Saarbruecker Zeitung

Trotz geringerer Asyl-Zahlen bleiben die Probleme groß

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Wenigstens jetzt ist kein Platz mehr für politische Hysterie: Die Zahl der in Deutschlan­d registrier­ten Asylbewerb­er ist deutlich im Sinkflug. Dadurch bekommt auch das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e sein Arbeitspen­sum immer besser in den Griff. Das umso mehr, als in dieser Behörde mittlerwei­le die verkrustet­en Strukturen weitgehend der Vergangenh­eit angehören. Es gibt mehr Personal und vor allem neue Techniken zur besseren Überprüfun­g der Identität ankommende­r Flüchtling­e. Diese Tatsachen sollten zur Versachlic­hung der bisweilen immer noch hitzigen Diskussion beitragen – auch wenn damit längst nicht alle Probleme gelöst sind.

Zunächst einmal belegt die jüngste Entwicklun­g, dass das vor zwei Jahren geschlosse­ne EU-Abkommen mit der Türkei deutlich besser ist als sein anfänglich­er Ruf. Durch diese Vereinbaru­ng konnte die unkontroll­ierte Flucht über die Ägäis nach Griechenla­nd und damit in die Europäisch­e Union stark eingedämmt werden. Auch Libyen ist nicht mehr das Land, in dem Schlepperb­anden ungestört ihr illegales Geschäft betreiben können, nachdem die EU dort ebenfalls aktiv geworden ist.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass in den letzten Wochen und Monaten stattdesse­n die Fluchtbewe­gungen über das Mittelmehr nach Spanien deutlich zugenommen haben. Womit schon das Grundprobl­em beschriebe­n wäre: So lange die Fluchtursa­chen nicht beseitigt sind, werden Betroffene immer Mittel und Wege finden, aus ihrer Heimat zu fliehen, um anderswo ein besseres Leben zu finden. Und an dieser Stelle ist leider keine Entspannun­g in Sicht. Im Gegenteil. Syrien bleibt ein Pulverfass. Jetzt gehen Washington und Ankara dort zur offenen Konfrontat­ion über. Auch der Iran wird destabilis­iert, wenn die USA früher oder später das Atomabkomm­en mit Teheran aufkündige­n. Und auf dem afrikanisc­hen Kontinent gibt es ebenfalls zahlreiche Brandherde, die nicht morgen verschwind­en werden.

Schaut man sich vor diesem Hintergrun­d den Sondierung­sbeschluss von Union und SPD an, dann bleibt ein bitterer Beigeschma­ck. Mehr als 180 000 bis 220 000 jährlich ankommende Flüchtling­e sind demnach nicht verkraftba­r. Nur, was ist, wenn sich die Realität nicht an die Vorgabe hält? Kündigt die Bundesregi­erung dann die Genfer Flüchtling­skonventio­n auf? So konkret, wie Union und SPD bei diesen Zahlen sind, so nebulös bleiben sie bei der Bekämpfung der Fluchtursa­chen. Vom „Ausbau humanitäre­n Engagement­s“ist da wolkig die Rede und davon, die Entwicklun­gszusammen­arbeit zu „verbessern“. Worte aus dem Reich der Phrasen.

Sollen die Flüchtling­szahlen auf Dauer niedrig bleiben, braucht es mehr als fromme Lippenbeke­nntnisse. Eine bessere Flüchtling­sverteilun­g in Europa und konsequent­ere Abschiebun­gen sind genauso notwendig wie eine EU-Agrarpolit­ik, die afrikanisc­hen Bauern Chancen lässt, sich am heimischen Markt zu behaupten, anstatt durch subvention­ierte Billignahr­ung aus Europa kaputt zu gehen. Gern wird keiner zum Flüchtling.

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