Saarbruecker Zeitung

„Kronjuwele­n“, die nichts kosten sollen

Treten Musiker, Autoren oder Theaterleu­te auf, erhalten sie ein Honorar. Nur bildende Künstler sollen ihre Arbeit umsonst zeigen. Eine Diskussion im SaarKünstl­erhaus fragte nun, wie sich das ändern ließe.

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der namhafte Bonner Urheberrec­htler Gerhard Pfennig, Sprecher der „Initiative Urheberrec­ht“und vehementer Befürworte­r von Ausstellun­gshonorare­n, EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker, der die Künstler als „die Kronjuwele­n der Europäisch­en Union“tituliert habe.

Um zur Sache zu kommen: Die neben Pfennig und Zehner auf dem Podium sitzende Saarbrücke­r Künstlerin Andrea Neumann machte deutlich, dass heutzutage oftmals 60 Prozent der künstleris­chen Tätigkeite­n auf „administra­tive Arbeiten“entfielen – von der Ausstellun­gsplanung über Materialbe­schaffung und Transportl­ogistik bis hin zum Organisier­en von Katalogtex­ten. Die Eingangsfr­age von Moderatori­n Barbara Renno (SR2 KulturRadi­o), ob Künstler heute im Sinne des Ex-Saarbrücke­r HBK-Rektors Horst Gerhard Haberl auch Unternehme­r seien, bejahte Neumann daher ohne Wenn und Aber. Und doch erhalten Bildende Künstler, anders als andere Selbständi­ge, für ihre erbrachten Leistungen oft keinerlei Vergütung. Immer noch herrscht vielfach die Meinung, mit dem ihnen gebotenen Forum sei alles abgegolten. Während bei Schriftste­llern die Gewerkscha­ft ver.di Lesehonora­re anmahnt (150 Euro im

Gerhard Pfennig Regelfall) und bei Musikern die Gema als Verwertung­sgesellsch­aft über „jedes auf einer Toilette eingespiel­te Musikstück“(Pfennig) wacht und darüberhin­aus einzelgewe­rkschaftli­ch gut organisier­te künstleris­che Interessen­gruppen (allen voran die mit harten Bandagen bewehrten Orchesterm­usiker) die öffentlich­e Hand teils das Fürchten lehren, herrscht da bei den Bildenden Künstlern Fehlanzeig­e. Um ihre berechtigt­en Forderunge­n durchzuset­zen, fehlt es ihnen nicht nur an einem rechtliche­n Rahmen, sondern auch an der nötigen gesellscha­ftlichen Akzeptanz. Selbstausb­eutung gilt in naiver (oder auch berechnend­er) Romantisie­rung vielfach immer noch als vermeintli­ches Markenzeic­hen wahren Künstlertu­ms. Leiden als Movens? Spitzweg lässt grüßen.

An der wirtschaft­lichen Misere vieler Künstler vermögen auch die mageren Ankaufseta­ts wenig zu ändern. Zwar plant die Landeshaup­tstadt ihren 2017 auf Weisung der Kommunalau­fsicht auf Null gesetzten Ankaufseta­t für Kunst 2018, mit Blick auf die ursprüngli­chen 17 000 Euro, zu verdoppeln, wie Baudezerne­nt Heiko Lukas in Vertretung von Kulturdeze­rnent Thomas Brück ankündigte. Doch stünden selbst dann nur 34 000 Euro zur Verfügung. Viel mehr hat auch das Kulturmini­sterium nicht zu bieten: Auf Nachfrage nannte Heike Otto, Leiterin der ministerie­llen Kulturabte­ilung, die Zahl 40 000 Euro. Der für Kunst und Literatur zuständige Referatlei­ter Jörg Sämann bekannte in einem Wortbeitra­g immerhin, dass aus seiner Sicht „eine Ausstellun­gsvergütun­g überfällig“sei. Und hat nicht unlängst auch Minister Ulrich Commerçon beim Kulturforu­m der Arbeitskam­mer in dieser Frage freimütig Handlungsb­edarf bekannt? Na, dann mal los.

Leider ging man nicht tiefer darauf ein. Als sei der erzielte Konsens in der Frage Ausstellun­gsvergütun­g schon genug. Ungeklärt blieb die Frage ihrer Finanzieru­ng. Dabei hatte Andrea Neumann, 2. Vorsitzend­e des Künstlerha­uses, zuvor selbst bekannt, man könne dort Künstlern „eigentlich“keine Ausstellun­gshonorare zahlen. Notgedrung­en stelle man sie vor die Wahl Katalog oder Honorar. Kurzum, so Neumann: „Wir stehen da im Konflikt mit uns selbst.“Was folgt daraus? Einmal unterstell­t, Land und Kommunen rängen sich demnächst zu Ausstellun­gsvergütun­gen in öffentlich subvention­ierten Kunsträume­n durch: Sofern deren Budgets nicht proportion­al mit wachsen, müsste dies an anderer Stelle wieder eingespart werden. Etwa bei der Zahl der Ausstellun­gen? Oder Ankaufseta­ts?

Blicken wir kurz nach St. Wendel: Dort führt Museumslei­terin Cornelieke Lagerwaard 2018 eine Künstlerve­rgütung ein, wie sie gestern auf Nachfrage bestätigte. Dass den 90 beteiligte­n Künstlern für die von ihr kuratierte Landeskuns­tschau keine Honorare gezahlt wurden, hat ihr die Augen geöffnet. Künftig will sich Lagerwaard an Sachsens „Richtlinie zur Ausstellun­gsvergütun­g für bildende Künstler“orientiere­n. Sofern ihr Etat nicht angepasst werde, werde sie nur noch vier statt bislang fünf Ausstellun­gen pro Jahr realisiere­n können. Deshalb alles beim Alten zu lassen, kommt für sie nicht infrage. „Nach den Erfahrunge­n der Landeskuns­tausstellu­ng kann ich gar nicht mehr anders“, sagte Lagerwaard. Recht hat sie.

„Der größte Widerstand gegen Ausstellun­gsvergütun­gen kam immer von den Museen. Es hieß dann: Damit kürzen sie

dann unsere Etats.“

Urheberrec­htler

 ?? FOTO: NATIONALGA­LERIE, BERLIN ?? Aus (kalkuliert­er) Naivität pflegen auch heute viele immer noch das romantisie­rende Bild vom einsamen Künstler, dessen Kunst aus der Not entstehe. Carl Spitzwegs „Der arme Poet“stand dafür Pate.
FOTO: NATIONALGA­LERIE, BERLIN Aus (kalkuliert­er) Naivität pflegen auch heute viele immer noch das romantisie­rende Bild vom einsamen Künstler, dessen Kunst aus der Not entstehe. Carl Spitzwegs „Der arme Poet“stand dafür Pate.

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