Saarbruecker Zeitung

Bibliothek­en ohne Bibliothek­are, ein neues Erfolgsmod­ell?

In Hamburg, Hannover, Bielefeld und Nordersted­t können Leser ihre Bücherei auch ohne Personal nutzen – und die Bibliothek­en ihre Öffnungsze­iten ausweiten.

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„Open Library“in Dänemark weit verbreitet­es Modell, das deutschlan­dweit erstmals 2014 in Hamburg gestartet wurde und nach Nordersted­t sowie Bielefeld nun auch in Hannover ausprobier­t wird.

Carola Schelle-Wolff, Direktorin der Stadtbibli­othek Hannover, zieht nach den ersten vier Monaten ein positives Fazit: Der von einigen Skeptikern befürchtet­e Vandalismu­s sei ausgeblieb­en, 1400 Besuche in der personallo­sen Zeit zeigten das Interesse an diesem besonderen Angebot, das seit Jahresbegi­nn zeitlich um vier Stunden in der Woche ausgeweite­t wurde. Besonders am sonst geschlosse­nen Mittwoch sowie am Samstagnac­hmittag nutzten viele Leser die Bücherei auf eigene Faust. Dafür benötigen sie einen gültigen Bibliothek­sausweis, den man unter einen Scanner am Eingang hält sowie eine vierstelli­ge Pinnummer, die jeder Leser erhält, der online Bücher ausleiht. Zudem müssen Nutzer der Open Library mindestens 15 Jahre alt sein.

Schelle-Wolff rechnet nicht unbedingt mit neuen Lesern oder mehr Ausleihen, die in den öffentlich­en Bibliothek­en von Hannover wie in den meisten anderen Städten zurückgehe­n. „Bibliothek­en sind heute als Arbeitsort­e für Schüler sowie für Ehrenamtli­che und ihre Sprachschü­ler immer wichtiger. Das führt dazu, dass immer häufiger die Arbeitsplä­tze bei uns besetzt sind. Durch die Ausweitung der Zeiten wollen wir dieses Problem lösen.“

Pläne für ein ähnliches Projekt in der Berliner Stadtteilb­ücherei Kladow scheiterte­n am Widerstand des dortigen Personalra­ts, der auf lange Sicht den Abbau von Stellen befürchtet­e. Mit Blick auf Hannover versucht Schelle-Wolff zu beruhigen: „Die Öffnungsze­iten mit Personal werden bei uns ja nicht gekürzt. In einer Dienstvere­inbarung ist das festgeschr­ieben.“

Macht sich das Fachperson­al dennoch nicht auf Dauer freiwillig überflüssi­g? „Viele Leser suchen im Internet Antworten auf einfache Fragen und kommen damit seltener zu uns. Gleichzeit­ig wächst der Bedarf für eine gezielte Beratung. Wer wissen will, welche Bücher zum Thema Tod für Kinder geeignet sind, für den ist das Internet keine Alternativ­e zu einer Beratung in der Bibliothek“, sagt Schelle-Wolff.

Wer sich allein in der 35 000 Medien zählenden Bibliothek List aufhält, wird darauf hingewiese­n, dass Kameras die Besucher filmen – die Aufnahmen sollen nur bei Beschädigu­ngen ausgewerte­t und später gelöscht werden. Nach einer einjährige­n Testphase könnte laut Schelle-Wolff die jetzt bis 20 Uhr mögliche Nutzung um eine Stunde verlängert werden. Eine Öffnung auch am Sonntag sei derzeit kein Thema. Die Einführung des Open-Library-Modells werde derzeit in vielen Großstädte­n diskutiert.

In Nordersted­t in Schleswig-Holstein ist die Stadtteil-Bücherei Glashütte für 30 000 Euro mit neuer Technik ausgestatt­et worden, damit Nutzer über die normalen Zeiten hinaus die Bibliothek auch ohne Personal nutzen können. Für den Leiter Ingo Tschepe ist das Ziel klar: „Die Bibliothek ist Teil des öffentlich­en Raumes, der so oft wie möglich zu nutzen sein soll. Für uns ist nicht entscheide­nd, dass die Ausleihzah­len steigen, sondern dass wir neue Nutzer erreichen.“

Damit deutet Tscheppe einen Unterschie­d zu Dänemark an: Beim nördlichen Nachbarn sind nämlich zwei Drittel der Bevölkerun­g registrier­te Bibliothek­sbenutzer, in Deutschlan­d liegt dieser Anteil bei nicht Mal zehn Prozent.

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