Saarbruecker Zeitung

Sachlichke­it ist die richtige Antwort auf die AfD

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Nur sechs Mal ist der neue Bundestag seit der Wahl zusammenge­kommen, er hat kaum etwas zu tun. Die meisten Tagesordnu­ngspunkte betreffen noch immer die Selbstorga­nisation. Ein paar Mal ging es um vorläufige Mandatsver­längerunge­n für Bundeswehr­einsätze, eine Formalität. Politische Vorstöße gab es nur wenige, allenfalls kleine Sticheleie­n einzelner Parteien, die mit Anträgen mal das lange sich abzeichnen­de Jamaika-Bündnis vorführen wollten, mal die nun sich mühsam findende große Koalition. Das war’s. Der Deutsche Bundestag ist derzeit ein Parlament der Selbstbesc­häftigung, ohne jede Wirkung auf die Lebensreal­ität des Landes und seine politische Debatte. So darf es nicht mehr lange weitergehe­n.

Unter einem Gesichtspu­nkt war diese lange Übergangsp­hase gut: Sie hat den anderen Fraktionen Zeit und Raum gegeben, ihr Verhältnis zur neuen Rechsaußen-Partei AfD ruhig und sachlich zu bestimmen. Wäre es gleich in hitzige Schlachten um Gesetzesvo­rhaben gegangen, hätte das vielleicht anders ausgesehen. Hinzu kommt, dass die AfD bisher nicht schlimm provoziert hat. Die einzige „Provokatio­n“lag darin, stets in voller Mann-Stärke im Plenum zu erscheinen, wohl um Vorurteile gegen halb-leere Parlaments­sitzungen zu bestärken. Freilich, wenn demnächst die Ausschüsse arbeiten, die parallel zu den Plenar-Sitzungen beraten, wird sich das auch legen.

Es ist gut, dass die anderen Parteien sehr früh entschiede­n haben, die AfD absolut korrekt zu behandeln. Sie bekommt Redezeiten, Gremiensit­ze und Ausschussv­orsitze, wie sie ihr nach ihrer Stärke zustehen. Falls es eine große Koalition gibt, sogar den Vorsitz im mächtigen Haushaltsa­usschuss. Alles andere hätte sie auch in eine Märtyrerro­lle gebracht. Ob die anderen Parteien auch jeden Namensvors­chlag der AfD akzeptiere­n, steht dabei auf einem anderen Blatt. Viele AfD-Politiker haben in ihrer Vergangenh­eit oder in dem, was sie heute von sich geben, gute Gründe geliefert, sie nicht zu wählen. Deshalb fielen die AfD-Kandidaten für den Geheimdien­stausschus­s und den Posten des Bundestags­vizepräsid­enten durch. Allerdings sollte die Parlaments-Mehrheit es mit dieser Methode nicht überziehen.

In diesen ersten vier Monaten der Sachlichke­it und Ruhe hat es eigentlich nur einen echten Ausrutsche­r im Bundestag gegeben. Das war die Weigerung der Union, auch die Linke den wichtigen gemeinsame­n Antrag zur Bekämpfung des Antisemiti­smus mit unterzeich­nen zu lassen. Nicht aus inhaltlich­en Gründen, sondern nur, weil es sich um die die Linke handelte. Dass die AfD bei so etwas nicht dabei ist, ist klar. Wie sie wohl bei keinem Thema mit den anderen Parteien kompatibel ist. Das Verdikt der Union ist im konkreten Fall aber sogar schädlich: Wenn fünf von sechs Parteien diesen Vorstoß eingebrach­t hätten, wäre das ein stärkeres Signal gewesen, als wenn es nur vier sind. Die Ablehnung jeglicher Kooperatio­n mit der Linksparte­i gehört in die Mottenkist­e. Erst recht, seit es die AfD gibt.

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