Holzernte-Maschinen zerfurchen Bodendenkmäler
Im Saar-Kohlenwald bei Schiffweiler seien viele frühere Gruben, die Pingen, von Harvestern zerstört worden, sagt ein Anwohner.
SCHIFFWEILER Dieser Wald hat viele Mulden und tiefe Löcher, die mit Blätterbergen gefüllt sind. Manche zeigen aber auch noch die Spuren der schweren Holzerntemaschinen, der Harvester, andere sind mit abgeschnittenen Ästen bis an den Rand gefüllt. „Bei der Holzernte im vergangenen Winter wurde ausgerechnet in diesem Gebiet durch einen Subunternehmer des Saarforstes ein Harvester ohne jede Rücksicht auf Verluste eingesetzt. Einzelne Pingen wurden durch den Harvester unwiederbringlich zerstört“, sagt Herbert Hartmann, 70. Hartmann ist ein Unternehmensberater der Supermarktbranche, der in Schiffweiler lebt. Sein Revier, durch das er regelmäßig wandert, ist der Kohlenwald zwischen Merchweiler, Schiffweiler-Heiligenwald und Friedrichsthal-Bildstock. Dort befinden sind die „Pingen“. Pingen? Ja, das sind die ersten Gruben, in denen Bergleute im Saarland vor hunderten von Jahren oberirdisch Kohle schürften. In diesem Waldgebiet gibt es hunderte dieser Pingen, die nichts anderes als Bodendenkmäler sind, die es zu schützen gilt.
Der führende Saar-Industriekultur-Historiker Delf Slotta schreibt, dass zahlreiche urkundliche Erwähnungen aus dem frühen Mittelalter und der frühen Neuzeit für den „wilden Kohleabbau“der Kohlegräber für dieses Gebiet vorliegen. „Die zumeist trichter- oder grabenförmigen Vertiefungen, die aus diesem einfachen übertägigen Kohleabbau resultieren, werden als Kohlepingen bezeichnet“, erklärt Slotta. in seinem Aufsatz „Pingen, Schürfe und Hohlwege bei Heiligenwald“. „Allein im Waldgebiet zwischen dem Altsteigershaus an der Landstraße zwischen Merchweiler und Bildstock und dem Itzenplitzer Weiher haben sich über 350 Pingen erhalten, die eindrucksvolle Landschaftsbilder erzeugen“, betont der Experte. Das dortige Vorkommen von Zeugnissen der frühen Kohlegewinnung sei das „aussagekräftigste im gesamten Saarbergbau“, schreibt Slotta.
Der Schiffweiler Anwohner Hartmann zeigt sich entsetzt darüber, dass von dem Saarforst-Subunternehmer nicht nur die Pingen zerfurcht wurden, sondern auch der durch das Pingenfeld führende Rundwanderweg „Pingenpfad“, der demnächst als Premiumwanderweg prämiert werden solle, „nachhaltig zerstört“worden und bei feuchtem Wetter kaum noch benutzbar sei.
„Ein Forstbeamter, den ich zufällig dort traf und den ich auf die Missstände ansprach, wusste nicht einmal, was Pingen sind. Er fühlte sich auch nicht für die Industriekultur zuständig. Den Zustand des Pingenfeldes bezeichnete er als naturnahe Waldbewirtschaftung“, kritisiert Hartmann. Es seien keine Reisigmatten ausgelegt worden, um den Harvester-Einsatz abzumildern.
Das Umweltministerium antwortete Hartmanns Kritik an der Pingen-Terstörung in einem Schreiben, das der SZ vorliegt: „Ein flächenhaftes Freiräumen aller vorkommenden Pingen war im Zuge der Hiebsmaßnahmen zunächst nicht praxisnah realisierbar.“Dem Saar-Forst-Revierleiter Lars Kreinbihl sei die kulturhistorische Bedeutung des ehemaligen Abbaugebietes durchaus bekannt. Zudem sei zur „optischen Aufwertung“ein etwa 1,60 Metter großer Bergmann aus einem stehenden Eichenstumpf geschnitzt und die Pingen im unmittelbaren Umfeld dieser Holzfigur vollständig von Kronenresten befreit worden. Hans-Walter Bronder, Ex-Generalbevollmächtigter der Deutschen Steinkohle AG (DSK) und jetzt Vertreter des Fördervereins Itzenplitz, sieht keine nicht wieder gut zu machenden Schäden an den Pingen, wie er Hartmann schrieb.