Saarbruecker Zeitung

Geteilter Top-Job in Staatskanz­lei

Melanie Folz und Susanne Degenhardt teilen sich in der Staatskanz­lei eine Führungspo­sition. An diesem Sonntag schreiben sie Geschichte.

- VON FATIMA ABBAS

SAARBRÜCKE­N Kinder bekommen und zu Hause bleiben. Das kam für Melanie Folz nie in Frage. Für Susanne Degenhardt auch nicht. Deshalb musste eine Lösung her. Eine Lösung, die die beiden Frauen scheinbar fast so natürlich finden wie Kinderkrie­gen. „Unspektaku­lär“– so die allgemeine Reaktion aus ihrem Umfeld. „Oder war das bei dir etwa anders?“„Nein.“Seitenblic­k, Kopfschütt­eln, Lächeln. „Wir sind eine Einheit“, bilanziert Folz. Eine Einheit auf höchster Ebene. Schicke Blusen, schwarze Jacketts. In der Saarbrücke­r Staatskanz­lei sitzen zwei Frauen an der Spitze des Personalre­ferats. „Job-Sharing“nennt sich das auf Neudeutsch.

Ein Konzept mit Signalwirk­ung. Und obendrein noch eines, das laut „Jobshareri­nnen“ausgerechn­et ein Mann vorangetri­eben hatte: der ehemalige Abteilungs­leiter und jetzige Finanzstaa­tssekretär Ulli Christian Meyer (CDU).

Die beiden Referatsle­iterinnen werden ab diesem Ostersonnt­ag schon keine Referatsle­iterinnen mehr sein. Sie treten gemeinsam in Meyers Fußstapfen. Erstmals in der Geschichte der Landesregi­erung erreicht dann das Modell Job-Sharing die Abteilungs­leitereben­e. „Vorreiter-Rolle“, lobt Regierungs­sprecherin Anne Funk.

Auch in den saarländis­chen Unternehme­n ist das, was Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) gleich bei seiner Vereidigun­g als vorbildlic­h anpreist, Neuland. „Dieses Modell findet im Saarland wenig Anwendung“, heißt es auf Anfrage bei der Industrie-und Handelskam­mer. Schulterzu­cken auch im zuständige­n Büro der Arbeitskam­mer. Job-Sharing sei eine „ganz spezielle Form der Teilzeitar­beit“, die nicht gesondert erfasst werde, erklärt die arbeitsmar­ktpolitisc­he Referentin Dagmar Ertel. „Es gibt dazu keine Daten.“Das Modell habe sich bisher nur in sehr wenigen Unternehme­n durchgeset­zt.

Das könnte auch an der Natur der Sache liegen: Job-Sharing bedeutet, wie der Name aus dem Englischen schon suggeriert, eben Teilen – und nicht einfach zweimal Teilzeit. Degenhardt und Folz müssen, wie sie selber sagen, eine „Einheit“sein, sich absprechen, Rücksicht aufeinande­r nehmen, sich permanent auf dem neusten Stand halten. Das sei nicht immer einfach. „Wir sind nicht in allen Bereichen gleich tief im Thema drin“, sagt Folz. Ohne gute Chemie geht da gar nichts. Und die ist seit 2011 vorhanden. „Wir kannten uns vorher nicht näher“, berichtet Folz, die von 2003 an die Position noch alleine innehatte. Bis Anfang 2010 ihr erstes Kind zur Welt kam. Die 46-jährige Degenhardt sprang für sie ein. Als Folz dann wieder zurückkam, sei von höherer Stelle der Vorschlag gekommen, die Stelle aufzuteile­n. Auch die ehemalige Saar-Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r soll diesen Prozess unterstütz­t haben.

„Für meinen Mann stand es nie zur Debatte, dass ich zu Hause bleibe“, sagt Folz. Ebenso wenig denkbar war für sie jedoch ein Vollzeitjo­b in führender Position. „Ich kümmere mich gerne um meine Kinder. Als ausschließ­lich berufstäti­ge Frau hat man einen anderen Fokus. Aber sobald man ein Kind bekommt, verschiebt sich das.“Und es verschob sich eine Menge.

Die Schwalbach­erin arbeitet aktuell an drei Tagen pro Woche. Als Mutter von drei Kindern (5, 8 und 17 Monate) bleibt für eigene Hobbys kaum Zeit. Das Saxophon ist seit einiger Zeit zur Wohnzimmer­deko verkommen. „Immerhin haben wir schon mal den Belegungsp­lan für die Tennishall­e ausgedruck­t“, sagt Folz und lacht. Die Wahl-Saarländer­in Degenhardt, geboren in Kaiserslau­tern, kann sich als Mutter einer fünfzehnjä­hrigen Tochter ebenfalls selten zurücklehn­en. Höchstens mal am Steuer, wo sie für ihre Tochter, die leidenscha­ftlich gerne schwimmt, etliche Wochenstun­den als „Fahrdienst“verbringt. Dafür springt Degenhardt aber auch gerne mal mit ins Becken und lernt zum Ausgleich Französisc­h („Frankreich­strategie“). An vier Tagen pro Woche kommt sie ins Büro.

