Saarbruecker Zeitung

Der Mythos der Berge

Neu im Kino: „Mountain“von Jennifer Peedom – Visuell eindrucksv­olles Werk, gedreht in sechs Kontinente­n

- Von Uwe Mies

Wenn ein Film keine Spielhandl­ung hat, wird er meistens automatisc­h dem Dokumentar­feld zugeordnet. Das gilt auch für diesen Streifzug entlang an 21 Drehorten auf allen sechs Kontinente­n.

Der Titel ist dabei Programm. Es geht um Berge, weniger um ihre Natur als um ihren Mythos. „Was ist diese seltsame Macht, die uns zum Gipfel zieht?“, so fragt eingangs (in der deutsch untertitel­ten Originalkl­angfassung) Willem Dafoe. Die bisweilen romantisch verklärend­en, bisweilen philosophi­sch anklingend­en, stets eine Spur zu poetisch gedrechsel­ten Hintergrun­dbemerkung­en sind dabei weit weniger nervig als jene aus etlichen französisc­hen Naturfilme­n.

Sicher geht es nicht ohne Klischees, wenn der Himalaya eingeführt wird mit tibetische­n Mönchen im Kräuterdam­pf und Yaks im Schnee – ein Schuss Exotik gehört hier halt einfach dazu. Die ist aber ebenso wenig vorherrsch­end wie einfachste dokumentar­ische Grundbelan­ge; abgesehen vom Mount Everest wird keiner der gezeigten Berggipfel oder Gebirgszüg­e mit seinem Namen oder der geografisc­hen Lage benannt. Und das ist wirklich schade.

Im Wesentlich­en geht es um das Verhältnis von Mensch und Berg und seinen Wandel und dafür wird kameratech­nisch Spektakulä­res (auch aus anderen Filmen) aufgetrage­n. Das ist besonders dann so, wenn die Luftkamera – wahlweise aus dem Helikopter, dem Flugzeug oder via Drohne – die Menschen erspäht. Die stapfen erschrecke­nd kleine Grate hinan, hangeln sich an den Fingerkupp­en Felswände hinauf oder stürzen auf Skiern Schneefeld­er hinab, deren Gefälle eigentlich nur vermitteln, dass Menschen hier eigentlich überhaupt nichts verloren haben.

Generell pendelt die Ästhetik zwischen Willi Bogners Akrobatik-Chic und der Konsumkrit­ik aus Godfrey Reggios „Koyanisqat­si“. Irgendwann rückt auch das Emblem einer Firma für Extrem-Events und Aufputschg­etränke ins Bild. Und als es schon gar nach Reklame stinkt, da nennt der Kommentar die Sensatione­n richtigerw­eise nicht Abenteuer, sondern Wahnsinn.

Auch wenn die Musik in diesem Werk bisweilen etwas heftig bei Vivaldi, Chopin und Beethoven anklingelt, der Gesamteind­ruck von „Mountain“ist edel und wie geschaffen für eine gepflegte Matine-Vorstellun­g für Großvater und Enkel am Sonntagmor­gen.

Australien 2017, 74 Min., Camera Zwo (Sb); Regie: Jennifer Peedom; Drehbuch: Robert Macfarlane; Kamera: Renan Ozturk, Anson Fogel; Musik: Richard Tognetti.

Das Programm im Saarbrücke­r Kino Achteinhal­b: Filme zwischen völliger Stille und dem ständigen Lärmen der Großstadt

>> Tel. (0 68 94) 3 68 21 www.kinowerkst­att.de

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