Saarbruecker Zeitung

„In den USA will jeder schneller und als erster am Markt sein“

Der HTW-Professor, der selbst Roboteraut­os erforscht, warnt vor einem fatalen Wettrennen. Besser sei: Erst testen, dann testen und dann noch mehr testen.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE PASCAL BECHER

SAARBRÜCKE­N Es geht nicht darum, das erste selbstfahr­ende Auto auf die Straße zu bringen, sondern das sicherste, sagt Horst Wieker. Warum das den Merzigern Mut machen soll, erklärt der Leiter der Forschungs­gruppe Verkehrste­lematik an der HTW der SZ.

2016 war ein Tesla-Roboterwag­en auf Todesfahrt in den Schlagzeil­en, nun ein autonomes Uber-Auto und jetzt wird wieder die ganze Technik infrage gestellt. Zu Recht?

WIEKER Absolut nicht. Man muss jetzt nicht alles verteufeln. Bei Uber hatten wir es ganz klar mit einem Entwicklun­gsfahrzeug zu tun. Also ein Auto, das im öffentlich­en Raum gefahren ist, obwohl es dort streng genommen noch nicht hingehört hätte. Es waren aber Test-Ingenieure an Bord – und irgendetwa­s ist bei der Fahrt gehörig schief gelaufen.

Und bei Tesla war das anders?

WIEKER Vorsichtig gesagt: Dieser Tesla war ein unausgerei­ftes Produkt, das auf den Markt gekommen ist und dazu kam noch die unsachgemä­ße Nutzung des Autopilote­n.

Aber wie kann so etwas sein?

WIEKER Wir erleben in den USA und Europa zwei unterschie­dliche Entwicklun­gswelten, wenn es darum geht, neue Produkte in den Handel zu bringen.

Erklären Sie das bitte einmal kurz…

WIEKER In den USA herrscht ein revolution­ärer Ansatz: Jeder Unternehme­r will möglichst schnell und als erster am Markt sein. Dabei nimmt er auch in Kauf, dass sein Produkt nicht hundertpro­zentig marktreif ist. Das ist ihm nicht so wichtig wie die volle Medienaufm­erksamkeit. In Europa ist das anders: Hier wird nach einem evolutionä­ren Ansatz gearbeitet. Das heißt: Bei uns muss der Reifegrad der Technik sehr hoch sein, bis man damit überhaupt in die Öffentlich­keit darf. Sie müssen mit einem autonomen Auto eigentlich einen GrandPrix gewinnen, bevor Sie es auf einer Landstraße fahren dürfen. Viele Dinge werden auf abgesperrt­en Teststreck­en und -feldern auf Herz und Nieren geprüft – unter unterschie­dlichsten Bedingunge­n. Das ist kostspieli­g. Die Frage ist: Hat Uber diesen Invest gemacht?

Aber Sie und die HTW testen ja auch auf der Straße. Genauer gesagt auf der autonomenT­eststrecke in der Merziger Bahnhofstr­aße.

WIEKER Wir testen dort aber nur Teil-Komponente­n, die irgendwann mal in vollautoma­tischen Autos verbaut werden sollen – etwa ein Automatik-Stopp bei einer roten Ampel oder ein Alarmsigna­l, wenn ein Auto falsch in die Einbahnstr­aße einfährt. Bei uns sitzt immer ein Fahrer am Lenkrad, der steuert, Gas gibt und bremst. Die Merziger Bürger müssen sich also keine Sorgen machen, dass sie von einem Roboteraut­o überfahren werden könnten.

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Horst Wieker
FOTO: HTW SAAR HTW-Professor Horst Wieker

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