Saarbruecker Zeitung

Die SPD verschweig­t wieder lustvoll ihre Erfolge

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Fehler sind eigentlich dazu da, um daraus zu lernen. Die SPD versteht sich eher auf ihre lustvolle Wiederholu­ng. Schon in der großen Koalition der vergangene­n vier Jahre hatte man lautstark beklagt, was man alles nicht durchsetze­n konnte. Und auch nach den jüngsten Sondierung­en mit der Union thematisie­ren führende Genossen lieber die sozialdemo­kratischen Defizite beim Verhandlun­gsergebnis als die eigenen Erfolge. Wer schlecht über sich redet, der kommt allerdings auch beim Wähler nicht gut an – und verstärkt die ohnehin schon reichlich vorhandene Skepsis in den eigenen Reihen. Dabei ist es noch keiner 20-Prozent-Partei gelungen, ihr Wahlprogra­mm zu 100 Prozent in einen Koalitions­vertrag zu schreiben.

SPD-Vize Malu Dreyer und Vorstandsm­itglied Michael Müller zum Beispiel wollen sich nicht damit abfinden, dass die Bürgervers­icherung nicht kommt. Ihre Partei hat sich aber auch nicht um ein schlüssige­s Konzept dafür gekümmert. Erst nach den gescheiter­ten Jamaika-Verhandlun­gen kam das Schlagwort wieder zur Blüte, weil die SPD glaubte, damit eine plakative Forderung vergleichb­ar der des Mindestloh­ns zu landen. Doch während der Mindestloh­n tatsächlic­h plakativ zu vermitteln war, ist die Bürgervers­icherung eher ein abstraktes Unterfange­n. Von einer Beitragsza­hlung auf Mieteinnah­men oder Kapitalert­räge hatte sich die Partei ohnehin schon verabschie­det, weil die Krankenkas­sen ansonsten zum zweiten Finanzamt werden würden. Auch lassen sich Privatkass­en nicht mal eben abschaffen. Für die Altersrück­stellungen ihrer Versichert­en müsste ebenfalls eine Lösung gefunden werden, die den verfassung­srechtlich­en Anforderun­gen standhält. Und ob sich die viel beklagten längeren Wartezeite­n von Kassenpati­enten beim Arzt durch eine Einheitsve­rsicherung entscheide­nd verkürzen würden, steht ebenfalls dahin. So betrachtet hat die SPD in den Sondierung­en mit der Union sogar gut dran getan, sich nicht für etwas zu verkämpfen, für das sie sich später hätte sogar blamieren können, sondern erst einmal das Naheliegen­de durchzuset­zen: die Wiederhers­tellung der jeweils hälftigen Beitragsza­hlung von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern.

Auch beim Kapitel Steuern und Abgaben braucht sich die

SPD nicht zu verstecken. In Zeiten ständig neuer Rekordeinn­ahmen stand die Partei mit ihrer Forderung nach einer Anhebung des Spitzenste­uersatzes realistisc­h betrachtet von vornherein auf verlorenem Posten. Dafür hat sie aber für mehr Verteilung­sgerechtig­keit gesorgt, indem niedrige Einkommen von Sozialbeit­rägen entlastet werden und die längerfris­tige Abschmelzu­ng des Solidaritä­tszuschlag­s einer sozialen Staffelung unterliegt. Besserverd­iener werden ihn am längsten zahlen.

Solche Beispiele finden sich in der Sondierung­svereinbar­ung reichlich. Wem sie völlig gegen den Strich geht, wie etwa Juso-Chef Kevin Kühnert, der sollte die Alternativ­en bedenken. Dass eine Bundesregi­erung ohne Beteiligun­g der SPD für mehr Gerechtigk­eit im Land sorgen könnte, ist jedenfalls nicht zu erwarten.

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