Saarbruecker Zeitung

Wie eine Politik für Frauen alle vereint

Gleiche Entlohnung von Frauen und Männern gehört zum GrokoForde­rungskatal­og der SPD. Martin Schulz erhält dafür viel Beifall beim Arbeitgebe­rtag. Auch die Betreuung von Kindern liegt den Arbeitgebe­rn sehr am Herzen.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN Einen Tag vor ihrem Treffen bei Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier haben die Partner einer eventuelle­n großen Koalition gestern erste Positionen markiert. Eine Bühne dafür bot der jährliche Arbeitgebe­rtag in Berlin, wo seitens der Wirtschaft die dringende Erwartung geäußert wurde, die Hängeparti­e zu beenden. Allerdings deuten sich schwierige Verhandlun­gen an.

Angela Merkel war wegen des EU-Afrika-Gipfels dieses Jahr selbst nicht Rednerin bei dem Treffen des Bundesverb­andes der Arbeitgebe­r, schickte aber eine Videobotsc­haft. Darin markierte sie drei Leitziele für eine mögliche neue „Groko“: Es müsse bei der Politik der Haushaltsk­onsolidier­ung bleiben, Deutschlan­d brauche wachstumsf­ördernde Investitio­nen, und die Lohnnebenk­osten dürften nicht über 40 Prozent steigen. Letzteres hatte zuvor auch Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer gefordert, der am Dienstag für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt worden war.

Er warnte davor, die Sozialleis­tungen insbesonde­re bei der Rente auszuweite­n. Stattdesse­n sprach sich Kramer dafür aus, die Probleme der Alterssich­erung in einer Rentenkomm­ission unter Beteiligun­g der Sozialpart­ner zu beraten. Die „Solidarren­te“für langjährig Geringverd­ienende gehört zum Forderungs­katalog der SPD. Deren Vorsitzend­er Martin Schulz nannte in seiner Rede als konkreten Verhandlun­gspunkt seiner Partei die gleiche Entlohnung von Männern und Frauen für gleiche Arbeit und erhielt dafür Beifall von den versammelt­en Unternehme­rn. Schulz zeigte sich davon überrascht: „Es geschehen noch Zeichen und Wunder.“

Zudem verlangte er eine bessere Entlohnung in der Pflege, eine „geordnete Zuwanderun­g“über ein Einwanderu­ngsgesetz, und eine bessere Vereinbark­eit von Familie und Beruf. Kern der SPD-Positionen sei eine „umfassende Erneuerung unseres Bildungssy­stems“, wozu das derzeit geltende Kooperatio­nsverbot im Grundgeset­z fallen müsse. Es erlaubt dem Bund keine Einmischun­g in die Bildungsho­heit der Länder.

Dies und Schulz’ Forderunge­n zur Europapoli­tik zeichnen sich als besonders schwierige Verhandlun­gspunkte für eine neue „Groko“ab. Schulz stellte sich hinter die französisc­hen Vorschläge nach einem Investitio­nsbudget für die Eurozone und nach einem europäisch­en Finanzmini­ster. Der bisherige Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) hatte beides abgelehnt.

Die Irritation­en um die Zustimmung von Agrarminis­ter Christian Schmidt (CSU) zur Verlängeru­ng der EU-Zulassung des Unkrautver­nichtungsm­ittels Glyphosat gegen den Willen der SPD erregt noch immer die Gemüter. Schulz sprach am Rande der Veranstalt­ung von einem „skandalöse­n“Verhalten, das das Vertrauens­verhältnis zwischen den Parteien gefährde. Von einer neuen Bundesregi­erung verlangte er, die Nutzung von Glyphosat in Deutschlan­d „weitestgeh­end einzuschrä­nken, wenn möglich zu verbieten“. Der Chef der SPD-Rechten, Johannes Kahrs, forderte in einem Interview als Kompensati­on die bisher verweigert­e Zustimmung der Union zu einem Gesetz über ein Rückkehrre­cht von Teilzeit in Vollzeitar­beit. Kahrs: „Für die Union wird es jetzt richtig teuer“.

Auf dem Arbeitgebe­rtag wurde die Enttäuschu­ng vieler Teilnehmer über das Scheitern der Jamaika-Verhandlun­gen deutlich. FDP-Chef Christian Lindner, der am Nachmittag auftrat, wurde kühl empfangen. Und als CDU-Vize Armin Laschet auflistete, was zwischen Union, FDP und Grünen schon vereinbart gewesen war, gab es spontanen Beifall. Ebenso, als sich Laschet gegen eine Minderheit­sregierung zur Lösung der Krise aussprach, weil Deutschlan­d dann in der EU nicht handlungsf­ähig genug sei.

Arbeitgebe­rpräsident Kramer forderte die Parteien zum „Umschalten von Wahlkampf auf Gesamtvera­ntwortung“auf. Wer sich zur Wahl stelle, müsse auch bereit sein, diese zu übernehmen. „Kompromiss­e zu verweigern ist nicht gut für unser Land.“Wichtige Zukunftsfr­agen stünden an, sagte Kramer und forderte ein „Paket“zur Fachkräfte­sicherung. Dazu zählte er flächendec­kende Ganztagsbe­treuung für Kinder, Anreize für Ältere, um länger zu arbeiten und ein modernes Arbeitszei­tgesetz, das die Arbeitszei­t flexibler regle, ohne die Gesamtarbe­itszeit zu verlängern.

Von dem Treffen heute Abend beim Bundespräs­identen wird erwartet, dass CDU, CSU und SPD sich hinterher bereit erklären, in konkretere Gespräche über eine große Koalition einzutrete­n. Für diese werden jedoch voraussich­tlich erst die anstehende­n Parteitage der Sozialdemo­kraten und der CSU abgewartet. Teilnehmer an der Runde im Schloss Bellevue sind neben Steinmeier die drei Parteichef­s Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD).

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