Saarbruecker Zeitung

Die Martinskir­che ist Star eines kleinen Films

Das alte Gotteshaus im Püttlinger Stadtteil Köllerbach birgt für Besucher viele Überraschu­ngen und wirft ebenso viele Fragen auf.

- VON WALTER FAAS

PÜTTLINGEN-KÖLLERBACH Immer wieder finden in der Köllerbach­er Martinskir­che Konzerte statt. Zu Recht, die Atmosphäre ist einzigarti­g. Das merken Zuhörer besonders, wenn anlässlich des sommerlich­en Mittelalte­rmarktes in der benachbart­en Burg Bucherbach Spielleute auf historisch­en Instrument­en hier spielen. Dann wirkt die Kirche mit ihren dicken Mauern „wie aus der Zeit gefallen“.

Was macht diese kleine, gut erhaltene, in einen historisch­en Friedhof eingebette­te Kirche so liebenswer­t? „Ihre extrem wertvolle Ausstattun­g“, antwortet Professor Dr. Joachim Conrad. Er ist als Pfarrer seit beinahe drei Jahrzehnte­n Hausherr und begeistert sich immer wieder aufs Neue für „seine“Kirche. „So oft ich hier bin, entdecke ich schöne Überraschu­ngen.“ Das sind an erster Stelle die gut erhaltenen Deckenmale­reien. 1956 wieder entdeckt, wurden sie in der Folge mehrfach restaurier­t. Sie zeigen etwa Szenen aus dem Leben des Martin von Tours, Christus als Weltenrich­ter, drei Posaunenen­gel, die zum Jüngsten Gericht blasen, sowie einen Höllenrach­en mit bocksbeini­gem Teufel, in den Sünder wie Geiziger, Würfelspie­ler, Kornwucher­er, Trinker, Soldat zur Hölle fahren. Des Weiteren sind es Wandbilder, die es in ihrer Art nur noch drei weitere Male im Saarland gibt: in der Medelsheim­er Sakristei im Bliesgau, in der kleinen Keßlinger Dorfkirche bei Orscholz und im Langhaus der St. Wendeler Wendelinus­basilika.

In der Köllner Martinskir­che entdeckte der saarländis­che Restaurato­r Nico Leiß im vorigen Jahr im Dachstuhl weitere, bislang unbekannte Wandmalere­ien, die noch ihrer wissenscha­ftlichen Aufarbeitu­ng harren, sagt der Pfarrer. Er erwähnt mit Blick auf weitere Sehenswürd­igkeiten die steinerne Reformatio­nskanzel aus dem 16. Jahrhunder­t, gestiftet von Graf Philipp III. von Nassau-Saarbrücke­n aus Anlass seines silbernen Thronjubil­äums. Ging die Gräfin Elisabeth von Lothringen, Verfasseri­n höfischer Romane, von ihrem Witwensitz Burg Bucherbach in die Martinskir­che zum Gottesdien­st? Könnte man annehmen, bis heute haben die frischen Farben ihres Wappens im Chorgewölb­e dem Zahn der Zeit widerstand­en.

Ein in Stein gehauener Bauer in der Tracht des 14. Jahrhunder­ts ruht sich im Chorraum aus. An anderer Stelle lächelt ein Mönch, je nach Standort, den Besucher an, reiht sich ein offensicht­lich sündig gewordener Bischof mit Mitra in die „Höllenfahr­t der Unseligen“ein. „Diese Kirche enthält noch viele Überraschu­ngen und offene Fragen. Beispielsw­eise: Wem gehören die Steinsärge aus dem zehnten oder elften Jahrhunder­t?“, fragt Pfarrer Conrad.

Viel deute darauf hin, dass die Wurzeln der heutigen spätgotisc­hen Kirche sogar in das achte Jahrhunder­t zurückreic­hen, das ist diversen Kirchenfüh­rern zu entnehmen. Es gibt Hinweise, dass das Gebäude mit Oratorium in seinen Frühjahren auch als Gerichts- und Versammlun­gsstätte gedient hat. Gesichert ist, dass zur Kirche bis zur Reformatio­n, in der solche Einrichtun­gen verboten wurden, auch ein Gebeinhaus gehört hat. Bis heute ist das Anwesen von einer großen Sandsteinm­auer und einem mittelalte­rlichen Friedhof umgeben, dessen Nutzung erst 1934 aufgegeben wurde. „Einige alte Grabsteine, deren kulturgesc­hichtliche Bedeutung man bereits erkannte, stellte man damals in den Grünanlage­n rund um die Kirche auf“, steht im DKV-Kunstführe­r, der nach den Gottesdien­sten in der Martinskir­che für 2,50 Euro erworben werden kann. Aktuell hat der Künstler Folker Wulff einen etwa sechsminüt­igen Filmbeitra­g über die Köllerbach­er Martinskir­che ins Internet gestellt, kostenlos anzuschaue­n unter https://bit.ly/2GrKlGT. Mehr zur Martinskir­che unter www.evangelisc­h-imkoellert­al.de, www.puettlinge­n.de. ............................................. Auf der Seite Momente stellt die Saarbrücke­r Zeitung im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor. Michaela Heinze Matthias Zimmermann

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