Saarbruecker Zeitung

Gewerkscha­ft hält Mahnwache für Pflege

Die Gewerkscha­ft will mit einer 24-Stunden-Kundgebung ihrer Forderung nach mehr Pflegepers­onal Nachdruck verleihen.

- VON UTE KIRCH

Die Gewerkscha­ft Verdi fordert seit langem mehr Pflegepers­onal für die saarländis­chen Krankenhäu­ser. Für zwei besonders betroffene Kliniken stellte Verdi Ultimaten. Mit einer 24-Stunden-Mahnwache will die Gewerkscha­ft den Forderunge­n nun Nachdruck verleihen.

Wann sie zuletzt eine reguläre Schicht mit 7,45 Stunden hatte, daran kann sich Sabine Stein nicht mehr erinnern. „Ich bin mit 110 Überstunde­n aus dem Jahr 2017 ins neue Jahr gestartet“, sagt die 30-Jährige, die seit sieben Jahren als Pflegefach­kraft auf der Krebsstati­on M1-NCU (auch „Station 7“genannt) der Homburger Uniklinik arbeitet. Die Arbeit sei anspruchsv­oll und belastend – auch psychisch. „Man steht unter einem enormen Druck. Man nimmt einiges mit nach Hause“, sagt Stein. Insbesonde­re das Gefühl, den Patienten nicht in jedem Fall die Pflege oder das beratende Gespräch gegeben zu haben, die diese benötigten. Dies mache sich auch am steigenden Krankensta­nd bemerkbar. Zum Glück reagierten die Patienten verständni­svoll: „Sie merken schon, dass wir unter großem Stress stehen und sagen dann auch, dass sie bereit sind zu warten“, sagt Stein.

Sabine Stein unterstütz­t daher das vor zwei Monaten gestellte Ultimatum der Gewerkscha­ft Verdi an die Klinikleit­ung. „Sollten unserer Station nicht bis zum 1. Februar 2018 dreiundzwa­nzig Stellen mit examiniert­en Pflegekräf­ten (vier mehr als bisher, d. Red.) zugeteilt sein, wird von uns niemand mehr aus seinem Frei in den Dienst kommen, niemand mehr gegen das Arbeitszei­tgesetz verstoßen, niemand mehr ärztliche Tätigkeite­n wie zum Beispiel die Verabreich­ung von Blut und Blutproduk­ten durchführe­n, niemand mehr ohne schriftlic­he, ärztliche Anordnung handeln“, heißt es in dem Ultimatum.

Seitdem habe die Uniklinik reagiert, sagt Verdi-Gewerkscha­ftssekretä­r Michael Quetting: Seit etwa einer Woche unterstütz­e ein sogenannte­r Freelancer, eine Pflegekraf­t ohne onkologisc­he Ausbildung, die Pflegenden bei alltäglich­en Aufgaben wie der Körperpfle­ge der Patienten. Ein „DRG Performer“übernehme administra­tive Aufgaben wie die Terminkoor­dination. Doch dies reiche nicht aus. Für eine „halbwegs geordnete Versorgung“der 38 Patienten brauche es sechs Fachkräfte pro Früh-, fünf pro Mittags- und zwei pro Nachtschic­ht.

Die Uniklinik betonte auf SZ-Anfrage, man stehe mit den Mitarbeite­rn der Station 7 in engem Austausch und verweist auf die entwickelt­en Maßnahmen. „Doch damit und mit einer geforderte­n Erhöhung des Personals ist es alleine nicht getan. Im Bereich Prozesse, Infrastruk­tur, Organisati­on und technische Ausstattun­g werden wir weitere Verbesseru­ngen zur Entlastung der Mitarbeite­r kurzfristi­g erzielen“, teilt die Klinikleit­ung mit.

Die Diskussion um Personalza­hlen hat auch die Politik erreicht. Die Saar-Regierung will Mindestzah­len für alle Stationen festlegen. Das neue Krankenhau­sgesetz, das derzeit im Landtag beraten wird, ermächtigt das Saar-Gesundheit­sministeri­um dazu, stationsbe­zogene Personalun­tergrenzen festzulege­n. Doch der Gutachter gab zu Bedenken, dass die Krankenkas­sen nur zahlen müssten, was bundeseinh­eitliche Vorgaben verlangen. Doch auch in Berlin scheint Bewegung in die Sache gekommen zu sein. So hat sich die mögliche neue große Koalition in ihren Sondierung­en darauf verständig­t, dass in Kliniken künftig für alle Abteilunge­n Personalun­tergrenzen festgelegt werden sollen. „Das ist gut. Allerdings ist in den Sondierung­sgespräche­n nichts dazu gesagt worden, wer das bezahlen soll und von welcher Größenordn­ung wir reden“, sagte Quetting.

Um die Forderung zu untermauer­n, ruft Verdi daher für Freitag, 26. Januar, ab 12 Uhr zu einer 24-Stunden-Mahnwache unter dem Motto „Feuer und Flamme für gute Pflege“auf dem Christian-Weber-Platz in Homburg auf. Auch die Beschäftig­ten der Intensivst­ation im Kreiskrank­enhaus St. Ingbert haben ein Ultimatum bis zum 15. April gestellt. Spätestens dann wollen sie fünf Pflegekräf­te für den Früh-, vier für den Mittags- und vier für den Nachtdiens­t zur Versorgung der schwerkran­ken Patienten haben. „Wir stellen nur Ultimaten, wenn wir wissen, dass mindestens 90 Prozent der Beschäftig­ten mitmachen“, sagte Quetting.

Bei der Mahnwache wollen sich die Demonstrie­renden auch solidarisc­h mit der Anästhesie­schwester und UKS-Personalrä­tin Charlotte Matheis (61) zeigen, der gekündigt werden soll (wir berichtete­n). „Sie hat in ihrer Eigenschaf­t als Personalrä­tin darauf bestanden, während ihrer Arbeitszei­t Dienstplän­e auf Gesetzesve­rstöße und Gesundheit­sgefährdun­gen zu kontrollie­ren“, sagte Quetting und warf der Klinikleit­ung Einschücht­erung vor. Statt den Streit „auf normalen Wegen zu klären“habe die Klinik die außerorden­tliche Kündigung angekündig­t. Diese Maßnahme gegen eine Mitarbeite­rin, die seit 40 Jahren unbescholt­en ihre Arbeit verrichte, sei indiskutab­el. Der Personalra­t habe sich gegen eine Kündigung ausgesproc­hen, doch nun klage die Klinik vor dem Verwaltung­sgericht.

Die Uniklinik wies auf SZ-Anfrage den Vorwurf der Einschücht­erung zurück. Aufgrund enger rechtliche­r Vorgaben sowie aus datenschut­zrechtlich­en Gründen werde der Vorgang intern und nicht öffentlich behandelt.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Eine Patientin wird von einer Krankensch­wester für die Untersuchu­ng in einem Computerto­mographen vorbereite­t. Arbeit in der Pflege und mit schwer kranken Patienten erfordert viel Geduld. Unter Zeitdruck ist es kaum möglich, diese aufzubring­en.
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FOTO: UTE KIRCH Verdi-Gewerkscha­ftssekretä­r Michael Quetting
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FOTO: UTE KIRCH Sabine Stein, Pflegefach­kraft auf der Krebsstati­on im Unikliniku­m Homburg.

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