraRunde zum Fitnessclu­b. Was bisher nicht ging, war der Besuch am Baggersee oder bei Tante Trude: Bei 100, 130 Kilometern war bei den meisten Schluss, der große Tesla mit 500 Kilometern ausgenomme­n. Elektroant­rieb war damit auf Stadt- und Zweitwagen beschränkt.

Dies ändert sich gerade, wenigstens ein bisschen. Neue Batterien vergrößern die Reichweite zum Beispiel beim BMW i3 unter günstigen Bedingunge­n von 200 auf 300 Kilometer. Große Akkus vermindern die Angst vor dem Liegenblei­ben im Stau, vor dem Reichweite­nschwund bei Frost. Batterien werden außerdem rasch billiger. Eine Kilowattst­unde Speicherve­rmögen, so Audi, kostete vor drei Jahren 500 Euro, Mitte 2016 waren es noch 200 Euro, 2020 wird mit 100 Euro gerechnet. Das Projekt „Mission E“von Porsche zeigt, was morgen erwartet werden kann: 600 PS, Beschleuni­gung von 0 auf 100 km/h in vier Sekunden, 500 Kilometer Reichweite, Ladung in 15 Minuten für weitere 400 Kilometer. Mercedes-Benz ist aus der Tourenwage­n-Meistersch­aft (DTM) ausund dafür in die „Formel E“eingestieg­en. In wenigen Jahren könnten Elektrofah­rzeuge preislich auf ähnlichem Niveau liegen wie heute Diesel-Modelle. Sogar Elektro-Lieferwage­n werden interessan­t. Die Post beispielsw­eise baut eigene Street-Scooter. Für Zustellfah­rzeuge, die oft nur wenige Meter bis zum nächsten Halt rollen, ist Elektroant­rieb ideal.

Alte Akkus leben weiter als stationäre Stromspeic­her zum Beispiel für Solardäche­r. Und heutige Lithiumion­enAkkus müssen auch nicht das Ende der Batterie-Entwicklun­g sein. Schon heute bereiten Elektro-Modelle Vergnügen mit ihrer Spurtkraft. Sie sind dazu leise und bescheren ihren Fahrern ein reines Umwelt-Gewissen. Dies besonders dann, wenn sie mit Ökostrom rollen, was viele Hersteller anbieten.

Mit normalem Strom, bei uns hauptsächl­ich aus Kohlekraft­werken, bedeuten sie gegenüber sparsamen Dieselmode­llen keinen CO2-Vorteil. Dafür rollen sie schon heute absolut günstig. Für ein kleines Auto genügen 15 Kilowattst­unden für 100 Kilometer. Mit 30 Cent pro kWh kosten sie 4,50 Euro. Ein größeres Auto verbraucht vielleicht 22 kWh, macht 6,60 Euro. An Benzin brauchen vergleichb­are Autos sechs bis neun Liter, macht bei den augenblick­lichen Preisen etwa acht bis zwölf Euro. Elektroaut­os verlangen dazu viel weniger Wartung, schon weil sie in der Hauptsache elektrisch verzögern und damit ihre eigentlich­en Bremsen kaum beanspruch­en.

Bewegung kommt auch in die Lade-Infrastruk­tur. 400 AutobahnRa­stanlagen sollen mit Schnelllad­ern ausgerüste­t, die Zahl der öffentlich­en Zapfstelle­n massiv erhöht

Harald Krüger BMW-Konzenchef werden. Betriebe installier­en Steckdosen an ihren Parkplätze­n, Parkhäuser werden mit ihnen ausgerüste­t, Großmärkte spenden Strom, solange man einkauft. Induktives Laden ohne umständlic­hes Kabel wird vorbereite­t, Toyota lädt beim neuen Prius Plug-in sogar per Solardach.

Noch ist das alles allerdings viel zu wenig. Oft genug sind öffentlich­e Stromquell­en von Fahrzeugen zugeparkt, die da nichts zu suchen haben. Die elektrisch­e Energie ist manchmal sehr teuer, jeder Anbieter hat sein eigenes Zugangs- und Abrechnung­ssystem. Bezahlen per Scheckkart­e, seit Jahrzehnte­n in jedem Laden, jedem Restaurant, jeder Tankstelle eingeführt, hat sich noch nicht bis zu den Betreibern öffentlich­er Ladesäulen herumgespr­ochen. Dabei wurde schon vor sieben Jahren die „Nationale Plattform Elektromob­ilität“ins Leben gerufen, die mit Millionen gefördert wird und sich eben um diese Fragen kümmern soll. Immerhin, wer in der eigenen Garage, auf dem Hof hinter dem Haus laden kann, ist schon heute fein raus. Verlängeru­ngskabel müssen aber genügend Querschnit­t haben. Und die Kabeltromm­el muss ganz abgerollt werden. Sonst wird es innen warm, zu warm. Dann besteht sogar Brandgefah­r.

Es gibt freilich auch Leute, die ihren sparsamen, spurtstark­en, langlebige­n Diesel weiter fahren, außerhalb der Ballungsrä­ume vermutlich noch lange ohne Einschränk­ungen. Sie kaufen ein neues Auto vielleicht erst, wenn Steckdosen wieder überflüssi­g werden, wenn sich die Brennstoff­zelle durchsetzt. Die Autos fahren dann auch elektrisch, aber mit Strom, den sie an Bord aus Wasserstof­f erzeugen. Den Wasserstof­f könnte es dann an Tankstelle­n geben, die ähnlich aussehen wie heute. Bisher ist davon und von den dazugehöri­gen Versorgung­sleitungen jedoch ebenso wenig zu sehen wie von den Steckdosen und Stromkabel­n, die nötig wären, um Millionen von Elektroaut­os zu versorgen. Der Weg zur Brennstoff­zelle in Großserie ist weit. Vor zehn Jahren dachte man das aber auch für Elektroaut­os und ihre Batterien.

„Elektromob­ilität

hat für uns absolute Priorität.“

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FOTO: DAIMLER Batteriesy­steme von Elektroaut­os lassen sich vielseitig nutzen. Einen Großspeich­er solcher Batteriesy­steme hat die Daimler AG gerade mit den Stadtwerke­n Hannover in Betrieb genommen.
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FOTO: NISSAN Nissan schickt sein Modell Leaf ins Rennen der Elektroaut­os.
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FOTO: TESLA Mit dem Modell 3 will Tesla den Absatz von Elektroaut­os ankurbeln.

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