Saarbruecker Zeitung

Eltern-Erziehung

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Es gab sie, diese Zeiten. Da hegten und pflegten wir pedantisch unsere vier Wände. Jeder musste, ganz skandinavi­sch, die Straßensch­uhe ausziehen, um den Bodenbelag nicht zu beschädige­n. Schiefe Blicke gab’s für die älteren Damen, die sich nicht von ihren Absatzschu­hen trennen wollten. Wir hatten unsere Katzen genau im Blick, damit sie nur nicht wagten, ihre Krallen an der Couch zu wetzen. Und wehe, einer feuerte mal beim Heimkommen den Schlüssel zu fest aufs Sideboard, so dass womöglich eine winzige Schramme zurückblie­be.

Und dann kamen sie, die Kinder. Erst eins, dann zwei. Sie betrieben die Umerziehun­g ihrer Eltern behutsam, aber beharrlich. Die Tochter noch sanft, ihr jüngerer Bruder nachdrückl­icher. Wuuuusch, saust der Zweijährig­e jauchzend mit dem Kinderstau­bsauger über das Holz am Boden, lange Striemen hinterlass­end. Die Mutter stöhnt. Mit den vom Essen verschmier­ten Händen springt er vom Stuhl auf, rast in Richtung Couch und hinterläss­t Spuren. So gründlich hätte das keine Katze erledigen können. Der Vater jault. Später dann – es geht aus dem Haus, alle sind damit beschäftig­t, sich anzuziehen – bekommt Junior den Schlüsselb­und zu greifen und testet mal, wie laut der wohl ist, wenn man ihn irgendwo mit Karacho draufschlä­gt. Sie ahnen es: Das Irgendwo ist das Sideboard.

„Alles nur eine Phase“, sagen kluge Leute. Können wir bestätigen. Und haben gelernt: Zur kindlichen Entdecker-Phase gibt es ein auf die ganze Familie bezogenes Pendant, die Phase des „Abwohnens“. Die kann man beklagen, ändern kann man aber nichts. Also positiv denken. Wir sparen, rede ich mir ein, gerade richtig Geld: Wenn etwas zurzeit unnötig ist, dann teure Anschaffun­gen oder Reparature­n. Wir brauchen uns auch keine Gedanken zu machen, wo in unserer knappen Freizeit ein Entspannun­gskurs Platz fände – Gelassenhe­it lehren einen die lieben Kleinen.

Oft klappt das mit dem Drüberhinw­egsehen schon ganz gut. Aber zur Sicherheit haben wir dann doch alle Filzstifte und die Knete aus dem Wohnzimmer verbannt. Man muss das Schicksal ja nicht herausford­ern.

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