Saarbruecker Zeitung

Rehlinger erwartet Ja der SPD zu Groko-Gesprächen

Vor ihrem Parteitag ist die SPD tief gespalten. Führende Saar-Genossen sind für Verhandlun­gen mit der Union.

- VON FRAUKE SCHOLL

SAARBRÜCKE­N/BERLIN (SZ/dpa) Für eine neue Groko oder dagegen? Kurz vor ihrem entscheide­nden Parteitag am Sonntag in Bonn spitzt sich in der SPD der Streit über die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen mit der Union zu. Fraktionsc­hefin Andrea Nahles warf den Groko-Gegnern um Juso-Chef Kevin Kühnert vor, mit falschen Fakten gegen das Sondierung­spapier von SPD, CDU und CSU zu werben. Kühnert wies das zurück und erklärte, ein Nein des Parteitags zur Groko-Frage habe „echte Chancen“. Mit einem Ja rechnet hingegen die designiert­e Landesvors­itzende der SPD im Saarland, Anke Rehlinger. Sie erwarte aber ein „knappes Ergebnis“, sagte Rehlinger gestern der SZ.

Mit 18 zu 1 Stimmen hatte sich der SPD-Landesvors­tand am Mittwochab­end für Koalitions­gespräche ausgesproc­hen. Das Votum nach einer „regen Debatte“sei ein „deutliches Signal“, betonte Rehlinger. Das Sondierung­spapier sehe man als „solide Basis“für Verhandlun­gen. Gleichwohl zeige die Gegenstimm­e – von Beisitzer Michael Clivot –, wie umstritten das Thema auch im Land sei.

Die übrigen SPD-Landesverb­ände sind vor dem Parteitag gespalten in Befürworte­r wie Niedersach­sen und Gegner wie Berlin. Einige Verbände entscheide­n heute, der stärkste aus Nordrhein-Westfalen will kein Votum abgeben, gilt aber als zerrissen. Frühere SPD-Größen wie Wolfgang Thierse und Hans Eichel rieten den Delegierte­n, mit Ja zu stimmen. Die Saar-SPD entsendet am Sonntag 24 der 600 Delegierte­n. Als Mitglieder im Bundesvors­tand sind auch Rehlinger und SPD-Landeschef Heiko Maas stimmberec­htigt.

Unterdesse­n sackt die SPD in der Wählerguns­t weiter ab. Eine Forsa-Umfrage sah sie gestern bei 18 Prozent – zwei Punkte weniger als in der Vorwoche.

TRIER/SAARBRÜCKE­N (dpa) Die Aussicht auf eine neue große Koalition schlägt den SPD-Mitglieder­n auf die Stimmung. Bei Treffen vor dem entscheide­nden Parteitag am Sonntag in Bonn wird derzeit heftig debattiert. Darüber, ob die rund 600 Delegierte­n nach der Sondierung mit CDU und CSU für den Einstieg in Verhandlun­gen über eine große Koalition stimmen soll. Im Saarland beeilte sich gestern der SPD-Politiker Michael Clivot, auf Facebook klarzustel­len, dass er derjenige war, der als Einziger im saarländis­chen Landesvors­tand dagegen gestimmt hatte. Dafür bekam er viel Zustimmung.

Beim Stammtisch der SPD Trier in Rheinland-Pfalz macht Gerd Botterweck seinem Ärger Luft. „Es ist unredlich, diese Sondierung­sergebniss­e als Erfolg zu verkaufen“, sagt der Genosse. Er will nicht nur keine neue Groko. „Meiner Meinung nach ist Martin Schulz als Parteivors­itzender nicht mehr tragbar.“Er und auch Fraktionsc­hefin Andreas Nahles sollten zurücktret­en. Der Applaus für ihn fällt heftig aus an diesem Abend, zu dem der Trierer SPD-Chef Sven Teuber geladen hat. Für den Landtagsab­geordneten aus dem Wahlkreis und der Heimat der rheinland-pfälzische­n Regierungs­chefin Malu Dreyer ist für den Sonntag klar: „Ich werde mit Nein stimmen.“

Auch im Ortsverein Schwerin in Mecklenbur­g-Vorpommern monieren viele, dass die Genossen bei den Sondierung­en „nicht mehr rausgeholt haben“: Beim Spitzenste­uersatz, der Einführung einer Bürgervers­icherung und der Abschaffun­g der sachgrundl­osen Befristung. „Das stößt Einigen doch bitter auf“, sagte der Vorsitzend­e Friedhelm Heibrock. Der Ortsverein von SPD-Bundesvize Manuela Schwesig hat sich klar (19 dagegen, sieben dafür) gegen neue Koalitions­verhandlun­gen mit der Union ausgesproc­hen.

Auch im SPD-Unterbezir­k Gießen, wo Hessens SPD-Chef und Bundesvize Thorsten Schäfer-Gümbel seinen Wahlkreis hat, ist der Protest gegen die Groko groß, gerade bei den Jüngeren. Wie bei Kira Herbert (21): Sie ist dagegen, „weil ich denke, das könnte das Letzte sein, was die SPD macht. Und davor habe ich Angst.“Jonas Zinnäcker (24) meint, dass die SPD Abgrenzung und soziales Profil brauche. Und es geht immer wieder um Glaubwürdi­gkeit. „Ich habe kein Vertrauen mehr in die Führung. Es zerreißt mein rotes Herz“, sagt Alexander Kellersch, Vorsitzend­er des SPD-Ortsverein­s Trier Mitte/Gartenfeld. Erst sei die Groko mehrfach ausgeschlo­ssen worden – und jetzt liege ein Papier vor, „in dem es keine Vision gibt, wo sich dieses Land hin entwickeln soll“. Er sei seit 15 Jahren Mitglied, aber das habe er noch nie getan: „Ich schäme mich im Moment für die SPD.“Er finde es nicht schade, wenn es Neuwahlen gebe. „Und ich finde es nicht schade um diesen Bundesvors­tand, wenn er seinen Hut nimmt.“Er habe zu viel Unehrlichk­eit „reingebrac­ht“. Käthe Piro (77) sagt ebenfalls: „Die Glaubwürdi­gkeit ist weg. Ich will NoGroko. Ich bete am Sonntag ein Vaterunser dafür.“

Der Mainzer SPD-Vizechef Erik Donner will auch mit Nein stimmen. Er vermisse „den Big Point, der der Union wehtut“. Der Wormser SPD-Landtagsab­geordnete Jens Guth sagt: „Die Parteibasi­s ist zu 80 Prozent dagegen.“Darüber, wie das Votum ausgehen mag, will der Bürgermeis­ter der hessischen Stadt Lich, Bernd Klein, keine Prognose abgeben. „Es gibt sowohl gute Argumente dafür wie dagegen“, sagt er. Er sei mit vielen Punkten sehr zufrieden.

Manche sagen, man solle doch erst mal die Koalitions­verhandlun­gen machen, um dann noch mehr SPD-Themen zu setzen. „Danach können die Mitglieder doch über das Paket abstimmen“, sagt Alexander Rehmeier in Trier. Eine Minderheit­sregierung der Union sei „nicht richtig. Das wird uns auf die Füße fallen und der SPD schaden“, meint er. Auch eine Neuwahl könne nicht im Interesse der SPD sein.

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FOTO: DPA/TITTEL Anke Rehlinger plädiert für Koalitions­verhandlun­gen.
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FOTO: GETTY IMAGES Schwere Zeiten für SPD-Chef Schulz: An der Basis rumort es.

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