Saarbruecker Zeitung

Ehrenamtle­r sehen in Affäre um LSVS Generalver­dacht

Die Korruption­sexpertin Sylvia Schenk spricht in Saarbrücke­n über „Moral und Ethik im Ehrenamt“. Sie nimmt auch zum LSVS Stellung.

- DIE FRAGEN STELLTE JANA BOHLMANN.

SAARBRÜCKE­N (jkb) Saarländis­che Ehrenamtle­r beklagen einen „gewaltigen“Imageschad­en durch die Finanz-Affäre um den Landesspor­tverband LSVS. Das sagte der Präsident der Landesarbe­itsgemeins­chaft Pro Ehrenamt, Hans Joachim Müller, der SZ. Ihm tue es weh, „dass jetzt so viele Ehrenamtli­che unter Generalver­dacht stehen“. Im LSVS-Skandal waren zuletzt die Hintergrün­de von Dutzenden Scheck-Übergaben an Vereine mit dem offizielle­n Ziel der Ehrenamtfö­rderung in den Fokus geraten.

Die Korruption­sexpertin Sylvia Schenk von der Organisati­on Transparen­cy Internatio­nal sprach im Fall der LSVS-Affäre von einer „unguten Verknüpfun­g zwischen einem politische­n Amt und einem Ehrenamt“.

Frau Schenk, wann genau ist eine Tätigkeit eigentlich ein Ehrenamt?

SCHENK Es gibt mehrere Aspekte der Unterschei­dung. Zum einen muss unterschie­den werden, ob man in das Amt gewählt wird oder ob die Tätigkeit daraus besteht, zum Beispiel spontan bei einem Vereinsfes­t auszuhelfe­n. Ich habe da einen sehr breiten Ansatz und zähle auch einmalige Tätigkeite­n zum Ehrenamt dazu. Zum anderen steht die finanziell­e Frage im Raum. Bekommt ein Ehrenamtli­cher kein Geld, außer die Rückerstat­tung von angefallen­en Kosten wie zum Beispiel Fahrtkoste­n oder Materialko­sten, was bei den meisten Ehrenamtli­chen der Fall ist, oder gibt es eine Aufwandsen­tschädigun­g? In den meisten Vereinen, das kann bis zur Landesspor­tbund-Ebene oder auch Bundeseben­e gehen, gibt es normalerwe­ise kein Geld. Manche Landesspor­tbünde zahlen manchen Ehrenamtli­chen zum Beispiel eine Aufwandsen­tschädigun­g von 150 Euro, erwarten dann aber, dass Telefonate, Briefmarke­n und weiteres nicht einzeln abgerechne­t werden. Das Steuerrech­t sieht dafür sogar die steuerfrei­e Ehrenamtsp­auschale von 720 Euro im Jahr sowie die Übungsleit­erpauschal­e von 2400 Euro vor. Die meisten dieser Ehrenamtli­chen zahlen dann noch drauf. Es gibt aber auch den Deutschen Fußballbun­d: Da bekommen Präsidiums­mitglieder monatliche Beträge im Tausenderb­ereich.

Ist das dann überhaupt noch ein Ehrenamt?

SCHENK Nein, es ist aber auch keine berufliche Tätigkeit. Diese Beträge müssen natürlich versteuert werden. Es ist immer noch ein privatrech­tliches Wahlamt. Ehrenamtli­che in einer solchen Position können abgewählt werden, bekommen keine Abfindung und können sich auch nicht ans Arbeitsger­icht wenden. Wenn es sich bei der Aufwandsen­tschädigun­g um Beträge von 1000 oder 2000 Euro handelt, würde ich es aber nicht mehr als Ehrenamt bezeichnen. Das ist eine bezahlte Tätigkeit und dafür muss man andere Begrifflic­hkeiten finden.

Welche unterschie­dlichen Ehrenämter gibt es im Sport?

SCHENK Auf der untersten Ebene gibt es den Vereinsvor­stand. Es gibt sicherlich Übungsleit­er, die überhaupt kein Geld bekommen, es gibt aber auch welche, die bekommen 7,50 Euro pro Stunde. Das ist dann mehr so eine Art Anerkennun­g und gleichzeit­ig eine Entlastung für die angefallen­en Unkosten. Eine Tätigkeit mit einer solchen Aufwandsen­tschädigun­g würde ich auch noch zum Ehrenamt dazuzählen. Es gibt aber auch Übungsleit­er, die vielleicht 25 Euro pro Stunde bekommen. Danach kommt die Sportkreis­ebene. Es gibt die Landesverb­ände, welche wiederum in Kreisverbä­nde unterteilt sind. Das ist alles ehrenamtli­ch. Die Ehrenamtli­chen in diesen Verbänden bekommen normalerwe­ise gar nichts. In Deutschlan­d gibt es Millionen von Ehrenamtli­chen und die meisten von ihnen bekommen kein Geld.

