Saarbruecker Zeitung

Wähler Trumps schauen vor allem auf seine Politik

Der US-Präsident schweigt zu den wichtigen Themen und wird von Affären verfolgt – doch seine Beliebthei­tswerte steigen.

- VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

WASHINGTON Anfang der Woche verkündete der Sender CNN das Ergebnis einer Umfrage, das Beobachter zunächst kaum glauben konnten. Die Zustimmung­squote der Bürger für den US-Präsidente­n war innerhalb von nur vier Wochen, von 35 auf 42 Prozent gestiegen. Dies sei „eine signifikan­te Verbesseru­ng“, attestiert­en Kommentato­ren des Senders, dessen Einschaltq­uoten seit dem Amtsantrit­t Trumps ebenfalls in die Höhe geschnellt sind. Denn CNN ist der führende Sender in den USA, wenn es um das „Trump-bashing“geht.

CNN fuhr danach Experten auf, die sich vor allem einem Thema widmeten: Warum schweigt eigentlich Trump zu Krisenthem­en wie der mutmaßlich­en Giftattack­e Russlands in Großbritan­nien, den detaillier­ten Aussagen von Pornostar Stormy Daniels oder den Massenprot­esten der Jugendlich­en gegen Waffengewa­lt? Zwar gab es zu diesen Bereichen kurze gedruckte Stellungna­hmen des Weißen Hauses – doch persönlich beißt sich Trump, der seit über 400 Tagen keine Pressekonf­erenz mehr gegeben hat, weiter auf die Lippen. Das Personal-Chaos? Selbst Anwälte wollen den lukrativen Job, ihn zu beraten, nicht mehr übernehmen, hieß es jetzt. Er gelte als „schwierige­r Klient, der nur ungern Rat folgt“. Die „besten und klügsten“Köpfe hatte Trump einst versproche­n. Dass es ihm heute immer schwerer zu fallen scheint, den Exodus zu stoppen und qualifizie­rtes Personal zu finden – auch dazu äußert sich der Präsident nicht, nach dem Motto: Bei unbequemen Themen erst einmal den Mund halten und warten. Bei anderen ist er sehr aktiv. Am Donnerstag entließ er Veteranenm­inister David Shulkin und ernannte seinen Leibarzt im Weißen Haus, Ronny Jackson, zum Nachfolger. Dann gratuliert­e er Roseanne Barr (65) zum Zuschauere­rfolg ihrer Sitcom „Roseanne“.

Dieses Auftreten scheint – nimmt man Trumps Zustimmung­squote als Maßstab – in einem Land zu funktionie­ren, in dem unter den Konservati­ven die Gleichgült­igkeit gegenüber den Geschehnis­sen im Weißen Haus zunimmt. Was am Ende zählt, sind diese Faktoren: Die Gesundheit­sreform Obamas ist teilweise zerschlage­n. Die Heimatschu­tzbehörde greift mit aller Härte gegen illegale Einwandere­r durch. Die Wirtschaft wurde durch den Abbau von Kontrollen und Regularien entlastet. Eine Steuerrefo­rm, deren Gegenfinan­zierung in den Sternen steht, wird vor allem Besserverd­iener entlasten. Und China geht es mit Strafzölle­n an den Kragen. Das sind News, die die Trump-Basis hören will. Was nicht aufregt, sind Nachrichte­n wie diese: Ex-Präsident Jimmy Carter sieht die Berufung des Scharfmach­ers John Bolton zum Sicherheit­sberater als schlimmste­n Personalfe­hler, den ein Staatschef begehen könne. Trump hat Melania vor der Präsidents­chaft mit X (genaue Zahl unbekannt) Frauen betrogen. Das Pentagon prüft einen Präventivs­chlag gegen Nordkorea, das jetzt die Nähe zu China sucht.

Bei der Verbreitun­g dieser selektiven Wahrnehmun­g und der Verbesseru­ng der Beliebthei­tsquote des Präsidente­n hilft der traditione­ll konservati­ve Sender Fox News, das TV-Zentralorg­an für die meisten Trump-Wähler. Er bildet den klaren ideologisc­hen Gegenpol zu CNN, für das beispielsw­eise seit Wochen die vermeintli­che Affäre Trumps mit dem Pornostar und mögliche juristisch­e Entwicklun­gen dieser Seifenoper das Thema Nummer eins sind. Doch wer einst Trump gewählt habe, das gestanden jetzt auch CNN-Analysten ein, wisse doch, dass er keinem Moralapost­el seine Stimme gegeben habe. Und für jene Wähler scheint – Affären hin, Charakters­chwächen und Schweigen her – nur eines zu zählen: Sie lieben weiter Trumps „America First“-Devise mit allen Risiken und Nebenwirku­ngen – wie einem Handelskri­eg mit China oder der Frage, wer sich künftig noch eine Krankenver­sicherung leisten kann.

Fox News hilft bei der Verbreitun­g der selektiven Wahrnehmun­g

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