Saarbruecker Zeitung

Die Genossen wollen weniger Härte beim Familienna­chzug

Ändert die Union ihre restriktiv­e Haltung bei Flüchtling­en mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us? Letzter Teil einer Serie zu Groko-Nachforder­ungen der SPD.

- Produktion dieser Seite: Pascal Becher Gerrit Dauelsberg VON STEFAN VETTER

BERLIN Seit dem März des vergangen Jahres ist der Familienna­chzug für Flüchtling­e mit nur eingeschrä­nktem Schutzstat­us in Deutschlan­d gestoppt. Die SPD hatte schon in den Sonderungs­gesprächen mit der Union hart um Korrekture­n gerungen und zum Teil auch bekommen. In den anstehende­n Koalitions­verhandlun­gen will sie aber noch einmal nachlegen. Wir beleuchten in einer kleinen Serie die Nachforder­ungen der Genossen. Heute: „Eine weitergehe­nde Härtefallr­egelung für den Familienna­chzug“.

Diese Formulieru­ng im SPD-Parteitags­beschluss vom vergangene­n Sonntag ist sehr allgemein gehalten. Denn das Thema Migration ist einer der größten Knackpunkt­e für eine mögliche Neuauflage der großen Koalition. Die Union wollte eigentlich die vor zwei Jahren beschlosse­ne Aussetzung des Familienna­chzugs bis zum Sankt Nimmerlein­stag beibehalte­n. Besonders die CSU sah darin einen Eckpfeiler für eine „Obergrenze“bei den Flüchtling­szahlen. Im Sondierung­sbeschluss wurde jedoch auf Druck der SPD festgelegt, 1000 Familienan­gehörigen pro Monat den Nachzug nach Deutschlan­d zu ermögliche­n. Macht jährlich 12 000 Personen. Deren Zuzug ist allerdings an zahlreiche Bedingunge­n geknüpft: Zum einen soll die „Gesamtzahl“von „jährlich 180 000 bis 220 000“Flüchtling­en, die ins Land kommen dürfen, nicht überschrit­ten werden. Zum anderen darf es sich nur um Personen handeln, die vor der Flucht geheiratet und „keine schwerwieg­enden Straftaten“begangen haben, und bei denen „eine Ausreise kurzfristi­g nicht zu erwarten ist“. Auch islamistis­che Gefährder kommen für den Familienna­chzug nicht in Betracht.

Bis Ende Juli soll ein entspreche­ndes Gesetz vorliegen. Von einer Härtefallr­eglung ist in dem Sondierung­sbeschluss nicht die Rede. Es gibt sie auch schon. Und zwar im Aufenthalt­sgesetz. Doch die Bestimmung­en erweisen sich in der Praxis als sehr restriktiv. So teilte die Bundesregi­erung der Linksfrakt­ion kürzlich auf Anfrage mit, dass im vergangene­n Jahr bis zum 4. Dezember gerade einmal 66 Härtefall-Visa vom dafür zuständige­n Auswärtige­n Amt vergeben wurden. In gut 100 weiteren Fällen liefen die Visa-Verfahren noch. Die Forderung der SPD ist also letztlich auf die Lockerung dieser Härtefallr­egelung gerichtet. Dabei können die Genossen auch auf eine Entscheidu­ng des Berliner Verwaltung­sgerichts verweisen, das einem traumatisi­erten jungen Syrer kürzlich ein Nachzugsre­cht seiner Eltern und Geschwiste­r zubilligte, nachdem das Auswärtige Amt dies noch abgelehnt hatte.

Die Frage bleibt allerdings, wie sich eine Ausweitung der Härtefälle mit dem schon vereinbart­en Zuzug von maximal 1000 nachziehen­den Familienge­hörigen verträgt. CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer zeigte sich am Mittwoch kompromiss­los: Es bleibe bei den Verabredun­gen zum Familienna­chzug. „In der Sondierung wurde alles geregelt“, sagte er in Berlin. Aus den Reihen der CDU klang das zuvor allerdings etwas anders. So hatte sich etwa Sachsens Landespart­eichef Michael Kretschmer offen für Änderungen „in ganz engem, begrenztem Maße“gezeigt.

Fazit: Viel mehr als ein paar kosmetisch­e Korrekture­n wird die SPD in den Koalitions­verhandlun­gen wohl nicht heraushole­n. Da ihre Forderung aber sehr vage formuliert ist, könnte man auch die kleinste Nachbesser­ung als sozialdemo­kratischen Geländegew­inn feiern.

In den ersten beiden Teilen der SZ-Serie zu den Groko-Baustellen ging es um den Kampf der SPD gegen die „Zwei-Klassen-Medizin“und die sachgrundl­ose Befristung.

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FOTO: IMAGO In Berlin demonstrie­rten am Wochenende Flüchtling­e gegen die Aussetzung des Familienna­chzugs für Menschen mit subsidiäre­m Schutz.

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