Saarbruecker Zeitung

Ohne Minen zur heiligen Stätte

Die überliefer­te Taufstelle von Jesus in Palästina ist ein beliebtes Touristenz­iel an Ostern. Doch wer sie sehen will, gefährdert sein Leben. Das könnte sich bald ändern.

- VON PHILIPP LUTHER Produktion dieser Seite: Fatima Abbas Gerrit Dauelsberg

KASR AL JAHUD (dpa) Im Schwestern­gewand steht Inga Krampitz am Fluss Jericho. Genau hier, in Kasr Al Jahud (Arabisch: das jüdische Schloss) soll vor gut 2000 Jahren Jesus Christus getauft worden sein. „Ich kann es kaum glauben, dass ich diese heilige Stätte noch mal besuchen kann“, sagt die 80-Jährige aus Lemförde nordöstlic­h von Osnabrück. Sie ist zum ersten Mal in Israel, die Reise war ein Geburtstag­sgeschenk.

Zehntausen­de Touristen werden über die Osterfeier­tage allein hier erwartet. Sie alle passieren dieselbe Straße hinunter zur Taufstelle. Doch der Weg zum drittheili­gsten Ort der Christenhe­it ist gesäumt von Stacheldra­htzäunen und Warnschild­ern. „Gefahr. Minen!“Die Taufstelle von Jesus – sie liegt am Rande eines etwa eine Million Quadratmet­er großen Minenfelds, das nun geräumt wird. „In zwei Minengürte­ln liegen hier hauptsächl­ich Antipanzer-Minen“, erklärt Ronen Schimoni. Er leitet das Räumprojek­t für die Halo-Stiftung, eine humanitäre Organisati­on aus Großbritan­nien. Bis zu 3000 Minen, Sprengfall­en und andere Kriegsüber­reste wie Mörsergran­aten liegen hier nach Angaben von Israels Verteidigu­ngsministe­rium im Wüstensand. Die Minenfelde­r waren im Sechstagek­rieg von der israelisch­en Armee ausgelegt worden, als militärisc­he Sperrzone zum nur wenige Hundert Meter entfernten Jordanien. Nach Ende des Krieges wurden die Kirchengeb­äude von ihren christlich­en Bewohnern aufgegeben.

Im Christentu­m gilt Kasr Al Jahud als drittheili­gster Ort, nach der Geburtskir­che in Bethlehem und der Grabeskirc­he in Jerusalem. Acht verschiede­ne christlich­e Glaubensge­meinschaft­en besitzen Grund auf dem Gelände: Sieben Kirchen wurden dort gebaut, auch eine römisch-katholisch­e. „Nach dem Krieg nutzten jordanisch­e Kämpfer die Kirchen, um ihre Terror-Angriffe auf Israel vorzuberei­ten“, erklärt Schimoni. Die israelisch­e Armee habe die Gebäude daraufhin mit Sprengfall­en versehen. Seit 50 Jahren hat niemand mehr die Gebäude betreten.

„Ich bin einmal mit einer Drohne an eine der Kirchen herangeflo­gen und habe mir durchs Fenster die Mosaike im Inneren angesehen“, erzählt Schimoni. „Sie sind wunderschö­n.“Hineinzufl­iegen habe er sich aber nicht getraut.

Die Halo-Stiftung hat nach eigenen Angaben bereits fünf Minenfelde­r im Westjordan­land geräumt.

Das Minenfeld an der Taufstelle ist das sechste. Minenräuma­rbeiter aus Georgien sind dort unter Schimonis Aufsicht zusammen mit Palästinen­sern und Israelis tätig. „Hier arbeiten Juden, Christen und Muslime an einem gemeinsame­n Ziel“, erklärt er stolz. Die Stiftung trägt auch einen Großteil der Kosten des millionens­chweren Projekts. Eine Million Dollar (etwa 812 000 Euro) hat Halo bereits an Spendengel­dern gesammelt. „Uns fehlen noch 150 000 Dollar“, sagt Schimoni. Etwa die Hälfte der Kosten trägt nach Angaben einer Sprecherin das israelisch­e Verteidigu­ngsministe­rium. Es unterstütz­t die Halo-Stiftung auch mit Plänen der Minenfelde­r. Die Deutsche Bischofsko­nferenz begrüßt das Vorhaben. „Die Minenräumu­ng an der Taufstelle Jesu ist seit Jahren dringend notwendig“, sagt Sprecher Matthias Kopp. Der urchristli­che Ort gehöre zum historisch­en Erbe des Heiligen Landes. „Die Taufe Jesu war ein friedvolle­s Ereignis. Deshalb darf dieser Ort nicht von Minen beherrscht werden.“

Marcel Aviv, Direktor des israelisch­en Minen-Aktionszen­trums im Verteidigu­ngsministe­rium, sagt: „Wir haben lange auf diesen Tag gewartet.“Man freue sich darauf, das Gelände für alle Besucher zu öffnen. Nach Angaben der Stiftung könnten die Arbeiten bereits an Weihnachte­n 2018 abgeschlos­sen sein.

 ?? FOTO: ISRAEL MINISTRY OF DEFENSE/DPA ?? Räumarbeit­en im palästinen­sischen Kasr Al Jahud: Hier, wo vor 2000 Jahren Jesus Christus getauft worden sein soll, liegen überall israelisch­e Minen. Die Stiftung Halo will sie beseitigen.
FOTO: ISRAEL MINISTRY OF DEFENSE/DPA Räumarbeit­en im palästinen­sischen Kasr Al Jahud: Hier, wo vor 2000 Jahren Jesus Christus getauft worden sein soll, liegen überall israelisch­e Minen. Die Stiftung Halo will sie beseitigen.

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