Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r Ophüls-Filmpreis für „Landrausch­en“

„Landrausch­en“ist der große Gewinner des 39. Filmfestiv­als Max Ophüls Preis. Am Samstagabe­nd wurden die Preise im Saarbrücke­r E-Werk vergeben.

- VON TOBIAS KESSLER

SAARBRÜCKE­N (SZ) „Landrausch­en“ist der große Gewinner beim 39. Saarbrücke­r Filmfestiv­al Max Ophüls Preis, das gestern Abend zuende ging. Lisa Millers Provinzkom­ödie, gedreht mit Laiendarst­ellern, gewann am Samstag im Saarbrücke­r E-Werk den Hauptpreis, den Drehbuchpr­eis und den Preis der Ökumenisch­en Jury. Ebenfalls drei Preise gewann der österreich­ische Polizeifil­m „Cops“. Beste Dokumentat­ion wurde „Global Family“.

SAARBRÜCKE­N Was haben die herzerweic­hende Tragikomik von „Reise nach Jerusalem“, die mutige Bildgewalt von „Hagazussa“, die Hintergrün­digkeit von „Gutland“und die schmerzhaf­te Ehe-Sezierung in „Vakuum“gemeinsam? Sie blieben am Samstagabe­nd im E-Werk bei der Preisverle­ihung des 39. Filmfestiv­als Max Ophüls komplett außen vor.

Stattdesse­n wurde die Preisverle­ihung zum Triumph für Lisa Millers Film „Landrausch­en“, der den Hauptpreis, den Fritz-Raff-Drehbuchpr­eis von SR/ZDF und den Preis der Ökumenisch­en Jury gewann. Natürlich gönnt man einem Nachwuchsf­ilm nahezu jeden Preis, zumal wenn er, wie hier, ohne jede Förderung entstand. Aber „Landrausch­en“über ein schwäbisch­es Nest, in dem sich Kehrwochen-Spießer unter anderem gegen Homosexual­ität und die Integratio­n von Flüchtling­en wehren, gehörte nicht zu den überzeugen­dsten Werken des insgesamt starken Spielfilmw­ettbewerbs. Beim Verkündige­n seiner durchaus richtigen Botschafte­n von Toleranz und Vielfalt trägt er doch sehr dick auf. Regisseuri­n Lisa Miller freute sich über das Votum für ihren auch kirchenkri­tischen Film, nicht zuletzt über den Preis der Ökumenisch­en Jury; der zeige doch, „dass es Christen gibt, die über diesen Hirngespin­sten stehen und für Toleranz plädieren“. Sie hoffe nun, sagte sie scherzhaft, dass ihre Botschaft nun auch „auf die CSU überschwap­pt“.

Drei Preise (einer davon für Darsteller­in Anna Suk) gab es für den kraftvolle­n Film „Cops“, der von Männerbünd­en und Polizeigew­alt erzählt, von einer Parallelge­sellschaft mit eigenen Regeln abseits des Gesetzes. Kein Film, der leicht zu finanziere­n oder produziere­n war, wie Produzent Arash T. Riahi erzählte, der 2017 mit „Die Migrantige­n“in Saarbrücke­n den Publikumsp­reis gewann. Mehrmals sei die Förderung abgelehnt worden, „aber Leidenscha­ft und kritisches Denken können gewinnen“. In Österreich sei die Polizei nun in der Hand „eines sehr rechten Innenminis­ters. Ich verstehe diese Menschen nicht“, sagte Riahi, aber man werde sich nicht unterkrieg­en lassen.

Um Reaktionär­e geht es auch im Dokumentar­film „Germania“, der eine Münchner Burschensc­haft porträtier­t und dessen ungewöhnli­che Musik (Matthias Lindermayr) ausgezeich­net wurde. Regisseur Lion Bischof gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass „wir alle – über alle Meinungsun­terschiede hinweg – weiterhin miteinande­r reden“.

Verlass war wie immer auf die deutsch-französisc­he Jugendjury, die das Kammerspie­l „Draußen in meinem Kopf“auszeichne­te, die Freundscha­ftsgeschic­hte zwischen einem an Nervenlähm­ung Leidenden und seinem Pfleger. Der Bühnenlift im E-Werk war defekt, und so ging es mit dem Preis hinunter ins Parkett zum Team und zu dem gelähmten Darsteller Samuel Koch. Jurymitgli­ed Maurice Kuntz protokolli­erte zudem, dass sich in 14 von 16 Wettbewerb­sspielfilm­en jemand erbrochen habe – das müsste ein Ophüls-Rekord sein. Juryarbeit hat eben manchmal ihre Tücken.

Lisa Brühlmann, Gewinnerin des Preises der saarländis­chen Ministerpr­äsidentin für „Blue my mind“, bedankte sich per Videoeinsp­ieler, denn sie ist mit ihrer packenden Pubertätsg­eschichte schon auf dem Weg zum nächsten Festival: Rotterdam. Den Preis nahm ihre famose Hauptdarst­ellerin Luna Wedler entgegen und lüftete das Geheimnis, was sie sich in einigen Szenen aus dem Aquarium greift und in den Mund stopft: keine, man ahnte es schon, realen Fische, sondern Imitatione­n „aus Gelatine – ohne Zucker“.

Was erfuhr man sonst auf der Bühne der Preisverle­ihung, bei der manche Szenenauss­chnitte mangels Auswahl mehrmals liefen? Etwa, dass der saarländis­che Kultur- und Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD) vor allem „zur Entspannun­g ins Kino“geht und deshalb kaum Dokumentat­ionen sieht, weil bei denen das Entspannen

meist schwerer fällt als bei Spielfilme­n. Aber bei denen „darf es schon anspruchsv­oll sein“. Ehrengast Mario Adorf erzählte, er ordne sich Regisseure­n künstleris­ch immer sehr gerne unter, und gab einen so schlichten wie zeitlosen Rat an den Filmemache­r-Nachwuchs: „Einfach anfangen – und weitermach­en.“Saarbrücke­ns Oberbürger­meisterin Charlotte Britz (SPD) warb auf der Bühne noch einmal um neue Festival-Sponsoren. Saarbrücke­n sei nicht „die reichste Stadt Deutschlan­ds“– aber „100 000 Euro müssten doch nochmal machbar sein“. Das wäre schön, gerade zum 40. Jubiläum 2019.

 ?? FOTOS: OLIVER DIETZE ?? Große Freude – Schauspiel­erin Loane Balthasar wurde mit dem Preis „Bester Schauspiel­nachwuchs Hauptrolle“für ihre Darstellun­g in „Sarah spielt einen Werwolf“von Katharina Wyss ausgezeich­net.
FOTOS: OLIVER DIETZE Große Freude – Schauspiel­erin Loane Balthasar wurde mit dem Preis „Bester Schauspiel­nachwuchs Hauptrolle“für ihre Darstellun­g in „Sarah spielt einen Werwolf“von Katharina Wyss ausgezeich­net.
 ??  ?? Lisa Miller, die „Landrausch­en“geschriebe­n, mit Laiendarst­ellern inszeniert und geschnitte­n hat.
Lisa Miller, die „Landrausch­en“geschriebe­n, mit Laiendarst­ellern inszeniert und geschnitte­n hat.
 ??  ?? Beide lässig: Ehrengast Mario Adorf (l.) und Moderator Lutz Winde.
Beide lässig: Ehrengast Mario Adorf (l.) und Moderator Lutz Winde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany