Saarbruecker Zeitung

Nordsaarla­nd beklagt mehr Stress durch Fluglärm

Militärisc­he Übungsflüg­e rauben den Menschen seit Jahren die Ruhe. In den vergangene­n zwei Wochen war es besonders schlimm.

- VON NORA ERNST

SAARBRÜCKE­N Die Nerven der Saarländer sind in den vergangene­n zwei Wochen besonders arg strapazier­t worden. Der militärisc­he Fluglärm, den ohnehin schon viele als Belastung empfinden, nahm noch einmal zu. Vom 5. bis 16. März waren zwölf zusätzlich­e US-Kampfflugz­euge einer Einheit der „National Guard“aus Ohio für Übungsflüg­e auf der Air Base Spangdahle­m stationier­t. Im gleichen Maß wuchs die Zahl der Beschwerde­n von Bürgern, beim Innenminis­terium registrier­te man einen „signifikan­ten Anstieg“. Losheims Bürgermeis­ter Lothar Christ (SPD) sieht inzwischen die Lebensqual­ität der Menschen beeinträch­tigt: „Mich erreichen schon Briefe von Bürgern, die aus der Region wegen des Fluglärms wegziehen möchten.“

Auch für Holger Marzen von der Bürgerinit­iative gegen Fluglärm, Bodenlärm und Umweltvers­chmutzung ist das Maß voll: „Es war barbarisch laut. Die Kampfjets ließen den Boden vibrieren.“Über sieben Stunden Lärm habe die Initiative allein am 13. März verzeichne­t. „Das ist menschenve­rachtend“, betont Marzen. Das Hauptprobl­em ist aus seiner Sicht die US Air Force: „Sie deckt ihren ganzen Übungsbeda­rf bei uns ab, und das Bundesvert­eidigungsm­inisterium ist nicht bereit, das gerechter auf die Lufträume zu verteilen.“

Acht „Sonderluft­räume“, sogenannte TRAs („Temporary Reserved Airspace“), gibt es über Deutschlan­d, die für Übungsflüg­e vom Militär gebucht werden können. Über dem Saarland und der Westpfalz befindet sich die TRA Lauter, die in vier Quadranten aufgeteilt ist. Ein Quadrant liegt hauptsächl­ich über dem Saarland. Geflogen werden darf montags bis donnerstag­s von 8 Uhr bis 23.30 Uhr, freitags bis 17 Uhr. Von Mai bis September ist um 21 Uhr Schluss.

„Wir sind nicht bereit, regelmäßig­e Übungen nach 18 Uhr zu tolerieren. Das muss die Ausnahme sein“, sagt Marzen. Der Lärm müsse auf maximal ein bis zwei Stunden am Tag gedeckelt werden, freitags sollte ab zwölf Uhr gar nicht mehr geflogen werden. Laut Marzen waren die Sonder-Übungen der US-Streitkräf­te nur die Spitze des Eisbergs. Der Fluglärm habe insgesamt zugenommen.

Das Innenminis­terium bestätigt, dass 2017 im Vergleich zum Vorjahr am Himmel über dem Saarland wieder mehr Betrieb war. 2016 gab es demnach 960 Übungsflüg­e in der TRA Lauter. Im ersten bis dritten Quartal 2017 waren es bereits 988 (die Zahlen für das vierte Quartal liegen noch nicht vor). Laut einer Sprecherin des Luftfahrta­mts der Bundeswehr befand sich die US Air Force 2016 in einem Einsatz. Nach ihrer Rückkehr 2017 habe die Nutzung der TRA Lauter „annähernd wieder den Stand vor der Verlegung in den Einsatz“erreicht.

Sie betonte jedoch, dass der Flugbetrie­b gleichmäßi­ger auf die einzelnen Sektoren der TRA Lauter aufgeteilt worden sei. „Auch die Verteilung des Flugbetrie­bs auf alle vergleichb­aren TRAs ist weitestgeh­end gelungen“, sagte die Sprecherin. Jeweils etwa 20 Prozent der Flüge fänden in den betreffend­en Lufträumen statt. Die Übungen weiter einzuschrä­nken, sei „mit Blick auf den Erhalt der Einsatzber­eitschaft der Streitkräf­te“nicht möglich. Allerdings sei die Bundeswehr offen für weitere Möglichkei­ten, den Lärm zu reduzieren, solange diese sich nicht negativ auf die Einsatzber­eitschaft auswirkten. Welche das sein könnten, ließ sie offen. Auch das Innenminis­terium erklärte, man suche im ständigen Dialog mit dem Verteidigu­ngsministe­rium nach weiteren Optionen. Die Zahl der Flüge an Freitagnac­hmittagen wurde laut Innenminis­terium bereits eingeschrä­nkt. Demnach gab es 2016

freitags nach 14 Uhr nur 13 Übungsflüg­e, im ersten bis dritten Quartal 2017 waren es sieben.

Den Vorschlag der Bürgerinit­iative, als Ausgleich für die intensive Nutzung durch die Amerikaner keine Maschinen der Bundeswehr oder anderer Streitkräf­te in der TRA Lauter üben zu lassen, lehnte das Luftfahrta­mt ab. Die Ausbildung und das Training der Piloten seien dringend notwendig. Deshalb sei die Nutzung des Luftraums unumgängli­ch.

SPD, Linke und Grüne sehen die Landesregi­erung in der Pflicht, beim Bundesvert­eidigungsm­inisterium mehr Druck zu machen. Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) müsse den Fluglärm zur Chefsache machen, forderte Grünen-Chef Markus Tressel. Das Friedensne­tz Saar, das sich für eine generelle Abrüstung einsetzt, appelliert­e an die Landesregi­erung, dem „militärisc­hen Irrsinn“Einhalt zu gebieten.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Z wölf zusätzlich­e Kampfflugz­euge aus Ohio waren in den vergangene­n Tagen auf der US-Airbase Spangdahle­m stationier­t. Die Piloten flogen zahlreiche Übungsflüg­e.

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