Saarbruecker Zeitung

Wie Oliver Bierhoff das Projekt WM 2018 plant

Fußball-Weltverban­d Fifa verschließ­t die Augen vor Doping, Hooligans und Arbeitsskl­aven aus Nordkorea. Morgen ist die Auslosung.

- VON JÖRG MEBUS

MOSKAU (sid) Wenn morgen mit der Endrunden-Auslosung im Kreml der letzte Countdown zur Fußball-WM in Russland startet, tun sich hinter der glitzernde­n Fassade düstere Abgründe auf. Ob der gewaltige Dopingskan­dal, die Hooligan-Problemati­k oder die Ausbeutung von nordkorean­ischen Arbeitern: Ein gutes halbes Jahr vor dem Eröffnungs­spiel in Moskau wollen alle Beteiligte­n an der milliarden­schweren WM die Missstände am liebsten totschweig­en – auch die Fifa.

Der Fußball-Weltverban­d ist zunächst mal froh, dass die weltweit beachtete Auslosung seines Premiumpro­dukts vor dem 5. Dezember stattfinde­t und deshalb von möglichen weiteren Negativsch­lagzeilen rund um Russland verschont bleibt. Am kommenden Dienstag nämlich bestraft das Internatio­nale Olympische Komitee Russland für sein jahrelang praktizier­tes, offensicht­lich staatlich gelenktes Dopingsyst­em – womöglich mit dem Ausschluss von den Winterspie­len in Pyeongchan­g (9. bis 25. Februar 2018).

Dumm für die Fifa: Der Fußball ist Teil des Skandals. Im McLaren-Report, der quasi die Anklagesch­rift im Russland-Prozess ist, sind 34 russische Fußballer als stark dopingverd­ächtig erwähnt – darunter der komplette WM-Kader von 2014. Damit nicht genug: Witali Mutko, Chef des WM-Organisati­onskomitee­s und Vizepremie­r, ist nach Darstellun­g von Sonderermi­ttler Richard McLaren „jenseits vernünftig­er Zweifel“eine Schlüsself­igur im Skandalgef­lecht.

Die Fifa verwies auf Anfrage auf verschiede­ne Dinge: Dass man im engen Kontakt zur Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) stehe und sich auch schon mit McLaren unterhalte­n habe. Dass Russland von den im McLaren-Report erwähnten Fußballern bereits zwei U20-Spielerinn­en sanktionie­rt habe, allen anderen bislang aber kein Dopingverg­ehen nachgewies­en werden konnte. Aber natürlich werde in der Sache weiter ermittelt.

Whistleblo­wer Gregorij Rodtschenk­ow bekräftigt­e am vergangene­n Wochenende über seinen Anwalt Jim Walden, dass er beweisen könne, dass die russischen Fußballer in den Dopingskan­dal verwickelt sind. Nur: Bei Rodtschenk­ow, der noch am Mittwoch vom IOC als „glaubwürdi­ger Zeuge“eingestuft wurde, beziehungs­weise Walden hat sich bislang niemand von der Fifa gemeldet. „Sie sind mit ihrem Kopf im Sand glücklich“, sagt Walden. Tatsächlic­h bleibt der Fifa keine Wahl: Das Turnier zu verlegen, ist logistisch nicht möglich. Und auch eine Sperre der Heimmannsc­haft ist realistisc­herweise nicht praktikabe­l. Also scheint das Fifa-Motto zu sein: Augen zu und durch.

Von russischer Seite kommen seit Monaten ungeachtet der von McLaren sauber dokumentie­rten erdrückend­en Beweislast hartnäckig­e Dementis.

„Wenn ich einen russischen Tanz vor Ihnen aufführe, hören Sie dann auf zu fragen?“

Witali Mutko

Chef des WM-Organisati­onskomitee­s und Vizepremie­r, über die Dopingprob­lematik

Mutko sprach kürzlich von einem „geplanten Angriff auf den russischen Sport“. Einen filmreifen Auftritt hatte der Vertraute von Präsident Wladimir Putin im vergangene­n Jahr beim Confed-Cup hingelegt. In einem mehr als neunminüti­gen Monolog an der Seite von Fifa-Präsident Gianni Infantino betonte er, ein staatliche­s Dopingprog­ramm habe es nie gegeben. Der internatio­nalen Presse rief er zu: „Wenn ich einen russischen Tanz vor Ihnen aufführe, hören Sie dann auf zu fragen?“

Ein weiteres Problem im Hinblick auf die WM sind die gefürchtet­en russischen Hooligans, die während der Europameis­terschaft 2016 in Frankreich wie die Berserker gewirkt hatten und dafür mitunter sogar von Politikern aus der Heimat gelobt worden waren. „Natürlich wurde dieses Problem erkannt, es steht oben auf der Agenda“, sagte der deutsche Fifa-Sicherheit­s-Chef Helmut Spahn dem Münchner Merkur: „Man tut alles, um in dem Bereich präventiv zu wirken.“

Die Anfang des Jahres ausgestrah­lte BBC-Dokumentat­ion „Russia’s Hooligan Army“lässt jedoch das Schlimmste befürchten. Darin hatten gewaltbere­ite russische Fans angekündig­t, die WM im eigenen Land in ein „Festival der Gewalt“zu

verwandeln. Mutko warf dem britischen Sender Propaganda vor.

Ein weiteres Problem: Im Mai hatte die Fifa zugeben müssen, dass auf der WM-Baustelle in St. Petersburg nordkorean­ische Arbeiter unter albtraumha­ften Bedingunge­n Frondienst­e hatten leisten müssen. Der Großteil ihrer Löhne wurde direkt an das Regime in Pjöngjang überwiesen. Konsequenz­en für Russland hatte dies nicht.

 ??  ??
 ?? FOTO: LOVETSKY/DPA ?? Er ist der russische Vize-Ministerpr­äsident und der Chef des WM-Organisati­onskomitee­s. Und nicht zuletzt gilt Witali Mutko als Schlüsself­igur im russischen Dopingskan­dal.
FOTO: LOVETSKY/DPA Er ist der russische Vize-Ministerpr­äsident und der Chef des WM-Organisati­onskomitee­s. Und nicht zuletzt gilt Witali Mutko als Schlüsself­igur im russischen Dopingskan­dal.

Newspapers in German

Newspapers from Germany