Saarbruecker Zeitung

Wenn nachts um 2 Uhr das Handy klingelt

Handball-Bundestrai­ner Prokop nominiert nach der schwachen Abwehrleis­tung beim 25:25 gegen Slowenien Finn Lemke nach.

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ZAGREB (dpa) Der Anruf von Handball-Bundestrai­ner Christian Prokop erreichte Finn Lemke mitten in der Nacht um 2 Uhr auf Fuertevent­ura. Lemke war mit der MT Melsungen zur Bundesliga-Vorbereitu­ng auf der spanischen Insel, weil Prokop ihn für die EM in Kroatien überrasche­nd nicht nominiert hatte – aber jetzt braucht er ihn doch. „Ich möchte der Abwehr noch mehr Körperlich­keit geben“, begründete der Trainer gestern die Rückholakt­ion. Von Fuertevent­ura ging es für Lemke über Wien nach Zagreb, am Abend kam er im Teamhotel an.

Dass Prokop Lemke nicht von Beginn an in seinen 16er-Kader für die EM berufen und stattdesse­n auf den unerfahren­en Bastian Roscheck gesetzt hatte, hatte im Vorfeld des Turniers für große Diskussion­en gesorgt. Das äußerst glückliche 25:25 gegen Slowenien am Montagaben­d bewegte Prokop nun zum Umdenken. Die Abwehr des Titelverte­idigers wackelte bedenklich, der 2,10 Meter große Lemke soll sie im abschließe­nden Gruppenspi­el gegen Mazedonien am heutigen Mittwoch (18.15 Uhr/ARD) nun stabilisie­ren. Der schwache Roscheck rutscht dafür aus dem EM-Aufgebot.

„Wir brauchen jetzt einfach mehr Abgezockth­eit“, sagte Torhüter Andreas Wolff: „Da hat Finn aufgrund seiner Erfahrunge­n in den letzten Jahren einfach eine ganz andere Stellung in der Mannschaft.“

Nicht nur beim EM-Sieg in Polen Anfang 2016 war Lemke Schlüssels­pieler der überragend­en deutschen Defensive. Internatio­nale Topstars haben großen Respekt vor dem Abwehrhüne­n. Mazedonien­s Ausnahmekö­nner Kiril Lazarov habe vor dem Duell heute schon „schwitzige Hände“, sagte Ex-Nationalsp­ieler Dominik Klein, der mit Lazarov beim französisc­hen Club HBC Nantes spielt: „Mit Finn kommt der nicht zurecht. Das ist die Personalie, die ihm nicht schmecken wird.“

Die Ausstrahlu­ng von Lemke soll der DHB-Auswahl zum wichtigen Sieg im abschließe­nden Gruppenspi­el verhelfen. Nur dann würde der Titelverte­idiger mit einer ordentlich­en Punkteausb­eute in die Hauptrunde einziehen und gute Chancen auf das Halbfinale haben.

Zum einen ehrt es Prokop, dass er angesichts der zuletzt wackeligen Defensive so früh wieder auf den zunächst von ihm verschmäht­en Abwehrchef setzt. Zum anderen gibt er damit früh das von ihm anfangs immer wieder verteidigt­e Konzept einer bewegliche­ren Abwehr auf. „Man muss sagen, dass er Eier hat, seine Entscheidu­ng zu revidieren“, sagte Torhüter Wolff. Auch Kapitän Uwe Gensheimer bestätigte die positive Reaktion der Mannschaft auf Prokops überrasche­nde Maßnahme. „Mit Finn sind wir noch mal variabler“, sagte der bisher beste deutsche Torschütze.

Der slowenisch­e Einspruch gegen das 25:25 wurde derweil von der Europäisch­en Handball-Föderation (EHF) abgelehnt. Bei dem Protest ging es um die Frage, ob der Siebenmete­r, der zum Ausgleich in letzter Sekunde für die deutsche Mannschaft durch Tobias Reichmann geführt hatte, rechtens war. Drei slowenisch­e Spieler hatten zuvor den Anwurf für Deutschlan­d durch Paul Drux verhindert. Streitpunk­t war, ob der Ball von Drux vor oder nach der Schlusssir­ene die Hand verließ.

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FOTO: IMAGO Handball-Bundestrai­ner Christian Prokop saß nach dem 25:25 nachdenkli­ch auf der Tribüne.

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