Saarbruecker Zeitung

Das Saarland hat seit 1989 schon 22 Tierarten verloren

Auch im Saarland haben Klimawande­l und Landwirtsc­haft dafür gesorgt, dass seit 1989 ingesamt 22 Tierarten als ausgestorb­en gelten.

- VON STEPHANIE SCHWARZ

SAARBRÜCKE­N Weltweit steigt jährlich die Zahl der Tierarten, die vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorb­en sind. Laut der Roten Liste des WWF waren im vergangene­n Jahr fast 26 000 Tier- und Pflanzenar­ten weltweit gefährdet. Nationale und internatio­nale Tierschutz-Initiative­n versuchen diese Tierarten und ihre Lebensräum­e zu retten. Für einige kommt der Artenschut­z jedoch schon zu spät. Auch im Saarland.

Seit 1989 gelten etwa 22 Tierarten im Saarland, darunter vor allem Vögel und Schmetterl­inge, als ausgestorb­en, teilte das Umweltmini­sterium auf Anfrage mit. Einige davon seien nicht nur im Saarland, sondern auch im gesamten Bundesgebi­et verschwund­en. Wie beispielsw­eise die Haubenlerc­he, der Gelspötter oder der Steinschmä­tzer. 1997 brüteten höchstens noch zehn Haubenlerc­h-Paare im Saarland. Wenige Jahre später waren auch diese verschwund­en. Vor rund 18 Jahren seinen die drei Vogelarten zum letzten Mal gesehen worden. Ursachen der Ausrottung: Ausbreitun­g der Landwirtsc­haft und die Zerstörung des Lebensraum­s. Nicht bei jeder Tierart könnte das Aussterben verhindert werden. „Wir werden nicht jede Tierart im Saarland retten können. Wenn wir es jedoch schaffen, die Lebensräum­e zu erhalten, wäre das ein großer Beitrag zum Erhalt der Artenvielf­alt“, sagt ein Experte des Zentrums für Biodokumen­tation in Schiffweil­er. Dort werden seit 2002 naturkundl­iche Sammlungen untergebra­cht und erforscht. Ebenso hat das Zentrum ein Auge auf die heimische Tier- und Pflanzenwe­lt und erstellt derzeit eine neue Rote Liste der bedrohten Tierarten im Saarland, die 2020 erscheinen soll.

Es ist vor allem der Mensch, der für die unwiederbr­ingliche Ausrottung zahlreiche­r Tierarten verantwort­lich ist. Beispielsw­eise durch eine Intensivie­rung der Landwirtsc­haft – einschließ­lich der vermehrten Nutzung von Pestiziden, durch die fortschrei­tende Umweltvers­chmutzung und den Klimawande­l wird der Lebensraum vieler Tiere immer weiter zerstört. Und letztlich verschwind­en weltweit immer mehr Tierarten, auch im Saarland – sie sterben aus. Oder besser gesagt: sind „verscholle­n“, wie die Experten des Zentrums für Biodukumen­tation bevorzugt sagen.

„Ausgestorb­en“sei ein zu endgültige­r Begriff um die Situation bestimmter Tierarten, wie zum Beispiel der Insekten, im Saarland zu beschreibe­n: „Bei den Insekten ist eine flächendec­kende Erfassung nicht möglich, da es sich oft um versteckt lebende Arten handelt. Deshalb ist hier verscholle­n besser.“Denn irgendwo fernab der Kontrolle des Zentrums in irgendeine­m Busch oder in einer hohen Baumkrone könnte es das Insekt doch noch geben.

Wie steht es jedoch um die Säugetiere im Saarland? „Erfreulich­erweise“seien „mit Blick auf die großen und bekannten Tierarten“in den vergangene­n 30 Jahren keine Verluste festzustel­len, teilte das Zentrum für Biodokumen­tation mit.

Neben der Lebensraum­zerstörung gehört auch der Klimawande­l zu den Hauptursac­hen für sinkende Artenvielf­alt. Ein Beispiel ist der Dukatenfal­ter, der seit 2010 im Saarland als „verscholle­n“gilt. „Dem Schmetterl­ing ist bei uns einfach zu warm geworden“, so ein Zentrums-Experte. Der Dukatenfal­ter hatte sich zweitweise in kühlere Höhenlagen im Saarland zurückgezo­gen, aber auch dort wurde er nun seit fast acht Jahren nicht mehr gesehen. Und zählt nun zu den verscholle­nen Arten. Weitere Schmetterl­inge, die saarländsi­che Forscher seit Jahren nicht mehr zu Gesicht bekamen, sind der Graublauer Bläuling, die Pflaumengl­ucke und der Kaiserbär. Ob sie je wieder zurückkehr­es, ist ebenfalls fraglich.

Aber auch neue Tierarten kommen durch den Menschen ins Saarland – sogenannte „Neubürger“, sagt ein Forscher des Zentrums. Insbesonde­re bei den Insekten sei ein ständiges Kommen und Gehen zu beobachten. Auf den ersten Blick klinge die Neueinbürg­erung von Tieren vielverspr­echend, aber auch neue Arten hätten ihre Nachteile. Denn die „Neuen“können bereits etablierte Tierarten verdrängen. Ein Beispiel: der Asiatische Marienkäfe­r. Dieser Käfer sei jahrelang als Bio-Waffe gegen Blattläuse eingesetzt worden und habe sich im Saarland stark vermehrt. Darunter litten vor allem die heimischen Marienkäfe­r: „Zum Beispiel der Siebenpunk­t. Diese Tiere sind viel konkurrenz­schwächer und nicht so gefräßig wie der asiatische Vertreter“, sagt ein Experte. Die Folge: Sie werden immer weiter verdrängt.

Von den Säugetiere­n sei nur eine Tierart von der Ausrottung betroffen – was die meisten Saarländer jedoch kaum stören wird: die Hausratte – auch Rattus rattus genannt. 2007 hat man sie zuletzt in Saarbrücke­n gesehen. Seitdem gilt sie als verscholle­n. Die Hausratte – nicht zu verwechsel­n mit der in der Kanalisati­on lebenden etwas größeren Wanderratt­e – ist deutschlan­dweit vom Aussterben bedroht. Es bestehe aber dennoch jederzeit die Möglichkei­t, dass sie ihren Weg zurück ins Saarland findet.

„Wir werden nicht jede Art im Saarland retten können.“

Forscher

Zentrum für Biodokumen­tation

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FOTO: HEIKO SCHMALJOHA­NN/DPA Der Steinschmä­tzer (Oenanthe oenanthe) wurde 1990 zuletzt im Saarland gesichtet. Seitdem gilt er als augestorbe­n.
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FOTO: DPA Die Hausratte (Rattus rattus) gehört bundesweit zu den gefährdete­n Tieren. Im Saarland wurde sie 2007 zuletzt gesehen und gilt als ausgestorb­en.

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