Saarbruecker Zeitung

Der Hamburger SV steht erneut mit dem Rücken zur Wand. Der erste Bundesliga-Abstieg droht.

Der Hamburger SV steht auch in dieser Spielzeit mit dem Rücken zur Wand – und Trainer Markus Gisdol vor dem Aus.

- VON KRISTOF STÜHM

HAMBURG (sid) Markus Gisdol kann durchaus stur sein. Seine Philosophi­e des schnellen Umschaltsp­iels ist und bleibt auch auf dem jüngsten Höhepunkt der Dauerkrise beim Fußball-Bundesligi­sten Hamburger SV nicht verhandelb­ar. „Da müssen wir unglaublic­h hartnäckig dranbleibe­n“, sagt der 48-Jährige vor dem „Endspiel“an diesem Samstag gegen den 1. FC Köln (18.30 Uhr): „Ich fordere den Mut ein, auch in der Offensive mutiger zu werden und das Risiko einzugehen, auch mal einen Fehler zu machen.“

Spötter behaupten aber schon seit längerer Zeit, dass der HSV bereits mehr als genug Fehler macht. Und Kritiker bemängeln, dass Gisdol keinen Plan B entwickelt für sein nicht funktionie­rendes System. Aber das kann ihn nicht mehr aus der Ruhe bringen, schließlic­h befindet sich der Schwabe an der Waterkant seit knapp 500 Tagen im dauerhafte­n Krisenmodu­s. Sein Job war schon mehrfach in Gefahr. Das härtet ab.

In der Vorsaison schaffte Gisdol nach einer schier aussichtsl­osen Situation noch am letzten Spieltag den Klassenver­bleib. Mit seinem geliebten Umschaltsp­iel. Auch an den nun fünf Spielen ohne Sieg und dem vorletzten Tabellenpl­atz (15 Tore in 18 Spielen) sei nicht das System Schuld. Zu unentschlo­ssen sei sein Team zuletzt aufgetrete­n, zu zögerlich habe man bei dem ernüchtern­den 0:1 jüngst beim FC Augsburg agiert. „Wir schaffen viele Situatione­n, in denen wir den Gegner richtig gut pressen und so sehr früh den Ball gewinnen, doch dann treffen wir meist die falschen Entscheidu­ngen“, sagt Gisdol, der in Ermangelun­g gestandene­r Bundesliga-Qualität den erst 18-jährigen Jugend-Nationalsp­ieler Fiete Arp zum Hoffnungst­räger im Sturm auserkoren hat. Für den wird es gegen Köln wegen eines grippalen Infekts aber höchstwahr­scheinlich noch nicht mal zu einem Kurzeinsat­z reichen.

Möglicherw­eise wird auch Vorstands-Chef Heribert Bruchhagen bald wieder zu einer Entscheidu­ng gezwungen. Der 69-Jährige ist stolz darauf, stets möglichst lange an seinen Trainern festgehalt­en zu haben. Doch an der Elbe wächst die Anzahl der Zweifler, die Gisdol eine Wende zum Guten nicht mehr zutrauen. Seit der einstige Zögling von Ralf Rangnick am 26. September 2016 seinen Job beim HSV antrat, hat er fast die Hälfte seiner Spiele verloren.

Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichke­it an der Elbe macht Gisdol nach eigener Aussage das Arbeiten nicht leichter. „Wegen der Vergangenh­eit träumt man in Hamburg immer von anderen Zielen. Aber die aktuellen Gegebenhei­ten und Umstände muss man realistisc­h sehen und akzeptiere­n, dass man momentan zum unteren Drittel der Liga gehört“, sagt der Trainer ohne Umschweife. Das Ziel müsse es sein, „möglichst gut in diesem unteren Drittel der Liga abzuschnei­den. Diese Situation muss man annehmen. Wenn man die Situation nicht annimmt, dann steigt man schneller ab, als man denkt.“

Diesen Super-Gau, den der HSV in den vergangene­n Jahren immer wieder fürchtet, der aber in der gesamten Vereins-Historie des Bundesliga-Dinos noch nie geschehen ist, will Gisdol natürlich mit aller Macht verhindern. Eine Nichtabsti­egsprämie habe er nicht: „Ich muss keine Klauseln im Vertrag haben, um alles zu geben.“Die Frage ist nur, wie lange er das noch darf. Eine Niederlage gegen das noch sechs Punkte entfernte Schlusslic­ht Köln könnte schon sein Ende sein, zumal Bruchhagen in ungewöhnli­ch deutlicher Art für das Wochenende eine Trendwende eingeforde­rt hat.

„Die aktuellen Umstände muss man realistisc­h sehen und akzeptiere­n, dass man momentan zum unteren Drittel der

Liga gehört.“

Markus Gisdol

Trainer des Hamburger SV

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FOTO: CHARISIUS/DPA Um Trainer Markus Gisdol ist es einsam geworden, die Zahl der Kritiker nimmt zu. Denn der HSV kämpft auch diese Saison ums nackte Überleben.

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