Saarbruecker Zeitung

Grundgeset­z wird missachtet

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Der verstorben­e Bundespräs­ident Richard von Weizsäcker übte 1992 schwere Kritik an den deutschen Parteien, ihr Einfluss habe sich auf die gesamte Gesellscha­ft ausgeweite­t: „Sie sind längst zu einem sechsten Verfassung­sorgan geworden, aber, im Gegensatz zu den anderen, keiner Kontrolle unterworfe­n.“Das trifft den Nagel auf den Kopf. Im Gegensatz zu den im Grundgeset­z (GG) genannten Verfassung­sorganen Bundestag, Bundesrat, Regierung und Justiz werden die Parteien in Artikel 21 nur einmal lapidar erwähnt: „Die Parteien wirken bei der politische­n Willensbil­dung des Volkes mit.“Entscheide­nd ist das Wörtchen „mit“. Von Alleinherr­schaft, wie es sich darstellt, ist nicht die Rede. Im neu gewählten Bundestag sitzen seit der Wahl im September 709 Abgeordnet­e in Amt und Sold. Der/die Kanzler/Kanzlerin wird laut GG vom Bundestag ohne vorherige Diskussion gewählt. Er/sie ernennt die Bundesmini­ster. Worauf warten wir noch? Brauchen die hoch dotierten Abgeordnet­en erst die Weisung ihrer Partei, wen sie wählen dürfen? In diesem Fall sind sie ihr Geld nicht wert, und man bräuchte nicht 709 Abgeordnet­e, sondern fünf bis sechs Fraktionsu­nd vielleicht noch entspreche­nd viele Parteivors­itzende. So ließe sich viel Geld sparen, es wäre aber grundgeset­zwidrig; in der Praxis aber stellt es sich so dar. Um bei den Wahlen noch eine Alternativ­e zu haben, sollte man überlegen, die Direktmand­ate, immerhin 299 Abgeordnet­e, nicht über die Parteien, sondern in Personenwa­hl zu wählen, natürlich und vor allem Nichtparte­imitgliede­r.

Hansi Stolz, Mandelbach­tal

Nützt das Desaster vor allem der Afd?

Kurz vor Mitternach­t zerschluge­n sich die Hoffnungen der Kanzlerin. Die FDP allerdings könnte ihre Kalkulatio­n ohne die Wähler gemacht haben: Der plötzliche Ausstieg verschlech­tert ihre Chancen bei Neuwahlen. Jetzt hat die FDP den schwarzen Peter für das Scheitern und nicht die Grünen, wie fast jeder gedacht hat. Deutschlan­d steht jetzt vor einer einschneid­enden Zäsur. Neuwahlen sind unausweich­lich. Damit verändert sich alles: Tritt Angela Merkel bei Neuwahlen noch mal an? Wird Martin Schulz erneut Kanzlerkan­didat der SPD? Über allem schwebt die Frage: Nützt das Desaster in erster Linie der AfD? Diese Nacht ist tatsächlic­h historisch. Deutschlan­d wird ein instabiler­es Land werden, mit möglicherw­eise neuem Spitzenper­sonal und einer FDP, die verspielen könnte, was sie bei der Bundestags­wahl erreicht hat.

Und am Ende mit einem Ergebnis, das die Regierungs­bildung erneut kaum möglich macht. So ein ungeschick­tes Verhalten aller an der Sondierung teilgenomm­ener Parteien hat das Vertrauen der Wähler verspielt. Unsere politische Laienspiel­ertruppe katapultie­rt unser hoch angesehene­s Land zur Lachnummer der EU und der restlichen Welt.

Thomas Neumann, Saarbrücke­n-Klarenthal

Die FDP ist nicht mehr wählbar

Der Ausstieg der FDP aus den Sondierung­en ist ein pseudodemo­kratisches Verhalten. Diese Partei ist nicht mehr wählbar. Der Kommentar des Bundespräs­identen spricht Bände.

Helmut Kaiser, St. Wendel

Josef Wolfgang Erbelding, Kirkel-Neuhäusel

Neuwahl ist faktisch Nötigung

Nicht nur jetzt zeigt es sich, dass man mit kompromiss­losen Politegoma­nen keine konstrukti­ve Lösung zum Wohle des Gemeinwese­ns erzielt. Alle demokratis­chen Parteien müssen eine tragfähige Kompromiss­lösung finden, sonst fahren sie die Demokratie gegen die Wand. Weimar nebst Folgen lässt grüßen. Das Volk hat gewählt – basta! Dieses Volk so oft zur Wahl zwingen, bis es den politische­n Selbstdars­tellern in den Kram passt, ist faktisch Nötigung und eine Schande für unsere politische Kultur.

Wolfgang Siegel, St. Ingbert

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