Saarbruecker Zeitung

Bahn bekommt neuen Aufsichtsr­atschef

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Michael Odenwald, Staatssekr­etär im Bundeswirt­schaftsmin­isterium, soll neuer Aufsichtsr­atschef der Bahn werden. Bahnchef Richard Lutz legt nach einem Jahr im Amt morgen die Bilanz des Unternehme­ns vor.

Wer ist Richard Lutz? Würde diese Frage bei „Wer wird Millionär?“gestellt, müsste der Kandidat mit sehr hoher Wahrschein­lichkeit einen Joker in Anspruch nehmen. Richard Lutz hat es nach genau einem Jahr als Chef der Deutschen Bahn geschafft, öffentlich so unscheinba­r zu sein wie wohl keiner seiner Vorgänger. Immerhin steht er in der Tradition von Rüdiger Grube und dem wohl bekanntest­en Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn, dem gerne polternden und von vielen gefürchtet­en Manager, der die Bahn mit aller Gewalt an die Börse bringen wollte. Dafür nahm er einen heftigen Sparkurs, Personalab­bau und sogar die Abschaffun­g der Speisewage­n als Plan in Kauf. Man musste seine ruppige Art nicht gut heißen, aber man wusste zumindest, woran man mit ihm war. Umstritten in Methoden, aber unumstritt­en als Kämpfer für die Bahn.

Doch für was steht und kämpft Richard Lutz? Er hätte gewaltige Aufgaben zu erledigen. Doch für die Bahn ist längst der Anschluss weg. So müsste es im digitalen Zeitalter zum Beispiel schon überall in Deutschlan­d möglich sein, eine günstige Mobilitäts­kette zu buchen: Ein Leihauto, das einen zum Bahnhof bringt und das man dort abstellt, ein preiswerte­s Zugticket zum Ziel, und dort wiederum ein Leihfahrze­ug, alles inklusive. Wer heute Kunden an sich binden will, muss alte Zöpfe abschneide­n. Dazu gehören auch Sonderange­bote mit Zugbindung. In der heute schnellleb­igen Gesellscha­ft mit kurzfristi­gen Verpflicht­ungen muss es möglich sein, kurzfristi­g zu reisen und dafür auch jederzeit günstige Tickets ohne Zugbindung zu bekommen. Bahnfahren muss auch ohne Bahncard attraktiv sein. Hier sollte die Bundesregi­erung Druck ausüben und auf bessere Angebote drängen, wenn sie verhindern will, dass Deutschlan­d am Verkehrsin­farkt erstickt.

Kostenlose­s W-Lan in allen Zügen muss es ebenfalls schnell geben. In vielen Regionalzü­gen, auch im Saarland, kann man davon nach wie vor nur träumen. Die Bahn darf sich nicht auf das Argument zurückzieh­en, die für Nahverkehr zuständige­n Länder müssten für W-Lan sorgen. Die Bahn muss sich hier an günstigen Lösungen beteiligen, sonst gilt das Unternehme­n als verstaubt und von gestern.

Überhaupt hat Bahnchef Lutz gerade in unserer Region großen Nachholbed­arf. Der morgendlic­he ICE von Saarbrücke­n nach Stuttgart – als Ersatz eines weggefalle­nen ICE/TGV von Paris nach Frankfurt – fährt mit uraltem Zugmateria­l, für das man sich schämen muss. Überhaupt lässt die Bahn jede Initiative vermissen, sich für weitere ICE/TGV-Verbindung­en einzusetze­n, obwohl die Züge heute schon voll sind. Das Gleiche gilt für bessere Zugverbind­ungen nach Luxemburg, wohin immer mehr Pendler unterwegs sind. Mal sehen, ob die neue politische Konstellat­ion in Berlin den Bahnchef wecken kann: Weder die CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, noch Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (beide CDU) und der neue Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) können ein Interesse daran haben, dass ihre Heimat als Region und als Wirtschaft­sstandort zur Bedeutungs­losigkeit verkommt.

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