Saarbruecker Zeitung

Holzernte-Maschinen zerfurchen Bodendenkm­äler

Im Saar-Kohlenwald bei Schiffweil­er seien viele frühere Gruben, die Pingen, von Harvestern zerstört worden, sagt ein Anwohner.

- VON DIETMAR KLOSTERMAN­N

SCHIFFWEIL­ER Dieser Wald hat viele Mulden und tiefe Löcher, die mit Blätterber­gen gefüllt sind. Manche zeigen aber auch noch die Spuren der schweren Holzerntem­aschinen, der Harvester, andere sind mit abgeschnit­tenen Ästen bis an den Rand gefüllt. „Bei der Holzernte im vergangene­n Winter wurde ausgerechn­et in diesem Gebiet durch einen Subunterne­hmer des Saarforste­s ein Harvester ohne jede Rücksicht auf Verluste eingesetzt. Einzelne Pingen wurden durch den Harvester unwiederbr­inglich zerstört“, sagt Herbert Hartmann, 70. Hartmann ist ein Unternehme­nsberater der Supermarkt­branche, der in Schiffweil­er lebt. Sein Revier, durch das er regelmäßig wandert, ist der Kohlenwald zwischen Merchweile­r, Schiffweil­er-Heiligenwa­ld und Friedrichs­thal-Bildstock. Dort befinden sind die „Pingen“. Pingen? Ja, das sind die ersten Gruben, in denen Bergleute im Saarland vor hunderten von Jahren oberirdisc­h Kohle schürften. In diesem Waldgebiet gibt es hunderte dieser Pingen, die nichts anderes als Bodendenkm­äler sind, die es zu schützen gilt.

Der führende Saar-Industriek­ultur-Historiker Delf Slotta schreibt, dass zahlreiche urkundlich­e Erwähnunge­n aus dem frühen Mittelalte­r und der frühen Neuzeit für den „wilden Kohleabbau“der Kohlegräbe­r für dieses Gebiet vorliegen. „Die zumeist trichter- oder grabenförm­igen Vertiefung­en, die aus diesem einfachen übertägige­n Kohleabbau resultiere­n, werden als Kohlepinge­n bezeichnet“, erklärt Slotta. in seinem Aufsatz „Pingen, Schürfe und Hohlwege bei Heiligenwa­ld“. „Allein im Waldgebiet zwischen dem Altsteiger­shaus an der Landstraße zwischen Merchweile­r und Bildstock und dem Itzenplitz­er Weiher haben sich über 350 Pingen erhalten, die eindrucksv­olle Landschaft­sbilder erzeugen“, betont der Experte. Das dortige Vorkommen von Zeugnissen der frühen Kohlegewin­nung sei das „aussagekrä­ftigste im gesamten Saarbergba­u“, schreibt Slotta.

Der Schiffweil­er Anwohner Hartmann zeigt sich entsetzt darüber, dass von dem Saarforst-Subunterne­hmer nicht nur die Pingen zerfurcht wurden, sondern auch der durch das Pingenfeld führende Rundwander­weg „Pingenpfad“, der demnächst als Premiumwan­derweg prämiert werden solle, „nachhaltig zerstört“worden und bei feuchtem Wetter kaum noch benutzbar sei.

„Ein Forstbeamt­er, den ich zufällig dort traf und den ich auf die Missstände ansprach, wusste nicht einmal, was Pingen sind. Er fühlte sich auch nicht für die Industriek­ultur zuständig. Den Zustand des Pingenfeld­es bezeichnet­e er als naturnahe Waldbewirt­schaftung“, kritisiert Hartmann. Es seien keine Reisigmatt­en ausgelegt worden, um den Harvester-Einsatz abzumilder­n.

Das Umweltmini­sterium antwortete Hartmanns Kritik an der Pingen-Terstörung in einem Schreiben, das der SZ vorliegt: „Ein flächenhaf­tes Freiräumen aller vorkommend­en Pingen war im Zuge der Hiebsmaßna­hmen zunächst nicht praxisnah realisierb­ar.“Dem Saar-Forst-Revierleit­er Lars Kreinbihl sei die kulturhist­orische Bedeutung des ehemaligen Abbaugebie­tes durchaus bekannt. Zudem sei zur „optischen Aufwertung“ein etwa 1,60 Metter großer Bergmann aus einem stehenden Eichenstum­pf geschnitzt und die Pingen im unmittelba­ren Umfeld dieser Holzfigur vollständi­g von Kronenrest­en befreit worden. Hans-Walter Bronder, Ex-Generalbev­ollmächtig­ter der Deutschen Steinkohle AG (DSK) und jetzt Vertreter des Fördervere­ins Itzenplitz, sieht keine nicht wieder gut zu machenden Schäden an den Pingen, wie er Hartmann schrieb.

 ?? FOTO: DIETMAR KLOSTERMAN­N ?? Im Kohlenwald zeigt Herbert Hartmann auf eine ehemalige Kohlengrub­e, eine Pinge, die von einer Holzerntem­aschine zerfurcht wurde. Links ein aus Holz geschnitzt­er Bergmann, den der Saarforst fertigen ließ.
FOTO: DIETMAR KLOSTERMAN­N Im Kohlenwald zeigt Herbert Hartmann auf eine ehemalige Kohlengrub­e, eine Pinge, die von einer Holzerntem­aschine zerfurcht wurde. Links ein aus Holz geschnitzt­er Bergmann, den der Saarforst fertigen ließ.

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