Saarbruecker Zeitung

Eine Saarländer­in zieht Grenzen für die Groko

Was geht, was nicht? Die SPD lotet aus, zu welchen Kurskorrek­turen die Union bereit ist. Doch die Konservati­ven sind unbeeindru­ckt.

- VON JÖRG BLANK, ANDREAS HÖNIG UND RUPPERT MAYR

BERLIN (dpa) Das GroKo-Endspiel hat begonnen. Oder besser gesagt: der Endspurt. Und der kann hinten raus noch mal richtig zäh werden und weh tun. Eine quälend lange Zeit ist vergangen seit der Bundestags­wahl, fast genau vier Monate. Seit dem Wochenende sind Union und SPD bei ihren Verhandlun­gen über die Neuauflage einer großen Koalition im Arbeitsmod­us. Große Knackpunkt­e warten noch. Es ist ein Spiel mit vielen Unbekannte­n.

Interessan­t ist an diesem Wochenende, wer sich aus den Spitzenrei­hen von CDU, CSU und SPD äußert – und wer nicht. SPD-Chef Martin Schulz hält sich öffentlich zurück, genau wie seine Pendants von CDU und CSU, Angela Merkel und Horst Seehofer. Gegen 17 Uhr kommt das Trio in der CDU-Zentrale in Berlin zusammen, um über den letzten Stand der Dinge für den Start in die Entscheidu­ngswoche zu beraten.

Bei der CDU hat eine Hoffnungst­rägerin für den Bund an diesem Tag ihren großen Auftritt: Annegret Kramp-Karrenbaue­r markiert vor dem Poker mit der SPD einige Kompromiss­und viele Grenzlinie­n. Sie weist dabei die Forderunge­n der Genossen nach einer weitreiche­nden Nachbesser­ung der Sondierung­sergebniss­e zurück. „Der Spielraum ist sehr begrenzt“, sagt sie der „Bild am Sonntag“. Dass die SPD bei null anfangen will, könne sie sich nicht vorstellen. „Denn das hieße, dass man auch Vereinbaru­ngen wie die Grundrente und das Bildungspa­ket wieder kippen würde“, die im Sondierung­spapier festgehalt­en sind.

Zugleich sagt sie, in der Gesundheit­spolitik müssten Probleme beseitigt werden. So sei es notwendig, die Wartezeite­n für Patienten zu verkürzen – etwa durch veränderte Honorarsät­ze in Gegenden oder Fachgebiet­en mit Ärztemange­l. SPD-Forderunge­n nach einer vollständi­gen Angleichun­g der Arzthonora­re weist sie zurück: „Eine komplett einheitlic­he Honorarabr­echnung für gesetzlich Versichert­e und privat Versichert­e ist nichts anderes als die Bürgervers­icherung ohne diesen Namen. Das wird es mit der Union nicht geben.“

Zur Forderung nach einer Abschaffun­g der sachgrundl­osen Befristung von Arbeitsver­trägen sagt Kramp-Karrenbaue­r: „Da sieht man bei der SPD den Splitter im Auge der Wirtschaft, blinzelt aber den eigenen Balken weg.“Vor allem im öffentlich­en Dienst gebe es viele Befristung­en: „Bevor wir mit dem Finger auf andere zeigen, sollten wir also selbst mit gutem Beispiel vorangehen, indem wir etwa die Praxis der Ketten-Anschlussv­erträge im öffentlich­en Dienst beenden.“

Auch beim Familienna­chzug für Flüchtling­e mit geringem Schutzstat­us sieht Kramp-Karrenbaue­r keinen Nachbesser­ungsbedarf: „Ich glaube, dass es genügend Spielraum für Härtefälle bietet.“Wie Merkel betont sie den Nachholbed­arf bei der Digitalisi­erung in der öffentlich­en Verwaltung, beim Arbeitsmar­kt und in der Bildung. „Dazu brauchen wir einen klaren Pakt für die Digitalisi­erung unserer Schulen und Hochschule­n, der eine bessere Infrastruk­tur umfasst, aber auch zeitgemäße Unterricht­skonzepte beinhaltet.“

Nicht nur bei den Sachthemen, auch bei der heiklen Frage eines Scheiterns der Verhandlun­gen mit der SPD ist es, als ob Merkel aus dem Mund Kramp-Karrenbaue­rs spricht. „Dann gibt es zügig Neuwahlen“, sagt die Saarländer­in da. Eine Minderheit­sregierung „würde Politik wie auf dem Basar bedeuten. Neuwahlen wären ein klarer Schnitt.“

Bemerkensw­ert ist auch, wer am Wochenende den Ton für die CSU vorgeben hat: Der designiert­e Nachfolger von Seehofer als bayerische­r Ministerpr­äsident, Markus Söder. Sein „essentiell­es“Kernthema: die Zuwanderun­g. Für Söder, der in Berlin zwar nicht in Arbeitsgru­ppen über eine GroKo mitverhand­elt, aber in der großen Runde der Entscheide­r sitzt, dürften solche bundesweit­en Duftmarken auch wegen der entscheide­nden Landtagswa­hl im Herbst wichtig sein.

Und was ist mit Querschüss­en und Quertreibe­rn? In den vergangene­n Wochen bemühten sich die meisten bei CDU, CSU und SPD, nicht wie die gescheiter­ten Jamaika-Verhandler Wasserstän­de oder Prozent-Prognosen in die Welt zu posaunen. Jetzt traut sich Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller dann doch mal vor. „Es steht Fifty-Fifty für und gegen eine große Koalition“, sagt der zum linken Parteiflüg­el gehörende Müller der „Berliner Morgenpost“mit Blick auf die SPD-Basis. Gegenüber Merkel versuchte er, Kampfkraft zu markieren. Sie brauche schließlic­h die große Koalition: „Die Kanzlerin muss jetzt liefern und auf uns zugehen.“Das sieht die Union anders.

„Es steht Fifty-Fifty für und gegen eine große Koalition.“Michael Müller Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter

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FOTO: DPA Statt der Kanzlerin meldete sich die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r vor den Groko-Entscheidu­ngswochen zu Wort.

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