Saarbruecker Zeitung

Trump seit einem Jahr im Weißen Haus

Seit einem Jahr regiert Donald Trump im Weißen Haus. Ist er eine Art Betriebsun­fall, den die US-Demokratie verschmerz­en kann?

- VON FRANK HERRMANN

Die Bilanz ist durchwachs­en, doch eines ist klar: Kein US-Präsident vor ihm hat jemals für so viele Schlagzeil­en gesorgt. Wie geht es den Vereinigte­n Staaten nach einem Jahr Donald Trump?

Vieles von dem, was er im Stil eines nationalis­tischen Berserkers ankündigte, hat Donald Trump vertagt, abgeschwäc­ht oder ganz zu den Akten gelegt. Die Nafta-Freihandel­szone mit den Nachbarn Kanada und Mexiko ist nicht passé, chinesisch­e Importe sind nicht mit Zöllen von 45 Prozent belegt. Das Bekenntnis zur Nato, der vom Kandidaten Trump für überflüssi­g erklärten Allianz, bleibt amerikanis­che Politik. Am Rio Grande und in der Wüste Sonora lässt der Bau einer Grenzmauer weiter auf sich warten. Und wenn man bedenkt, was für ein zentraler Wahlkampfs­logan das „Build the Wall!“war, dann klingt es wie ein später Offenbarun­gseid, was Trumps Stabschef John Kelly ein Jahr nach Trumps Amtsantrit­t zu dem Thema zu sagen hat. Weder werde die Mauer gebaut, noch werde Mexiko dafür bezahlen. Der Präsident sei „nicht voll informiert“gewesen, als er sein Verspreche­n abgab.

Donald Trump, ein Weltmeiste­r der Ankündigun­g, der an Taten nichts folgen lässt? Jedenfalls nichts, was die nächste Regierung nicht rasch korrigiere­n könnte? Die These, wie man sie neuerdings des Öfteren hört, unterschät­zt die Wirkung der leisen, systematis­chen Schritte, mit denen der selbsterna­nnte Rebell die Institutio­nen umkrempelt. Allem voran die Justiz.

Nicht nur, dass er mit der Ernennung Neil Gorsuchs die Kräftebala­nce im Supreme Court, nach etwa einjährige­m Patt, wieder zu Gunsten des konservati­ven Lagers verschob. Er wird schon jetzt als derjenige US-Präsident in die Annalen eingehen, der in seinen ersten zwölf Amtsmonate­n mehr Richterste­llen an den Berufungsg­erichten neu besetzte als irgendwer sonst. Zugute kam ihm die Blockadeta­ktik der Republikan­er, die in der Schlusspha­se seines Vorgängers Barack Obama einen nach dem anderen ausbremste­n, dessen Nominierun­g die Demokraten im Kongress durchzuset­zen versuchten. Die Folge ist ein Vakuum, das nun Trump füllen kann, wohlgemerk­t mit Juristen, die auf Lebenszeit berufen werden.

Ob es sich bei dem Mann mit den vielen Gesichtern um einen Betriebsun­fall handelt, den die amerikanis­che Demokratie in ihrer Stabilität verschmerz­en kann und den sie irgendwann abgehakt haben wird: Viele Debatten in Washington drehen sich um diese Frage. Der Mann habe bereits enormen Schaden angerichte­t, womöglich bleibenden Schaden, sagen die Pessimiste­n. Mehr als irgendwo sonst auf dem Feld der politische­n Kultur.

Ein amerikanis­cher Präsident, der in der Presse einen Feind sieht, das hat es seit Richard Nixon nicht mehr gegeben. Einen US-Präsidente­n, der Unwahrheit­en wiederholt und von „Fake News“spricht, sobald die Medien widersprec­hen, gab es noch nie.

Schließlic­h die gesellscha­ftliche Langzeitwi­rkung: Der Spalter im Oval Office zerreißt eine ohnehin schon polarisier­te Republik, deren große Parteien kaum noch einen gemeinsame­n Nenner finden. Das Motiv der Vereinigte­n Staaten von Amerika, bei ihm kommt es gar nicht mehr vor. Obama hatte damit noch eine Wahl gewonnen, auch wenn er die Risse dann nicht zu kitten vermochte. Trump kittet nicht nur nicht, er schreibt sich den Vorsatz nicht mal mehr auf die Fahnen. Ihm steht der Sinn danach, den harten Kern seiner Anhänger in seiner vorurteils­beladenen Sicht auf das „andere“Amerika zu bestätigen, jenes eine Drittel der Wählerscha­ft, das ihm unbeirrt die Treue hält.

Der König des Klischees, kaum einer hat ihn treffender charakteri­siert als David Frum, auch er Republikan­er, einst der Redenschre­iber George W. Bushs. Trump, schreibt er in einem Buch mit dem Titel „Trumpocrac­y“, habe darauf gewettet, dass sich seine Landsleute an dem, was sie trennt, stärker stoßen, als dass sie die gemeinsame Erfahrung ihrer Demokratie zu schätzen wissen. Fürs Erste sei die Wette aufgegange­n. Trump sei Produzent, Drehbuchau­tor und Hauptdarst­eller einer extravagan­ten Vorstellun­g im Theater der Ressentime­nts, schreibt Frum. „Er beschwört jeden, der solche Ressentime­nts teilt, eine Eintrittsk­arte zu kaufen und die Show zu genießen.“

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Seine Grimassen sind so legendär wie seine Tweets: US-Präsident Donald Trump ist nun ein Jahr im Amt und hat der Öffentlich­keit in dieser Zeit kaum eine Facette seiner Persönlich­keit vorenthalt­en.
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FOTO:AFP/WATSON
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