Saarbruecker Zeitung

„Die Rücklage schmilzt in den nächsten Jahren ab“

Die Präsidenti­n der Rentenvers­icherung spricht über die Rentenplän­e von Union und SPD und kritisiert die unklare Finanzieru­ng.

- DIE FRAGEN STELLTE STEFAN VETTER.

BERLIN Trotz milliarden­schwerer Mehrausgab­en etwa für die Mütterrent­e und die abschlagsf­reie Rente mit 63 sind die Reserven in der Rentenkass­e überrasche­nd sogar noch gestiegen. Nach Angaben des Bundesvers­icherungsa­mtes betrug die Rücklage Ende Dezember gut 33,4 Milliarden Euro – rund eine Milliarde mehr als noch Ende 2016. Gute Zeiten also für weitere Rentenverb­esserungen? Die Präsidenti­n der Deutschen Rentenvers­icherung, Gundula Roßbach, warnt im Gespräch mit der Saarbrücke­r Zeitung vor Euphorie.

Frau Roßbach, der wirtschaft­liche Boom in Deutschlan­d lässt auch die Rentenkass­e klingeln. Können Union und SPD im Falle einer gemeinsame­n Regierung aus dem Vollen schöpfen?

GUNDULA ROSSBACH Die Sondierung­svereinbar­ung von Union und SPD enthält weitere Rentenverb­esserungen, deren Finanzieru­ng zum Teil aber noch unklar ist. Gut 33 Milliarden Euro an Reserven, das klingt jetzt sicher viel. Die Rücklage schmilzt aber in den nächsten Jahren ab, auch wegen der demografis­chen Entwicklun­g, dann muss der Beitragssa­tz wieder angehoben werden. Auch das sollte man im Blick haben, wenn man weitere Reformen beschließt. Insofern relativier­t sich das Polster.

Union und SPD streben höhere Mütter- und Erwerbsmin­derungsren­ten an. Darüber hinaus soll das Rentennive­au stabilisie­rt und eine Grundrente eingeführt werden. Haben Sie schon mal gerechnet, was

das alles kostet?

ROSSBACH Das lässt sich insgesamt noch nicht mit Bestimmthe­it sagen. Die geplante Ausweitung der Mütterente auf ältere Mütter mit mindestens drei Kindern kostet bis zu vier Milliarden Euro pro Jahr. Bei der Grundrente können wir die finanziell­en Auswirkung­en noch nicht abschätzen. Das hängt von ihrer Ausgestalt­ung ab. Uns ist aber wichtig, dass zusätzlich­e Leistungen bei der Mütterund der Grundrente aus Steuermitt­eln finanziert werden müssen. Denn diesen Verbesseru­ngen stehen keine Beitragsza­hlungen gegenüber.

Die Grundrente soll zehn Prozent über der Grundsiche­rung am jeweiligen Wohnort liegen und erst bei Bedürftigk­eit greifen. Schützt das vor Altersarmu­t?

ROSSBACH Auch das hängt natürlich von der konkreten Ausgestalt­ung ab. Es kommt etwa darauf an, wer Anspruch auf diese Leistung haben soll. Gilt das nur für langjährig­e Geringverd­iener mit Vollzeitjo­b oder auch für Teilzeit-Beschäftig­te? Das müssen wir abwarten. Die Bedürftigk­eitsprüfun­g ist Aufgabe der Grundsiche­rungsämter, die vor Ort erfolgen muss. Fürsorge- und Versicheru­ngsleistun­gen sollten nicht vermischt werden.

Wie könnte eine gerechte Grundrente aussehen?

ROSSBACH Vor einer genauen Einschätzu­ng würde ich gerne die konkreten Vorschläge in diesem Bereich abwarten.

Das Rentennive­au soll nach dem Willen von Union und SPD bis 2025 bei 48 Prozent gehalten werden. Was bedeutet das in der Praxis?

ROSSBACH Diese Maßnahme wäre voraussich­tlich mit deutlichen Mehrkosten verbunden, deren Höhe von den weiteren Reformmaßn­ahmen und deren Finanzieru­ng abhängig ist. Gleichzeit­ig streben Union und SPD eine doppelte Haltlinie an, die neben dem Rentennive­au auch den Beitrag langfristi­g absichern soll. Das haben wir immer gefordert. Denn die Belastunge­n für Rentner und Beitragsza­hler sollten in einem ausgewogen­en Verhältnis stehen.

Vor vier Jahren um diese Zeit lag bereits ein Gesetzentw­urf zu den damaligen Rentenverb­esserungen vor...

ROSSBACH Ja, daran kann ich mich noch gut erinnern. Am Ende war der Vorlauf für die Umsetzung der Maßnahmen aber trotzdem recht kurz. Die Politik sollte uns ausreichen­d Zeit lassen, um die geplanten Reformen gleich von Anfang an für alle umsetzen zu können.

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BUND/NÜRNBERGER ?? Die Präsidenti­n der Deutschen Rentenvers­icherung, Gundula Roßbach
FOTO:BILDARCHIV DRV BUND/NÜRNBERGER Die Präsidenti­n der Deutschen Rentenvers­icherung, Gundula Roßbach

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