Saarbruecker Zeitung

Von schlechten Gewohnheit­en

Wohl jeder Mensch pflegt mehr oder weniger seltsame Gewohnheit­en. Es muss ja nicht jeder mitkriegen. Manchmal aber lässt es sich nicht vermeiden. Etwa dann, wenn eine Wanderbaus­telle einige Tage vor der Haustür der SZ-Redakteuri­n gastiert.

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Die Herren beginnen pünktlich, das muss man ihnen lassen. Ich nehme ich es ihnen nicht krumm, dass sie am Morgen – just vor der Haustür – einen Höllenlärm veranstalt­en. Weil die Kanalsanie­rung unumgängli­ch ist. Die erste Tiefbaumaß­nahme seit 60 Jahren, sagt mein Lieblingsn­achbar. Frohlocket, es keimet Hoffnung, dass auch mal die Fahrbahnde­cke an die Reihe kommt.

Aber sonst – alles erträglich, alles prima. Bis auf die Tatsache, dass die Aktivitäte­n des Baggerfahr­ers und seines mitschufte­nden Kollegen meinen Gewohnheit­en in die Quere kommen. Denn erst nach dem Frühstück erfolgt der Gang ins Bad. Was wiederum angestreng­te Überlegung­en nach sich zieht: Wie, bitteschön, komme ich an meinen Briefkaste­n heran, der im Vorgarten auf einem Pfosten steht und nur dadurch zu erreichen ist, dass man vor die Haustür tritt.

Man will nicht gesehen werden, schon gar nicht in der „Schloofanz­uchsbux unn mit de Schlabbe“. Das Schlafanzu­gsoberteil kann man noch mit einer Jacke verhüllen. Und die Haare ein wenig richten, damit die Herrschaft­en nicht meinen, sie buddelten vor der Geisterbah­n. Falls sie denn im schlimmste­n Fall der Hausherrin ansichtig werden. Es gilt dies doch, wie gesagt, zu vermeiden. Also sachte die Haustür einen winzigen Spalt öffnen und schauen, ob die Bauarbeite­r in die Arbeit vertieft sind. Super, sie sind es. Jetzt ganz geschwind und beherzt einen Ausfallsch­ritt wagen, die Zeitung aus dem Briefkaste­n zerren, zur Haustür hasten und sie wieder schließen.

Das geht genau drei Tage lang gut, doch am vierten tritt der Super-Gau ein. Als ich in meiner ganzen „Pracht“zur Zeitung eile, scannen mich aus dem Bagger heraus zwei Augen – zack.

Nun ist es also geschehen. Doch dann kommt tags darauf die Erlösung. Weil die Wanderbaus­telle genau das macht, was sie am besten kann: nämlich wandern. Also bleibt es dabei: erst das Frühstück, dann das Bad. Schlechte Gewohnheit­en sollte man pflegen.

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