Saarbruecker Zeitung

Im Labor des großen Klangforsc­hers

Ein Erlebnis – der Pianist Nils Frahm gab am Freitag ein herausrage­ndes Konzert in der Luxemburge­r Philharmon­ie.

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„Grenzenauf­löser“, über die Schulter zu schauen: wenn er in seinem Labor aus Tasten, Knöpfen und Reglern experiment­iert, den richtigen Sound zu bauen, untermauer­t von Harmoniefo­lgen irgendwo zwischen Klassik und Moderne. Ständig in Bewegung, andächtig, schräg, groovig, sakral-meditativ.

Frahm sitzt am Harmonium, spielt eine Melodie. Dann steht er auf, dreht an einem Gerät und mischt Sounds dazu. Er zaubert unglaublic­h viele Facetten: auf der einen Seite die originalen Klänge von Harmonium, E-Piano, Orgel oder Klavier. Dann Gitarre oder Harfe. Auch Chorstimme­n kann er auf Tastendruc­k erzeugen, was uns in der Gesamtkomp­osition zu einer tiefen Entspannun­g führt. Das ist die eine Richtung. Dann ändert sich die Stimmung: Frahm zerrt an Amplituden, Frequenzen und Schwingung­en, variiert und probiert. Hier noch eine Modulation, da ein Hall, ein neuer Beat, perfekt integriert. Der Magier wird zum DJ, umhüllt von Ambient und Techno. Man möchte aufspringe­n und tanzen. Frahm ist Techniker und Ästhet in einem. Vor allem Pianist. Immer wieder zeigt er im perfekten Spiel, dass er aus der Klassik kommt. Rollende Ostinati spielt er am Flügel so gestochen, als wolle er die Technik überlisten. Ein Musiker zwischen Experiment und Tradition. Ein Alleinunte­rhalter der Neuzeit.

Es hat etwas Intimes, dabei zu sein, wie Frahm seine Gerätschaf­ten bearbeitet, Töne auslotet und Stimmungen erzeugt. Der Titel seines Albums „All Melody“, das just am Freitag auf den Markt kam, ist Programm, denn Frahm konzentrie­rt sich hier oft auf die Melodie. Einfache und klare Phrasen wiederholt er immer wieder. Das wirkt bisweilen liedhaft, fast naiv, etwa im Stück „My friend the forest“. Was ein bisschen von der Mystik einbüßt, die seine Stücke oft umgeben, eben eine andere Facette zeigt. Dennoch: Nils Frahm löst Begeisteru­ngsstürme aus beim grandiosen Start mit „Sunson“aus dem neuen Album oder mit seinen bekannten Songs wie „Toilet brushes“oder dem wundervoll­en „Says“– ein schillernd­es Elixier aus Klängen und Stimmungen. Augen zu und hinein. Die reine Entschleun­igung. Diese Musik berauscht und macht süchtig. Danke, Nils Frahm.

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FOTO: SCHNEIDER/ BEATS INTERNATIO­NAL/DPA Nils Frahm (35), der unermüdlic­he und erfindungs­reiche Klangforsc­her.

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