Alle Wünsche kann Bierhoff bei Quartier-Suche nicht erfüllen
Bundestrainer Joachim Löw will in die Sonne. Doch der Standort Sotschi bedeutet viel mehr Reisestress als Moskau oder die Industriestadt Ramenskoje.
MOSKAU (sid) Der Frost glitzert an den weltberühmten Zwiebeltürmen des Kreml, der Rote Platz ist weiß vom Schnee. Da sind ein paar warme Gedanken ganz hilfreich. „Joachim Löw möchte immer in die Sonne“, berichtet Oliver Bierhoff über die knifflige Quartiersuche der deutschen Fußball-Weltmeister für die WM 2018 in Russland. Die Sonne. Die Wärme. Das Meer. Also: Sotschi.
Ob der Nationalmannschaftsmanager Bierhoff seinem Bundestrainer diesen Wunsch erfüllen kann oder möchte, auch das entscheidet sich morgen bei der Auslosung der Vorrundengruppen in Moskau. Die Zusammenstellung der Gruppe und damit der Spielorte hat entscheidenden Einfluss auf die Planung: Sotschi, das Paradies am Schwarzen Meer, deutsches Basislager beim Confed-Cup-Sieg – oder die Region um die Hauptstadt Moskau, womöglich das schmucklose, 45 Kilometer vorgelagerte Ramenskoje?
Es geht um weit mehr als nur die Reduzierung von Reisestress oder die geliebte Abgeschiedenheit. Es ist nicht gleich, wo die Herren Nationalspieler im Luxus schwelgen, wie sich spöttisch sagen ließe. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) misst dem WM-Quartier enorme Bedeutung bei. Das „Campo Bahia“in Brasilien, von Kunstberatern ausgeschmückt, hineingebaut in ein Naturschutzgebiet und nur mit der Fähre zu erreichen, hat im Nachhinein beinahe mythische Verklärung erfahren. Es war der Geist von Spiez, übertragen ins neue Jahrtausend. „So etwas kann man nicht überall hinbauen“, sagt Bierhoff.
Besonders die Reisen durchs russische Riesenreich bereiten ihm Kopfzerbrechen. Wie sind Atmosphäre und Lage exakt zu gewichten? Wie die Nähe zum Flughafen gegenüber der Ruhe, Heimeligkeit, Wärme, Weite? Ein paar tausend Kilometer mehr für das Meer? „Ich bin immer für die Sonne. Ich vertraue aber dem DFB, aus Erfahrung“, sagt Nationalspieler Toni Kroos. Bierhoff verharrt im Startblock, mit wachsender Ungeduld.
Die Fakten sind eindeutig. Einerseits finden mehr WM-Spiele in den beiden Moskauer Stadien statt als in Sotschi. Die drei Vorrundenspiele jeder Nation in den acht Gruppen werden zudem in drei unterschiedlichen Städten ausgetragen. Andererseits sind auch danach Strapazen programmiert, bis zu einem möglichen Halbfinale kommen zwei weitere längere Reisen hinzu. Dabei ist es besonders zum Turnierende hin wichtig, die Belastung für die Spieler gering zu halten. Nicht von ungefähr nennt Bierhoff Sotschi „die Stadt der langen Wege“.
Das spricht für Moskau oder Ramenskoje, eine kleine Industriestadt direkt beim Flughafen Schukowski, umsäunt von dichten Fichtenwäldern. Ein eher herber Charme, verglichen mit der Sonnenküste. Es wäre ein Kompromiss zugunsten der perfekten Lage. „Es sind viele Aspekte zu beachten, auch logistische“, sagt Bierhoff. Der Manager wird die Auslosung etwas anders sehen als sein Bundestrainer, den zuvorderst das Sportliche und damit die einzelnen Gegner in der Vorrunde interessiert. Wann, wo, was dann, das sind seine Fragen. Morgen werden sie beantwortet.