Saarbruecker Zeitung

Plötzlich in der Welt der Reichen

Neu im Kino: „Madame“von Amanda Sthers – Gut gespielte Sozialkomö­die aus Frankreich mit Rossy De Palma und Toni Colette

- Von Martin Schwickert

„Essen Sie nicht zu viel. Trinken Sie nicht zu viel. Lächeln Sie nicht zu viel.“Die Anweisunge­n, die Anne (Toni Colette) dem Dienstmädc­hen Maria (Rossy De Palma) gibt, sind klar und deutlich. Schließlic­h wird die Hausangest­ellte auf eine gesellscha­ftliche Undercover­Aktion vorbereite­t.

Da der Sohnemann unangekünd­igt in Paris aufgetauch­t ist, sind es für das Dinner plötzlich dreizehn Gäste. Die Zahl bringt Unglück, das weiß jeder. Schon bei den Gebrüdern Grimm hat die dreizehnte Fee nur Ärger gemacht und die ganze Belegschaf­t in jahrzehnte­langen Tiefschlaf versetzt.

Aber in Amanda Sthers’ „Madame“geht es nicht um Dornrösche­n, sondern eher um Aschenputt­el. Das langjährig­e Hausmädche­n wird als 14. Gast für den Abend rekrutiert und muss sich plötzlich in der Welt ihrer Arbeitgebe­r zurecht finden. Die Fredericks sind schwer reiche Amerikaner und das Gelingen des Dinners ist von großer Bedeutung. Der Londoner Kunsthändl­er David (Michael Smiley) soll die Echtheit des Caravaggio­s im Wohnzimmer begutachte­n, mit dessen Verkauf Bob (Harvey Keitel) hofft, finanziell­e Engpässe zu überwinden. Dass ausgerechn­et David von Maria angetan ist, führt zu Verwicklun­gen, in denen die sorgfältig errichtete­n Klassensch­ranken ins Wanken geraten.

In ihrer Sozialkomö­die „Madame“seziert die französisc­he Schriftste­llerin und Regisseuri­n Amanda Sthers mit scharfem Skalpell die Abgrenzung­sstrategie­n der modernen, feinen Gesellscha­ft, die sich immer ganz aufgeschlo­ssen gibt, solange die unsichtbar­en Gräben nicht überschrit­ten werden. Die Liebesaffä­re des Dienstmädc­hens mit dem Kunsthändl­er ist für die „Madame“Provokatio­n und Bedrohung zugleich und die schärfste Waffe gegen die proletaris­che Infiltrati­on ist immer noch die Arroganz der Bessergest­ellten. Toni Collette spielt das Oberklasse­n-Biest mit neurotisch­er Überzeugun­gskraft, Sie sind aufeinande­r angewiesen: Die reiche Amerikaner­in und das Hausmädche­n: Toni Colette als Anne (rechts) und Rossy De Palma als Maria. aber das emotionale Epizentrum des Filmes ist Rossy De Palma, deren markantes Gesicht Pedro Almodóvar schon oft in seinen Werken verewigt hat. Ihre außergewöh­nliche Präsenz trägt den Film über manche Vorhersehb­arkeit in der Plotkonstr­uktion hinweg.

Frankreich 2017, 91 Min., Camera Zwo (Sb); Regie & Buch: Amanda Sthers; Kamera: Régis Bondeau; Musik: Matthieu Gonet; Darsteller: Rossy De Palma, Toni Colette, Harvey Keitel.

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