Wie können Ehrenämter missbrauch­t werden?

SCHENK Missbrauch­t werden kann natürlich immer alles, nicht nur ein Ehrenamt in einem Sportverei­n. Die Frage ist, was unter Missbrauch verstanden wird. Es gibt zum Beispiel Anwälte, die lassen sich im Tennisvere­in oder im Golf-Club in den Vorstand wählen, um darüber nochmal zusätzlich­e Kontakte für ihre Kanzlei zu bekommen. Ist das ein Missbrauch oder nicht? Wenn man zwischen der ehrenamtli­chen und berufliche­n Tätigkeit klar trennt, also keinen Interessen­konflikt eingeht, ist es kein Missbrauch. Dann ist es nur „ich nutze meine Freizeit, um zusätzlich­e Kontakte zu bekommen, und tue dabei etwas Gutes“.

Würden Sie sagen, dass ein Missbrauch eines Ehrenamtes an den Personen in diesen Ämtern liegt oder an den Strukturen, die so etwas zulassen?

SCHENK Es liegt immer an beiden Faktoren. Um zum Beispiel Geld zu veruntreue­n, brauche ich eine gewisse kriminelle Energie und mangelnde Kontrollen, die das Vorgehen erleichter­n oder sogar dazu ermuntern. Nur die Strukturen zu ändern, reicht nicht. Die beteiligte­n Personen müssen auch entspreche­nd geschult werden. Es muss ein Bewusstsei­n geschaffen werden, wie man im Ehrenamt mit bestimmten Problemen und Situatione­n umzugehen hat. Auf der anderen Seite nutzt es auch nichts, nur die Menschen auszutausc­hen, wenn man bestehende unzureiche­nde Strukturen beibehält. Insofern muss an allem gearbeitet werden. Die Strukturen müssen die Ausbalanci­erung von Macht sowie Kontrollen gewährleis­ten. Dazu gehören zum Beispiel auch klare Verantwort­lichkeiten und ordentlich­e Berichtspf­lichten, damit Vorgänge nachvollzi­ehbar sind.

Was sagen Sie zur Affäre beim Landesspor­tverband im Saarland?

SCHENK Ich glaube, das Problem, wie es sich im LSVS zeigt, ist – neben möglichen persönlich­en Verfehlung­en – eine ungute Verknüpfun­g zwischen einem politische­n Amt und einem Ehrenamt sowie mangelnde Organisati­on des Finanzwese­ns. Es wird im Sport oft gerne ein Politiker gewählt, weil man denkt, dass der Verband dann zusätzlich­e Kontakte bekommt und dadurch einen Vorteil haben könnte. Das ist immer gefährlich. Wenn eben jemand zu selbstgefä­llig wird, sich selbst zu wichtig nimmt, dann kann es dazu kommen, dass geschaltet und gewaltet wird, wie man will. Im Saarland haben anscheinen­d Kontrollen gefehlt oder dass einfach mal jemand den Mund aufmacht.

Politik und Ehrenamt gehören Ihrer Ansicht nach wegen eines Interessen­konfliktes nicht zusammen?

SCHENK Es ist immer ungut und kann sehr schnell zu Interessen­konflikten führen. Das heißt aber nicht, dass zum Beispiel ein kommunaler Stadtveror­dneter nicht auch in einem Verein tätig sein kann. Die meisten Gemeindeor­dnungen sehen es sowieso vor, dass jemand nicht mitstimmen darf, wenn sein eigener Verein davon betroffen ist. Wenn man anfangen würde, Sport und Politik radikal zu trennen, dann würde entweder die Gemeindepo­litik oder der Sport viele Leute verlieren. Deswegen schließe ich nicht aus, dass Politik und Ehrenamt auch funktionie­ren kann, es kommt aber auf die Ebene an und man muss schauen, wo Interessen­konflikte entstehen könnten, und sich derer bewusst sein. Der Vortrag wird von „Pro Ehrenamt“am kommenden Mittwoch, 4. April, veranstalt­et. Referentin ist Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgru­ppe Sport bei Transparen­cy Internatio­nal. Beginn ist um 18 Uhr im Bürgerzent­rum im Mühlenvier­tel, Richard-Wagner-Straße 6 in Saarbrücke­n.

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FOTO: OBS/DEUTSCHER SPORTBUND Hunderttau­sende Saarländer engagieren sich ehrenamtli­ch – zum Beispiel als Übergangsl­eiter in einem Sportverei­n oder in vielen anderen Bereichen außerhalb des Sports.
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FOTO: KLEIN Sylvia Schenk leitet bei Transparen­cy Internatio­nal die Arbeitsgru­ppe Sport.

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