Kaugummi macht Kinder klug
Zu jederMahlzeit sollten auch harte Lebensmittel gehören. Denn werhäufig und stark genug kaut, verbessert seine geistige Leistungsfähigkeit.
Eine ungewöhnliche Empfehlung gibt Professor Dr. Erik Scherder von der Freien Universität Amsterdam: „Bei der Ernährung in einem Pflegeheim sollten die Speisen unterschiedlich hart sein.“Der Hirnforscher hat aus zahlreichen Studien die Erkenntnis gewonnen, dass auch Kauen das Gehirn in Gang bringt.
Hirnforscher der Universität Hokkaido in Japan hatten zwölf junge, gesunde Menschen in einen Hirnscanner geschoben. Das Gerät zeichnete auf, was im Gehirn passierte, wenn die Probanden Kaugummi kauten. Es wurden mehrere Hirnareale aktiviert, die für Arbeitsgedächtnis, kognitive Flexibilität, abstraktes Denken und Planung sowie Bewegung und Koordination wichtig sind.
Erik Scherder sagt: „Interessanterweise führt eine unterschiedliche Härte der Nahrung zu einer erhöhten Aktivität in verschiedenen Hirnarealen.“Auch das haben Wissenschaftler der Universität Hokkaido nachweisen können.
Schlaganfällen vorbeugen: Weitere Erkenntnisse zum Kauen sind äußerst spannend. „Kauen wirkt ein wenig wie Laufen“, berichtet Scherder, „das Gehirn wird besser durchblutet und die Herzfrequenz steigt.“Da Kauen vor allem die Durchblutung der mittleren Hirnschlagader anregt, in der 70 Prozent der Schlaganfälle stattfinden, „ist es gerade für ältere Menschen mit empfindlichem Gefäßsystem äußerst wichtig“, sagt Scherder „Es fördert die Durchblutung in einem der empfindlichsten Bereiche des Gehirns.“
Es gibt allerdings noch keine Studien mit Menschen dazu, ob Kauen das Schlaganfallrisiko mindern kann. Eine Studie mit Ratten, die Zahnmediziner der Universität Hokkaido durchgeführt haben, hat jedoch gezeigt, dass nach einem Verschluss der mittleren Hirnschlagader die Genesung bei Tieren, die hartes Futter bekamen, viel besser verlief als bei Tieren, die Flüssignahrung erhielten. Bei der ersten Gruppe profitierte vor allem das räumliche Gedächtnis.
Umgekehrt haben Wissenschaftler der Universität Nagoya, Japan, in Versuchen mit gesunden Mäusen nachgewiesen, dass Flüssignahrung dazu führt, dass sich das Gedächtnis verschlechtert und weniger Nervenzellen im Gehirn zu finden sind. Bei Mäusen, denen hartes Futter zur Verfügung stand, traten diese negativen Effekte nicht auf. Nachdem Forscher der Universität Gifu in Japan Mäusen die Backenzähne entfernt hatten, sodass die Tiere nicht mehr richtig kauen konnten, verschlechterten sich Gedächtnis und Lernfähigkeit.
Besseres Gedächtnis An der St.Lawrence-Universität in Canton im US-Bundesstaat New York wurden Studenten zu einem Gedächtnistest gebeten. Eine Gruppe kaute fünf Minuten vor dem Test Kaugummi, die zweite Gruppe durfte erst während des Tests kauen. Die kognitiven Leistungen verbesserten sich nur, wenn die jungen Leute schon vor dem Test Kaugummi gekaut hatten.
Kaugummikauen hilft dabei, längere Zeit aufmerksam und wachsam zu bleiben. Das haben Forscher der Universität Groningen in den Niederlanden nachgewiesen. Gesunde Erwachsene, die kauten, konnten sich auch nach 25 Minuten noch gut konzentrieren, was einer anderen Gruppe, die nicht kauen durfte, nicht mehr gelang.
In einer Untersuchung mit 557 älteren Menschen, alle über 77 Jahre alt, konnten Forscher der Universität Karlstad in Schweden zweifelsfrei nachweisen, dass Menschen ohne Zähne, die keine feste und harte Nahrung mehr kauen können, in ihren geistigen Funktionen deutlich eingeschränkt sind. Das gilt unabhängig von Geschlecht, Alter und Bildung. Die Ergebnisse wurden in einer weiteren Studie bestätigt, die Erik Scherder in den Niederlanden durchführte. Daran nahmen 38 ältere Menschen teil, die alle noch zu Hause lebten. Die Hälfte von ihnen hatte noch die natürlichen Zähne, die andere Hälfte ein künstliches Gebiss. In der Gruppe mit den echten Zähnen gab es keine Auffälligkeiten beim Kauen und den geistigen Funktionen. In der Gruppe mit den falschen Zähnen schnitten die Senioren, die am schlechtesten kauen konnten, auch bei den kognitiven Aufgaben am schlechtesten ab.
Probleme mit Zahnprothese Die Forscher maßen bei den Teilnehmern auch die Beißkraft. Dazu wurde ein kleines Gerät zwischen oberen und unteren Zähnen im Mund platziert. „Als sie zubeißen sollten, klappte bei manchen Senioren das künstliche Gebiss einfach aus dem Mund, so schlecht passte es“, berichtet Erik Scherder.
Viele alte Menschen, deren Zahnprothese schlecht sitzt und die deshalb Schwierigkeiten beim Kauen haben, lassen nun aber nicht die Kaufunktion überprüfen, sondern stellen stattdessen ihre Ernährung um: auf weich und flüssig. Dass sie damit auch an Geisteskraft einbüßen, ahnen sie nicht.
Warum Kinder öfter Kaugummi kauen sollten
CAMBRIDGE (ml) Weisheitszähne können oft nicht richtig durchbrechen, weil sie im Kiefer nicht genug Platz haben. Stattdessen drehen sie sich im Knochen und drücken gegen die Wurzeln der anderen Zähne. Diese können dadurch aus ihrer ordnungsgemäßen Position gedrängt werden.
Der Evolutionsbiologe Professor Dr. Daniel Lieberman von der amerikanischen Harvard-Universität erläutert dazu: „Wenn wir kauen, verformen sich dadurch die Kieferknochen. Wirkt dieser Reiz regelmäßig auf sie ein, wachsen sie besser und werden dicker. Die beim Kauen aktivierten Kräfte regen Knochenzellen in den Zahnwurzeln an, die den Zahn in die richtige Position schieben. Nur wer in der Kindheit immer wieder harte, zähe Lebensmittel kaut, bekommt Kiefer, die zur richtigen Form und Größe heranwachsen, sodass auch die Weisheitszähne richtig in den Kiefer passen.“
Wer hingegen als junger Mensch nicht kräftig und häufig genug kaut, dessen Kieferknochen werden unter Umständen nicht groß genug, sodass sie die Weisheitszähne nicht aufnehmen können. Kieferorthopädische Probleme werden seltener, wenn Kinder häufiger Kaugummi kauen. Eine Studie über zwölf Monate mit fünf Mädchen und acht Jungen im Alter von sieben bis zwölf Jahren an der Klinik für Kieferorthopädie der Universität Bern hat gezeigt, dass bei Kindern, die pro Tag insgesamt mindestens zwei Stunden lang hartes, harziges Kaugummi kauen, größere Kieferknochen heranwachsen und die Zähne gerader stehen.