Ein Provinz-Club träumt vom Europapokal
Der Drittligist VF Les Herbiers zieht sensationell ins Finale um den französischen Pokal ein.
(sid) Als die Pokalhelden von Les Herbiers um 2 Uhr nachts in ihre Heimat zurückkehrten, war das halbe Dorf noch auf den Beinen. Oder genauer: Der Teil, der das Fußball-Wunder nicht live vor Ort miterlebt hatte. Mit bengalischen Feuern empfingen knapp 1000 Fans die nicht mehr nüchterne Mannschaft des französischen Drittligisten, die zuvor ihre „historische Reise“mit dem Einzug ins Pokalfinale gekrönt hatte.
„Ich habe vor diesem Spiel kaum geschlafen, nichts mehr gegessen. Ich bin so stolz, dass wir es geschafft haben“, sagte Trainer Stephane Masala nach dem 2:0 (1:0) im Halbfinale gegen den FC Chambly, ebenfalls ein Drittligist. Weil das eigene Stadion viel zu klein ist, war Les Herbiers in die WM-Arena im 75 Kilometer entfernten Nantes umgezogen. Dort sorgten 35 000 Fans für ein ausverkauftes Haus, fast alle trugen das Rot und Schwarz der Gastgeber.
Les Herbiers liegt in Westfrankreich, etwa 80 Kilometer vom Atlantik entfernt. Viel los ist in dem 16 000-Einwohner-Städtchen nicht: Ab und zu besuchen Touristen die Reste der Benediktiner-Abtei, im Herbst findet hier das Radrennen „Chrono des Nations“statt, das Tony Martin von 2011 bis 2013 gewann. Eine Städtepartnerschaft existiert mit Liebertwolkwitz, einem Stadtteil von Leipzig. Das war’s.
Und dann gibt es da eben noch den Fußballclub VF Les Herbiers. 2015 stiegen die „Roten Teufel“erstmals in die 3. Liga auf, nun steht der Verein plötzlich im Pokalfinale und träumt vom Europapokal. Und das mit einem mickrigen Budget von zwei Millionen Euro. Zugegeben: Les Herbiers hatte auch Losglück, die dicksten Brocken auf dem Weg ins Endspiel am 8. Mai im Stade de France in Paris waren die Zweitligisten Auxerre und Lens. Doch das interessiert schon niemanden mehr.