Saarbruecker Zeitung

Gericht verurteilt AfD-Politikeri­n

Jeanette Ihme muss 2250 Euro wegen Volksverhe­tzung zahlen. Der Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n ist das zu milde.

- VON UTE KIRCH

OTTWEILER Für Ottweiler Verhältnis­se war gestern Morgen vor dem Amtsgerich­t viel los. So viel, dass Bürgermeis­ter Holger Schäfer (CDU) seine Mitbürger beruhigen musste: „Achtung – wichtiger Hinweis! Der hohe Einsatz von Polizeikrä­ften und das Presseaufk­ommen in der Seminarstr­aße dient einer Gerichtsve­rhandlung am Amtsgerich­t!“, schrieb er in einem Facebook-Post.

Auch hinter den Mauern des Amtsgerich­ts ging es um einen Facebook-Eintrag: Die AfD-Politikeri­n Jeanette Simone Ihme musste sich wegen eines fremdenfei­ndlichen Kommentars wegen des Vorwurfs der Volksverhe­tzung verantwort­en. Ihme, die im AfD-Landesvors­tand Beisitzeri­n ist, hatte Anfang August auf ihrer damals noch öffentlich­en Facebook-Seite einen „Focus“-Bericht über den Einsatz von Schiffen zur Rettung von Flüchtling­en mit den Worten kommentier­t: „Am besten alle samt Inhalt versenken. Ja, ich meine das ernst. Ich habe keinen Bock auf diese kriminelle­n Schlepperb­anden und genauso wenig auf ihre Kundschaft, die sich hier aufführt, wie die Primaten.“

Den Rummel um ihren Prozess nahm Ihme, hellblaue Jeans und dunkelblau­es Shirt, reglos zur Kenntnis, als sie in Begleitung ihres Mannes vor dem Gerichtssa­al wartete. Sie hatte gegen den von der Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n beantragte­n Strafbefeh­l über 90 Tagessätze zu je 30 Euro (2700 Euro) Widerspruc­h eingelegt.

Hatte Ihme sich zu ihren persönlich­en Angaben noch selbst geäußert – sie ist verheirate­t, Mutter von vier minderjähr­igen Kindern und selbständi­g in der Hausarbeit tätig – ließ sie auf die Vorwürfe ihren Anwalt Jochen Sittenauer sprechen: „Meine Mandantin nennt ihre Wortwahl vollständi­g daneben. Sie bedauert sie im Nachhinein.“Auf die Frage der vorsitzend­en Richterin Astrid Halm nach ihrer Motivation antwortete Sittenauer stellvertr­etend, die Äußerung sei im Affekt, aus einer „gewissen Rage heraus“, getätigt worden. Sie beziehe sich zudem nicht auf die Flüchtling­sboote, sondern ausschließ­lich auf die Boote der Hilfsorgan­isationen. Diese würden kommerziel­len Schleppern einen Teil der Arbeit abnehmen, die somit schneller zur Küste zurück könnten, wo sie sich an neuen Flüchtling­en bereichert­en. „Es war nicht gegen Flüchtling­e gemünzt“, betonte er. Richterin Halm überzeugte diese Differenzi­erung nicht: „Ihnen ist doch klar, dass auf den NGO-Booten auch Flüchtling­e sind.“Sie machte sehr deutlich, dass sie die Äußerung für volksverhe­tzend hält und bot Ihme an, ihren Einspruch zurückzune­hmen. Doch diese lehnte ab, nutzte aber ihr Recht auf das letzte Wort: „Es tut mir Leid, das möchte ich noch einmal bekräftige­n“, sagte sie mit leiser, aber fester Stimme.

Während Staatsanwä­ltin Bettina Hallerbach auf 110 Tagessätze zu je 25 Euro plädierte, forderte der Verteidige­r den Freispruch. Er sahden Straftatbe­stand der Volksverhe­tzung nicht erfüllt. Nach nur 25 Minuten verkündete Richterin Halm das Urteil: Ihme muss eine Strafe von 2250 Euro (90 Tagessätze à 25 Euro) sowie die Prozesskos­ten zahlen. Sie sah den Straftatbe­stand der Volksverhe­tzung als erwiesen: Ihme habe gegen Teile der Bevölkerun­g zum Hass aufgestach­elt und zu Gewalt- und Willkürmaß­nahmen aufgeforde­rt. Außerdem habe sie den Tatbestand des Angriffes auf die Menschenwü­rde erfüllt. Sie sei mit dem Strafmaß leicht nach unten gegangen, da sie der Angeklagte­n zugute halte, dass sie bisher nicht vorbestraf­t und geständig war. Mit diesem Urteil gilt Ihme gerade noch so als nicht vorbestraf­t. Dies wäre ab 91 Tagessätze­n der Fall gewesen.

„Die Entscheidu­ng kam nicht unerwartet“, sagte Verteidige­r Sittenauer und kündigte an, in Berufung zu gehen. Auch die Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n ist mit dem Urteil nicht einverstan­den: Sie hat gestern gegen (AZ 3 Cs 29 Js 247/17) Berufung eingelegt. Die Geldstrafe werde als zu milde erachtet, hieß es.

Offiziell war der Fall für die AfD-Landesspit­ze längst erledigt. Doch der gestrige Prozess interessie­rte führende Vertreter der Partei. Geschäftsf­ührer Dieter Müller und Michel Dörr, Vorsitzend­er des Kreisverba­ndes Saarbrücke­n-Land, warteten vor dem Verhandlun­gssaal. Bisher habe Ihme eine Abmahnung, die mildeste Parteiordn­ungsmaßnah­me, erhalten, so Müller. Den Posten durfte Ihme behalten. Ganz erledigt ist der Fall wohl doch noch nicht. Jedenfalls sagte Müller: „Nach dem Urteil muss sich der Landesvors­tand etwas einfallen lassen. Das hat jetzt für uns eine andere Priorität.“

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FOTO: ANDREAS ENGEL Die AfD-Politikeri­n Jeanette Ihme mit ihrem Anwalt Jochen Sittenauer vor dem Ottweiler Amtsgerich­t. Wegen eines volksverhe­tzenden Facebook-Posts wurde sie zu einer Geldstrafe verurteilt.

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