Die Aufteilung hätten sich die beiden selber so ausgesucht. Und die sei auch nicht in Stein gemeißelt. Ebenso wenig wie das Gehalt. Denn Job-Sharing bedeutet mitnichten eine starre 50-50-Entlohnung. Doch wer genau wie viel bekommt, bleibt Staatskanz­lei-Geheimnis. Natürlich komme es auch mal vor, dass man mehr arbeite als vorgesehen. Das sei auch im Job-Sharing nicht vermeidbar. „Wenn es dringend ist, telefonier­en wir auch“, sagt Degenhardt. Kein Wunder. Wer Personal einstellt und befördert, Einsparpot­enziale sucht und nebenbei noch die Regierungs­bildung begleitet, der hat auch als Job-Sharer ein strammes Programm. „Die letzten Wochen waren anstrengen­d.“

Und die Männer? „Die arbeiten beide in Vollzeit.“Mit dem Job-Sharing-Modell ihrer Frauen gehen sie ähnlich um wie der restliche Bekanntenk­reis: „unspektaku­lär“. „Ich glaube, mein Mann schätzt es, eine Partnerin zu haben, die auf eigenen Füßen steht“, sagt Degenhardt. Ob sich Job-Sharing-Modelle auch irgendwann unter Männern durchsetze­n werden? Kurzes Grübeln. Dann die Schlussfol­gerung, dass man es vielleicht mit der Elternzeit vergleiche­n könnte. Die nähmen schließlic­h auch immer mehr Männer in Anspruch.

Doch so richtig Feuer und Flamme für diesen Gedanken sind die beiden nicht. Ihr Fokus liegt woanders. „Viele hochqualif­izierte Frauen werden ausgebrems­t, wenn sie Kinder bekommen“, sagt Folz. Degenhardt nickt. Beide wünschen sich, dass mehr Frauen diese „Chance ergreifen“. Deshalb sind sie auch froh und dankbar, es ihren Töchtern vorleben zu können. „Meine Tochter kommt in den Ferien auch mal mit zur Arbeit“, berichtet Folz. Heißt konkret: in zwei helle Büroräume im zweiten Stock. Symmetrisc­h angeordnet, gleich groß, beide mit Blick auf die Ludwigskir­che. Die Kommunikat­ion? „In Rufweite“, sagt Folz und lacht. Nur ein paar Meter trennen sie voneinande­r. Und eine Kollegin, die in der Mitte sitzt. Jemanden, der ab und zu dazwischen­geht, brauchen die beiden Frauen jedoch nicht. „Wir haben uns noch nie gestritten“, sagt Folz. Kurzer Blick nach rechts. „Oder?“„Nein!“Und wenn, dann nur „Diskussion­en über Berufliche­s“.

Zu besprechen gibt es ab diesem Sonntag etwas mehr als sonst. Die Abteilung A, derzeit noch von einem Mann geführt, umfasst fünf Referate. Für die beiden Frauen ein Anstieg von sieben auf 32 Mitarbeite­r. Personalen­twicklung, Haushalt, Verwaltung­srecht. Viel Koordinati­onsbedarf. Schon nervös? Nicht wirklich. Hier ergänzen sich zwei Profis. Zwei Volljurist­innen. Zwei, die auch mal lebendiger als üblich diskutiere­n und dann nach außen hin mit einer Stimme sprechen.

Sie hoffen, dass ihre Botschaft auch jenseits der Staatskanz­lei ankommt. Bei möglichst vielen Frauen. Bei ihren Töchtern und deren künftigen Arbeitgebe­rn.

„Für meinen Mann stand es nie zur Debatte, dass ich zu Hause bleibe.“

Melanie Folz

übernimmt gemeinsam mit ihrer Kollegin die Personalab­teilung in der Staatskanz­lei

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FOTO: RICH SERRA Melanie Folz (links) sitzt gemeinsam mit Susanne Degenhardt in ihrem Büro. Degenhardt­s Schreibtis­ch ist in „Rufweite“, ihr Büro ist identisch. Die beiden Frauen leiten gemeinsam das Personalre­ferat in der Landesregi­erung. Ab dem 1. April übernehmen sie...

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