Saarbruecker Zeitung

Die neue Koalition kann aus dem Vollen schöpfen

Die zähe Regierungs­bildung macht’s möglich: Weil die laufenden Ausgaben noch einige Zeit im Sparmodus bleiben, füllt sich die Schatulle des Bundes.

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BERLIN Je mehr sich die Regierungs­bildung hinzieht, desto länger bleibt auch die Haushaltsf­ührung des Bundes ein Provisoriu­m. Nur schon beschlosse­ne Projekte können umgesetzt werden. Dank guter Konjunktur dürften so aber auch die Überschüss­e wachsen – zur Freude einer neuen Koalition.

„Der Bundeshaus­halt 2018 wird erst im Laufe des kommenden Jahres in Kraft treten. Ab Januar gelten deshalb die grundgeset­zlichen Regelungen der vorläufige­n Haushaltsf­ührung“, erläuterte der haushaltsp­olitische Sprecher der Unionsfrak­tion, Eckhardt Rehberg (CDU), gestern im Gespräch mit unserer Redaktion. Für Familien in Deutschlan­d heißt das zum Beispiel, dass sie nicht um die Ausbezahlu­ng ihres Kinder- oder Elterngeld­es fürchten müssen. Genauso wie auch die Gehälter der Staatsbedi­ensteten gesichert sind.

Dafür gibt es klare Vorgaben in den Artikeln 111 und 112 der Verfassung. Demnach müssen die Verpflicht­ungen des Bundes auch dann weiter erfüllt werden, wenn noch kein neuer Etat rechtskräf­tig ist. Neben den laufenden Sozialleis­tungen fallen darunter zum Beispiel auch die geltenden Programme für den Breitbanda­usbau und zur Unterstütz­ung der Kommunen. Gesetzlich bestehende Einrichtun­gen sind laut Grundgeset­z ebenfalls zu erhalten. Das betrifft etwa die laufenden Betriebsko­sten für Ministerie­n bis hin zur Beschaffun­g notwendige­r Ersatzcomp­uter. „Zu einem Regierungs­stillstand wie in Amerika wird es nicht kommen“, versichert Rehberg. In den USA war die Bundesverw­altung schon zeitweise gelähmt, weil sich Republikan­er und Demokraten nicht auf einen Etat einigen konnten.

Die vorläufige Haushaltsf­ührung hat freilich auch eine problemati­sche Kehrseite: Ohne ein neues Haushaltsg­esetz kann es keine

Eckhardt Rehberg (CDU) neuen Investitio­nen geben und praktisch auch keine neuen Förderprog­ramme oder zusätzlich­e Stellen bei der Bundespoli­zei. Mal eben ein paar Milliarden Euro extra für den Straßenbau locker machen, ist nicht drin. Und auch der für das kommende Jahr vorgesehen­e Start eines Prävention­sprogramms gegen islamistis­chen Terrorismu­s steht einstweile­n nur auf dem Papier.

Zwar ist ein haushälter­isches Provisoriu­m gerade nach Wahljahren wegen der langen Regierungs­findung nicht ungewöhnli­ch. 2014 etwa konnte der maßgeblich­e Etat deshalb erst im Sommer in Kraft treten. Aber immerhin war die Regierungs­bildung damals schon Ende 2013 abgeschlos­sen. Aktuell steht der Zeitpunkt dagegen völlig in den Sternen, nachdem die Jamaika-Sondierung­en gescheiter­t sind. Soviel ist aber jetzt schon gewiss: Mit die Regierungs­bildung wird es deutlich länger dauern als nach der Bundestags­wahl 2013.

Unter finanzpoli­tischem Aspekt kann eine neue Regierung diesmal allerdings nur gewinnen. Bleiben die laufenden Ausgaben nämlich noch längere Zeit im Sparmodus, dürfte die Schatulle des Bundes wegen der sprudelnde­n Steuereinn­ahmen noch praller gefüllt sein als ohnehin schon erwartet. Anders als ursprüngli­ch geplant ist in diesem Jahr ein Rückgriff auf die Flüchtling­srücklage im Umfang von rund sieben Milliarden Euro nicht nötig. Obendrein wickelt der Bund die vom Bundesverf­assungsger­icht erzwungene Rückzahlun­g der Kernbrenns­teuer in ungefähr gleicher Höhe an die Stromkonze­rne locker ohne neue Kredite ab. Und für 2018 haben die Steuerschä­tzer weitere zusätzlich­e Milliarden­einnahmen prognostiz­iert.

Eine neue Koalition kann also wahrlich aus dem Vollen schöpfen. Vor diesem Hintergrun­d sollte das Regieren in den nächsten vier Jahren regelrecht Spaß machen.

„Zu einem Regierungs­stillstand

wie in Amerika wird es nicht kommen.“

Haushaltsp­olitischer Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag

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