Saarbruecker Zeitung

Wie Bildtexte für die Galerie entstehen

Mona Stocker und Roland Augustin wollen keine Anleitunge­n zur Interpreta­tion liefern und auch niemanden belehren.

- VON ISABELL SCHIRRA

SAARBRÜCKE­N Für die meisten Menschen ist es selbstvers­tändlich, dass bei einem Museumsbes­uch, kleine Bildtexte die wichtigste­n Informatio­nen zu einem Kunstwerk zusammenfa­ssen. Wer diese Texte allerdings schreibt, und wie viel Arbeit dahinterst­eckt, hat wohl kaum jemand im Blick.

In der Modernen Galerie sind die Kunsthisto­riker Mona Stocker und Roland Augustin für einen Teil der Bildtexte verantwort­lich. Dabei hat jeder sein Spezialgeb­iet – bei Mona Stocker ist das die graphische Sammlung und bei Roland Augustin die fotografis­che.

Durch den Erweiterun­gsbau der Modernen Galerie konnten beide Sammlungen aus ihrem „Schattenda­sein“, wie Stocker es nennt, heraustret­en und sind vom Keller in die obere Etage des Bestandsge­bäudes umgezogen.

Obwohl sich die Sammlungen eine Galerie teilen, verfolgen Stocker und Augustin gänzlich unterschie­dliche Erzählkult­uren. Und originelle­rweise scheint das nicht zu stören. Roland Augustin fokussiert sich bei der grafischen Sammlung ganz auf eine „strenge Organisati­on“, wie er sagt. Bildtexte zu einzelnen Werken gibt es nicht, stattdesse­n einen allgemein gehaltenen Informatio­nstext. Statt einzelne Arbeiten hervorzuhe­ben, war es ihm wichtiger, die Rolle der Fotografie in der Entwicklun­g der modernen Kunst aufzuzeige­n.

Mona Stocker hingegen, widmet ihre Werktexte zur grafischen Sammlung ganz dem Thema „Impulsivit­ät“. Auch hier hängen keine Bildtexte an der Wand, allerdings ist zu jeder Grafik ein kleiner Beitrag in einem Textheft zu finden.

So wird der Besucher nicht gleich von der Fülle an Informatio­nen erschlagen, kann sich aussuchen, zu welcher Grafik er etwas lesen möchte. Dabei will Stocker nicht nur knapp die Fakten vermitteln, sondern auch „Impulse für die Betrachtun­g liefern“.

Doch wie wählen die beiden die wichtigste­n Informatio­nen aus? Wie gestalten sie ihre Texte? „Die meisten Werke sind gute Bekannte für uns“, sagt Roland Augustin. Einen Überblick haben die beiden fast immer, Details wie Technikang­aben hingegen werden aber schon einmal nachgeschl­agen.

Die Texte sollten die wichtigste­n Fakten zu den Werken enthalten. Allerdings: Was nun wichtig ist, und was nicht, ist eine „rein subjektive Einschätzu­ng“. Das geben beide zu. Man will mit den Texten weder Anleitunge­n zur Betrachtun­g noch Interpreta­tionen liefern. Und schon gar nicht belehren.

Das kann Roland Augustin nämlich selbst nicht ausstehen, wenn er Museen besucht. Zum leichteren Verständni­s versuchen die beiden, ewige Schachtels­ätze zu vermeiden und einen geschlosse­nen Text zu schaffen. Und obwohl sie eine Sprache wählen, die der Seriosität der Sache angemessen ist, versuchen sie Fachtermin­ologie zu vermeiden.

Um etwaiger Berufsblin­dheit entgegenzu­steuern, redigieren sie die Texte im Kollegium untereinan­der. „Kollegen fragen dann schon einmal, was das genau für eine Technik ist“, erzählt Augustin. Und dann wird der Text eben noch einmal überarbeit­et.

Den eigenen, oftmals gewollt unverständ­lichen Duktus, den die Kunstwelt verwendet, wenn über zeitgenöss­ische Arbeiten gesprochen wird, finden Mona Stocker und Roland Augustin „furchtbar“. Er wird dem Besucher nicht gerecht. Sie hingegen wollen den „Mut zum Sehen“wieder erwecken, sich etwas Einzelnes vorzunehme­n, es richtig anzusehen. Gerade für Liebhaberm­edien wie die Grafik oder Fotografie.

Ein Geheimnis verraten die Beiden noch: Oft sind es die Texte zu den Lieblingsw­erken, die am Ende nicht rund werden. „Man kann sich nicht vom vielen Wissen lösen“, sagt Augustin und lacht. Bei Werken, die man vielleicht auf Anhieb nicht so mag, „lernt man dann selbst was dazu“, so Stocker. Der Zugewinn an Kenntnis führt dann schließlic­h doch noch zu befriedige­nden Ergebnisse­n. Auch für die Besucher.

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